Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Klage wegen Rechtshängigkeit

 

Orientierungssatz

1. § 261 ZPO gilt auch dann, wenn eine Streitsache nicht durch Klage im Urteilsverfahren, sondern durch eine Antragsschrift im Beschlußverfahren anhängig gemacht wird.

2. "Anderweitig anhängig" gemacht wird die Streitsache nicht nur dann, wenn sie erneut vor dem gleichen Gericht oder im gleichen Verfahren anhängig gemacht wird, sondern auch dann, wenn sie vor einem anderen Gericht oder in einem anderen Verfahren anhängig gemacht wird.

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 29.10.1990; Aktenzeichen 10 Sa 24/90)

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 06.12.1989; Aktenzeichen 10 Ca 437/89)

 

Tatbestand

Die Klägerin, die im Betrieb des beklagten Arbeitgebers vertretene IG Medien, macht geltend, eine vom Arbeitgeber und Betriebsrat für den Betrieb abgeschlossene Betriebsvereinbarung verstoße in mehreren ihrer Bestimmungen gegen Regelungen im Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 10. März 1989 (MTV) und dessen Durchführungsbestimmungen. Sie hat deswegen mit Schriftsatz vom 2. November 1989 Klage gegen den beklagten Arbeitgeber erhoben und beantragt:

1. den Arbeitgeber zu verpflichten, es zu unter-

lassen,

a) Die Betriebsvereinbarung vom 29. April 1988

in der Fassung vom 23. November und 12. Ju-

ni 1988 in nachstehenden Punkten durchzu-

führen und sie statt dessen aufzuheben:

a.a §§ 4.1., 6.3. insoweit, als danach die

freien Tage in Absprache mit dem Per-

sonal-verantwortlichen genommen werden

können bzw. genommen werden;

b.b die Bestimmung in der Betriebsvereinba-

rung vom 23. November 1988, wonach die

Arbeitswoche für den einzelnen Arbeitneh-

mer auf die Tage Freitag bis Donnerstag

gelegt wird;

c.c den Schichtplan Tiefdruck/Fortdruck, so-

weit die regelmäßige Arbeitszeit nicht

auf 5 Tage und nicht auf die Tage Montag

bis Freitag verteilt ist;

d.d den Schichtplan Tiefdruck/Fortdruck, so-

weit Samstagsarbeit nicht auf die Produk-

tion von Zeitschriften beschränkt ist;

e.e den Schichtplan Tiefdruck/Fortdruck, so-

weit Samstagsarbeit in ihm vorgesehen ist

bzw. zur Produktion von Zeitschriften

vorgesehen werden darf, insofern, als die

Arbeitnehmer, die diese Samstagsarbeit

leisten, keine Freizeit am Sonntag und

Montag der jeweiligen Woche erhalten;

f.f den Schichtplänen für die Pförtner, so-

weit lediglich 3 freie Tage pro Jahr vor-

gesehen sind,

unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden

Fall der Zuwiderhandlung, dessen Höhe in das

Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt

wird;

b) den Arbeitgeber zu verpflichten, im Rahmen des

in seinem Betrieb geltenden MTV für die ge-

werb-lichen Arbeitnehmer der Druckindustrie in

der Fassung vom 10. März 1989 solche Schicht-

pläne mit dem Betriebsrat zu vereinbaren und

auf die Arbeitnehmer des Betriebes anzuwenden,

in denen

a.a die sich durch die Verkürzung der Wochen-

arbeitszeit ergebende Freizeit im voraus

tagemäßig geplant und festgeschrieben

ist;

b.b die regelmäßige Arbeitszeit für die ein-

zelnen Arbeitnehmer auf die Tage Montag

bis Freitag verteilt ist;

c.c die Zahl der Arbeitstage pro Woche 5 be-

trägt;

d.d die Samstagsarbeit nur zur Produktion von

Zeitschriften zugelassen wird;

e.e in den Fällen, in denen Arbeitnehmer in

regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit am

Samstag arbeiten, dann am Sonntag und

Montag der jeweiligen Woche arbeitsfrei

haben;

f.f in denen Pförtner 9 freie Tage pro Jahr

erhalten.

2. Hilfsweise festzustellen, daß die Betriebsver-

einbarungen gemäß Ziff. 1 des Antrages unwirk-

sam sind und im Betrieb nicht angewandt werden

dürfen.

Mit den gleichen Anträgen hat die IG Medien schon mit Schriftsatz vom 28. Juli 1989 ein Beschlußverfahren gegen den beklagten Arbeitgeber und den Betriebsrat anhängig gemacht.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben im Beschlußverfahren und im Urteilsverfahren die Anträge der IG Medien als unzulässig abgewiesen. Gegen die Abweisung der Klage als unzulässig im Urteilsverfahren wendet sich die IG Medien mit der zugelassenen Revision, während der beklagte Arbeitgeber um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der IG Medien ist nicht begründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis zutreffend. Die Klage gegen den Arbeitgeber ist unzulässig.

Dabei kann dahingestellt bleiben, in welchem Verfahren das Klagebegehren zu verfolgen war. Die Klage ist nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZP0 schon deswegen unzulässig, weil ihr die Einrede der Rechtshängigkeit entgegensteht.

Die mit der Klage gegen den Arbeitgeber verfolgten Anträge hat die IG Medien schon zuvor mit ihrem Schriftsatz vom 28. Juli 1989 im Beschlußverfahren anhängig gemacht. Mit der Zustellung dieser Antragsschrift wurde nach § 261 Abs. 1 ZP0 die Rechtshängigkeit der durch diese Anträge umschriebenen Streitsache begründet. § 261 ZP0 gilt auch dann, wenn eine Streitsache nicht durch Klage im Urteilsverfahren, sondern durch eine Antragsschrift im Beschlußverfahren anhängig gemacht wird (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 80 Rz 43; BVerwG Beschluß vom 11. Februar 1981 - 6 P 2/79 -, Buchholz 238.36 § 78 Nr. 2). Die so begründete Rechtshängigkeit hat nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Wirkung, daß während der Dauer der Rechtshängigkeit die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann. "Anderweitig anhängig" gemacht wird die Streitsache aber nicht nur dann, wenn sie erneut vor dem gleichen Gericht oder im gleichen Verfahren anhängig gemacht wird, sondern auch dann, wenn sie vor einem anderen Gericht oder in einem anderen Verfahren anhängig gemacht wird. Das folgt aus dem Zweck der Vorschrift, der u.a. einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Gerichte über die gleiche Streitsache vermeiden will. Die anderweitige Anhängigkeit der Streitsache ist daher auch von Amts wegen zu berücksichtigen (BAGE 3, 43 = AP Nr. 2 zu § 794 ZP0; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZP0, 49. Aufl., § 261 Anm. 5 A). Die erneute Anhängigmachung der gleichen Streitsache im Urteilsverfahren war daher unzulässig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZP0.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

K. H. Janzen Heisler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI437397

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