Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Einrede des Schiedsvertrages

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweise des Senats:

Beurteilung der Arbeit eines Chefmaskenbildners als künstlerische Tätigkeit (Anschluß an BAGE 53, 237 = AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG 1972)

 

Normenkette

ArbGG §§ 101-102; Bühnentechniker-Tarifvertrag § 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 14.05.1992; Aktenzeichen 7 Sa 103/91)

ArbG Hamburg (Urteil vom 13.11.1991; Aktenzeichen 6 Ca 156/91)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 14. Mai 1992 – 7 Sa 103/91 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der nicht gewerkschaftlich organisierte Kläger ist seit dem 4. September 1978 als Chefmaskenbildner bei der Beklagten tätig, und zwar aufgrund zweier aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge vom 5. Juli 1978 und 1. April 1980. In diesen Arbeitsverträgen wird in § 8 jeweils bestimmt, das Arbeitsverhältnis richte sich nach dem Bühnentechniker-Tarifvertrag vom 25. Mai 1961 in seiner jeweils gültigen Fassung (BTT). In § 12 BTT ist folgendes geregelt: Schiedsgerichtsbarkeiten

Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes zwischen dem Theaterveranstalter und dem Angestellten sind unter Ausschluß der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die von den vertragsschließenden Parteien dieses Tarifvertrages nach Maßgabe der vereinbarten Bühnenschiedsgerichtsordnung eingesetzten Schiedsgerichte zuständig.

Im Arbeitsvertrag der Parteien ist außerdem zusätzlich vereinbart, die Austragung von Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis solle unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges vor den Bühnenschiedsgerichten erfolgen.

Die Parteien sind in der Vergangenheit davon ausgegangen, das ursprünglich in den vorgenannten Arbeitsverträgen befristet abgeschlossene Arbeitsverhältnis habe sich entsprechend der im tariflichen Bühnenarbeitsrecht bestehenden Üblichkeit jeweils befristet fortgesetzt, falls nicht eine sogenannte Nichtverlängerungsmitteilung vor Ende der Befristung erfolge. Sie sind insoweit bisher auch von der Verbindlichkeit des Tarifvertrages über die Mitteilungspflicht vom 23. November 1977 i. d. F. vom 9. Juni 1980 (TV-Mitteilungspflicht) ausgegangen. Entsprechend diesem Tarifvertrag hörte die Beklagte am 7. Juni 1989 den Kläger zur Nichtverlängerung seines Arbeitsvertrages an und teilte ihm mit Schreiben vom 30. Juni 1989 mit, sein Arbeitsverhältnis werde nicht über das Ende der Spielzeit 1989/1990 hinaus verlängert. Mit einer an das Bühnenschiedsgericht Hamburg gerichteten Klage hat sich der Kläger gegen diese Nichtverlängerung seines Arbeitsvertrages gewandt, seine Klage ist jedoch durch Schiedsspruch des Bezirksbühnenschiedsgerichts Hamburg vom 18. September 1989 abgewiesen worden; die hiergegen eingelegte Berufung beim Bühnenoberschiedsgericht ist laut dessen Schiedsspruch vom 26. März 1990 erfolglos geblieben. Auch die Aufhebungsklage beim Arbeitsgerichts Köln hat keinen Erfolg gehabt (Urteil vom 13. Dezember 1990 – 11 a Ca 6011/90 –). Auf die Berufung des Klägers an das Landesarbeitsgericht ist durch dessen Urteil vom 24. Februar 1992 – 14 Sa 254/91 – unter Aufhebung der vorangegangenen Urteile der Rechtsstreit an das Bühnenoberschiedsgericht zurückverwiesen worden. Zur Zeit ist dieser Rechtsstreit beim Bundesarbeitsgericht (– 7 AZR 124/92 –) anhängig. Da im vorgenannten Prozeß unter den Parteien streitig geworden ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam befristet sei, hat die Beklagte (vorsorglich) das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. März 1991 zum 30. September 1991 unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe aufgekündigt. Im Kündigungsschreiben wird dazu ausgeführt, aufgrund einer Organisationsentscheidung sei der Arbeitsplatz des Klägers als Chefmaskenbildner weggefallen.

Der Kläger hält diese Kündigung für sozial ungerechtfertigt und bestreitet die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats. Dazu vertritt er die Auffassung, die Schiedsgerichtsvereinbarung sei rechtsunwirksam, so daß eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für seine Klage gegeben sei. Die einzelvertragliche Vereinbarung der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit könne nur für die gesetzlich geregelten Berufsgruppen erfolgen, d. h. für Bühnenkünstler. Er sei aber nicht künstlerisch, sondern nur rein handwerklich und zu ca. 80 % seiner Arbeitsleistung verwaltend für die Beklagte tätig. Auch seine handwerkliche Tätigkeit sei nicht als künstlerisch anzusehen.

