Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg für Folgenbeseitigung von Verwaltungshandeln

 

Leitsatz (redaktionell)

Für einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages wegen rechtswidrig verzögerter Ausbildung im Referendarverhältnis (Beamter auf Widerruf) ist der Rechtsweg nicht zu den Gerichten für Arbeitssachen, sondern zu den Verwaltungsgerichten gegeben.

 

Normenkette

BRRG § 126 Abs. 1; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 07.09.1987; Aktenzeichen 6 Sa 515/87)

ArbG Köln (Entscheidung vom 17.02.1987; Aktenzeichen 4 Ca 9421/86)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land deswegen zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit dem Kläger als Gymnasiallehrer verpflichtet ist, weil dessen Ausbildung zum Gymnasiallehrer infolge rechtswidriger Ablehnung der Übernahme in den Referendardienst nicht schon 1981, sondern erst 1985 beendet worden ist.

Der 1952 geborene Kläger bestand am 25. April 1978 die Erste philologische Staatsprüfung in der Fächerkombination Deutsch und Sozialkunde mit der Note befriedigend. Durch Urteile des Amtsgerichts Aachen vom 23. September 1977 und 25. August 1978 ist er wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu Geldstrafen in Höhe von 8 bzw. 30 Tagessätzen verurteilt worden. Den Antrag des Klägers vom 15. April 1979 auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst als Referendar (Beamter auf Widerruf) lehnte das Schulkollegium beim Regierungspräsidenten D unter Hinweis auf die Vorstrafen des Klägers ab. Nach erfolglosem Widerspruch des Klägers ist das beklagte Land durch Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 17. Juli 1980 verpflichtet worden, den Antrag des Klägers auf Einstellung in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien nicht wegen Fehlens der besonderen geistigen und charakterlichen Eignung für die gewählte Laufbahn abzulehnen. Die Berufung des beklagten Landes hiergegen ist durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 1982 zurückgewiesen worden. Der Kläger wurde zum 15. Juni 1983 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Studienreferendar ernannt. Am 21. März 1985 bestand er - wiederum mit der Note befriedigend - die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien.

Im Januar 1985 bewarb sich der Kläger um eine Einstellung als Gymnasiallehrer beim beklagten Land. Der Regierungspräsident K des beklagten Landes teilte dem Kläger unter dem 19. Juli 1985 mit, er könne nicht berücksichtigt werden, weil ihm nach der u. a. aufgrund der Noten beider Examina gebildeten Rangfolge mehr Bewerber vorangingen, als freie Stellen zu besetzen seien.

Der Kläger trat sodann am 1. September 1985 eine knapp eineinhalb Jahre umfassende Zusatzausbildung als Heizungsbauer an. Etwa drei Wochen später bot ihm die Schulkommission des beklagten Landes unter Hinweis auf zahlreiche Absagen anderer Bewerber eine auf drei Jahre befristete 3/4-Stelle als angestellter Lehrer am städtischen Gymnasium M an, "um ihm Gelegenheit zu geben, sich um eine andere Tätigkeit als die Tätigkeit eines Lehrers im Landesdienst zu bemühen oder sich für einen anderen Beruf zu qualifizieren". Dieses Angebot entsprach in seinen Bedingungen denen der übrigen zum Schuljahresbeginn 1985/86 eingestellten Junglehrer. Der Kläger ging auf das Angebot nicht ein mit der Begründung, er habe den empfohlenen Erwerb anderweitiger Kenntnisse und Fähigkeiten bereits aufgenommen und wolle diese Ausbildung um einer lediglich vorübergehenden Anstellung willen nicht zurückstellen. Im Dezember 1986 beschloß der Landtag des beklagten Landes, alle im September 1985 befristet eingestellten Gymnasiallehrer auf unbestimmte Zeit in den Schuldienst zu übernehmen.

Hätte der Kläger seinen Vorbereitungsdienst im Jahre 1979, wie von ihm beantragt, aufnehmen können und hätte er dementsprechend bereits im Frühjahr 1981 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien bestanden, so wäre er wie alle Absolventen des damaligen Jahrganges mit derselben Fächerkombination unstreitig eingestellt worden.

Zur Begründung seiner am 8. Dezember 1986 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger vorgetragen: Ihm stehe ein vor den Arbeitsgerichten durchsetzbarer Anspruch auf Abschluß eines Anstellungsvertrages zu. Die Verpflichtung des beklagten Landes hierzu ergebe sich aus Art. 33 Abs. 2 GG in entsprechender Anwendung. Das Schulkollegium des beklagten Landes sei bei der Vergabe der von ihm zu besetzenden Stellen vor allem an die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gebunden. Bei der Prüfung seines Gesuches müsse das beklagte Land auf die im Sommer 1981 gegebenen Verhältnisse abstellen. Dementsprechend dürfe sich das beklagte Land auf eine zu geringe Zahl vorhandener Planstellen nicht berufen. Darüber hinaus ergebe sich der nämliche Anspruch aus den Grundsätzen des verwaltungsrechtlich anerkannten Folgenbeseitigungsanspruchs bzw. des von den Sozialgerichten entwickelten Herstellungsanspruchs. Durch die um vier Jahre verspätete Aufnahme in den Vorbereitungsdienst, mit der das beklagte Land nur dem Ausgang des Verwaltungsstreitverfahrens Rechnung getragen habe, sei das beklagte Land seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Auch mit dem Angebot vom September 1985 auf Abschluß eines auf drei Jahre befristeten Anstellungsvertrages für eine 3/4-Stelle habe das beklagte Land die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt. Denn mit dem Angebot sei ausdrücklich die Aufforderung verbunden gewesen, sich nach einer anderweitigen Beschäftigung umzusehen bzw. eine Qualifikation für einen anderen Beruf zu erwerben.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, mit ihm

einen Anstellungsvertrag als Gymnasial-

lehrer zu den üblichen Bedingungen abzu-

schließen,

hilfsweise - erstmals im Berufungsrechtszug -,

den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht

Aachen zu verweisen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es ist der Auffassung des Klägers wie folgt entgegengetreten: Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht eröffnet. Vielmehr könne der Kläger sein Begehren nur vor den Verwaltungsgerichten verfolgen. Dies gelte auch, soweit der Kläger meine, seine Klage auf Art. 33 Abs. 2 GG in entsprechender Anwendung stützen zu können. Denn auch insoweit verfolge er lediglich einen Folgenbeseitigungsanspruch. Dem sei das beklagte Land aber hinreichend nachgekommen, indem es den Kläger zum Referendardienst zugelassen habe und ihm überdies eine Anstellung - wenn auch befristet - angeboten habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt, den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers an das Verwaltungsgericht Aachen verwiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht Aachen verwiesen.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, gehören dazu auch bürgerlich-rechtliche Ansprüche auf Abschluß eines Arbeitsvertrages.

Im vorliegenden Falle handelt es sich nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, sondern um eine solche öffentlich- rechtlicher Art, für die der Zivilrechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist.

1. Die vorliegende Rechtsstreitigkeit ist nicht schon deswegen eine bürgerliche, weil der Kläger mit seiner Klage einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages und damit auf Begründung eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses geltend macht. Für die Frage, ob eine Rechtsstreitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, kommt es nicht auf das angestrebte Prozeßziel an. Maßgebend ist vielmehr allein die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974 - GmS - OGB 2/73 -, BSGE 37, 292 = AP Nr. 3 zu § 405 RV0). Der rechtlichen Beurteilung ist dabei der Sachverhalt zugrunde zu legen, den der Kläger dem Gericht zur Begründung seines Klageanspruchs unterbreitet hat.

Der Kläger leitet den Klageanspruch aus einem fehlerhaften Verwaltungshandeln des beklagten Landes her, nämlich der rechtswidrigen Verzögerung seiner Ernennung zum Studienreferendar unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf. Er macht geltend, ohne diese rechtswidrige Verzögerung seiner Ernennung hätte er bereits im Jahre 1981 die Zweite Staatsprüfung bestanden und sodann - wie damals alle übrigen Bewerber mit gleicher Fächerkombination auch - beim beklagten Land eine Anstellung als Gymnasiallehrer gefunden. Er hält das beklagte Land für verpflichtet, die ihn treffenden nachteiligen Folgen des rechtswidrigen Verwaltungshandelns für die Zukunft dadurch zu beseitigen, daß es ihn nunmehr als Gymnasiallehrer im Angestelltenverhältnis einstellt.

Damit kommt als Rechtsgrundlage für das Klagebegehren ein aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitender Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht (vgl. BVerwGE 69, 366, 370). Für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ist derjenige Rechtsweg zu beschreiten, auf dem auch die Rechtswidrigkeit des dem Anspruch zugrunde liegenden beanstandeten Verwaltungshandelns geltend zu machen wäre (vgl. BVerwGE 22, 314, 315 f.; 40, 313, 322; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., § 25 Rz 17; Eyermann/ Fröhler, VwG0, 9. Aufl., § 40 Rz 127; Kopp, VwG0, 8. Aufl., § 40 Rz 59, 73; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl., § 35 Nr. 1). Dies ist hier der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten. Nach der einheitlich und unmittelbar geltenden Vorschrift des § 126 Abs.1 BRRG ist für alle Klagen der Beamten aus dem Beamtenverhältnis - hierzu zählen auch Klagen auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis - der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben. Tragender Grund für das Begehren des Klägers ist, daß das beklagte Land seine Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf als Referendar im Jahre 1979 rechtswidrig abgelehnt habe.

Entsprechende Erwägungen gelten hinsichtlich der Frage, ob aus dem vorgetragenen Sachverhalt ein sogenannter Herstellungsanspruch abzuleiten ist, wie er auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung als Parallele zum Folgenbeseitigungsanspruch von den Sozialgerichten entwickelt worden ist. Auch die um einen Herstellungsanspruch geführte Auseinandersetzung ist eine öffentlich- rechtliche Streitigkeit (BSGE 41, 126, 127).

2. Entgegen der Meinung der Revision ergibt sich eine privat- rechtliche Rechtsgrundlage für das Klagebegehren hier nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG. Nach dieser Verfassungsbestimmung hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Diese Bestimmung gewährt jedem Deutschen Anspruch auf sachgerechte Beurteilung seiner Bewerbung um ein solches öffentliches Amt. Würde sich bei Abwägung aller Umstände unter Beachtung der genannten Auswahlkriterien jede andere Entscheidung als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft erweisen, so kann sich der Anspruch auf sachgerechte Beurteilung ausnahmsweise sogar zu einem Anspruch eines bestimmten Bewerbers auf Übertragung des betreffenden öffentlichen Amtes verdichten (vgl. BAGE 28, 62 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 2 GG; BAGE 36, 344 = AP Nr. 16, aaO; BAGE 33, 43 = AP Nr. 6, aaO; BAGE 39, 180 = AP Nr. 20, aaO).

Eine Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist für einen solchen Anspruch aber nur gegeben, wenn das betreffende öffentliche Amt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden soll und die öffentliche Verwaltung sich daher bei ihrer Entscheidung, mit welchem Stellenbewerber ein entsprechender Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll, auf dem Boden des Privatrechts bewegt. Nur in einem solchen Falle kann die Beachtung der Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG bei fehlerfreier Ermessensausübung auch zu einem privatrechtlichen, im Zivilrechtsweg vor den Arbeitsgerichten zu verfolgenden Einstellungsanspruch führen.

Im vorliegenden Falle macht der Kläger aber gar nicht geltend, daß er als Bewerber um eine freie, im Angestelltenverhältnis zu vergebende Gymnasiallehrerstelle bei richtiger Anwendung der Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG unter seinen Mitbewerbern den Vorzug verdient und deshalb hätte eingestellt werden müssen. Im Jahre 1981 konnte er bei der Vergabe freier Gymnasiallehrerstellen nicht berücksichtigt werden, weil er damals die Zweite Staatsprüfung noch nicht abgelegt hatte. Daß das beklagte Land ihn später, nach Ablegung der Zweiten Staatsprüfung am 21. März 1985, bei der Vergabe einer freien, im Angestelltenverhältnis zu vergebenden Gymnasiallehrerstelle allein aufgrund seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vor seinen Mitbewerbern hätte berücksichtigen müssen, macht er ebenfalls nicht geltend. Vielmehr will er allein deswegen nunmehr bevorzugt eingestellt werden, weil ihm durch rechtswidrige Verzögerung seiner Übernahme in den Referendardienst ein Einstellungsanspruch, den er sonst im Jahre 1981 bei der damaligen Stellensituation im Schuldienst des beklagten Landes aufgrund des Art. 33 Abs. 2 GG erworben hätte, entgangen sei und das beklagte Land ihn deshalb von den nachteiligen Folgen des damaligen rechtswidrigen Verwaltungshandelns durch Abschluß eines entsprechenden Arbeitsvertrages als Gymnasiallehrer freistellen müsse. Damit ist der Rechtsgrund des Klagebegehrens öffentlich-rechtlicher Art; denn es geht um die Beseitigung der Folgen eines rechtswidrigen Verwaltungshandelns bei der Entscheidung über die Übernahme des Klägers in ein Beamtenverhältnis zum beklagten Land, also eines Verwaltungshandelns auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO in Verb. mit § 48 a Abs. 5 ArbGG.

Dr. Seidensticker Dr. Becker Schliemann

Neumann Ruppert

 

Fundstellen

BAGE 60, 305-311 (LT1)

BAGE, 305

NJW 1989, 2909

NJW 1989, 2909 (LT1)

EBE/BAG 1989, 134-135 (LT1)

JR 1990, 88

JR 1990, 88 (L1)

NZA 1989, 820-821 (LT1)

RdA 1989, 375

ZAP, EN-Nr 502/89 (S)

AP § 2 ArbGG 1979 (LT1), Nr 12

AR-Blattei, Berufsausbildung Entsch 63 (LT1)

AR-Blattei, ES 400 Nr 63 (LT1)

JZ 1989, 1020

JZ 1989, 1020 (LT1)

MDR 1989, 1129-1129 (LT1)

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