Da er nicht tarifgebunden sei, sei weder der BTT noch der Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht für sein Arbeitsverhältnis verbindlich. Im übrigen bestünden rechtliche Bedenken gegen die Regelung in § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, da wegen der Unbestimmtheit des in Betracht kommenden Personenkreises ganz erhebliche Rechtsunsicherheiten vorhanden seien.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 28. März 1991 zum 30. September 1991 beendet werde, sondern unverändert darüberhinaus fortbestehe,
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn, den Kläger, zu unveränderten Bedingungen als Chefmaskenbildner weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Klage sei unzulässig. Es sei eine rechtswirksame Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen worden, und zwar sowohl durch eine ausdrückliche Klausel im Arbeitsvertrag wie auch durch die Bezugnahme auf den BTT. Der BTT und der Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit (Bühnenschiedsgerichtsordnung) vom 1. Oktober 1948 i. d. F. vom 27. November 1984 begründeten für Bühnenmitglieder eine Zuständigkeit der Schiedsgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 2 ArbGG. Der BTT gelte für technische Angestellte mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit und erfasse in § 2 Abs. 1 Nr. 6 den Chefmaskenbildner, während nach § 2 Abs. 2 BTT bei überwiegend künstlerischer Tätigkeit auch die sonstigen Maskenbildner (Ziff. 13) unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fielen.

Die Beklagte hält es für treuwidrig, wenn der Kläger sich jetzt entgegen der eindeutigen Regelung im Arbeitsvertrag darauf berufe, die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit sei nicht gültig vereinbart, wovon er selbst noch im Vorprozeß der Parteien ausgehe. Auch habe der Kläger im Vorprozeß selbst schriftsätzlich vorgetragen, daß unstreitig der Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht gelte. Angesichts des Bühnenbrauchs sei aber jedenfalls davon auszugehen, daß der Kläger als Chefmaskenbildner Bühnenkünstler sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen; die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger eine Entscheidung nach Maßgabe seiner bisherigen Klageanträge.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, die Klage vor den Arbeitsgerichten sei unzulässig, weil die Einrede des Schiedsvertrages nach § 102 Abs. 1 ArbGG durchgreife.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, daß die Klage unzulässig sei, wie sich aus § 12 des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Bühnentechniker-Tarifvertrages ergebe. Diese Bestimmung ordne die alleinige Zuständigkeit der Bühnenschiedsgerichsbarkeit für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis an. Dieser in § 12 BTT festgelegte Vorrang der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit sei auch durch § 101 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gedeckt, denn der Tarifvertrag umfasse nach seinem § 2 ausschließlich Bühnenkünstler. Der Kläger sei als Chefmaskenbildner als derartiger Bühnenkünstler anzusehen. Diese Einordnung entspreche dem geschichtlich gewachsenen Begriffsverständnis des „Bühnenkünstlers” und auch dem Willen der Tarifvertragsparteien, wie unter anderem § 2 Abs. 1 Ziff. 6 BTT zu entnehmen sei. Im übrigen komme dem Maskenbildnerwesen auch künstlerische Qualität zu, ohne daß das einen Urheberrechtsschutz ablehnende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. November 1973 hierzu etwas anderes besage. Auch in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. April 1987 (richtig: Beschluß vom 28. Oktober 1986 – 1 ABR 16/85BAGE 53, 237 = AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG 1972) zu Mitbestimmungsfragen bei der Einstellung von Maskenbildnern sei zum künstlerischen Gehalt dieser Tätigkeit nichts gesagt. Schließlich seien auch die vom Kläger geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 101 ArbGG nicht begründet.

II. Dem stimmt der Senat sowohl im Ergebnis wie auch in der Begründung zu.

1. Die Parteien haben in § 8 der abgeschlossenen Arbeitsverträge die Geltung des Bühnentechniker-Tarifvertrages vereinbart, unter dessen persönlichen Geltungsbereich nach § 2 Abs. 1 Ziff. 6 Chefmaskenbildner fallen. Die Gegenüberstellung zu den weiteren Angestellten in § 2 Abs. 2 BTT, wenn diese überwiegend künstlerisch tätig sind, zeigt deutlich, daß die zuständigen Tarifpartner die unter § 2 Abs. 1 fallenden Personen also in jedem Fall als Angestellte mit künstlerischer Tätigkeit ansehen. Infolge der Bezugnahme im Arbeitsvertrag ist dies von den Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich gebilligt worden. Schon daran muß sich der Kläger festhalten lassen, ohne daß noch darauf eingegangen zu werden braucht, wie der Kläger heute seine Tätigkeit – im Vorprozeß offensichtlich noch anders – einschätzt, ob etwa auch der handwerkliche Teil seiner Tätigkeit als künstlerisch anzusehen ist oder nicht. Deshalb kommt es auf das gesamte Revisionsvorbringen nicht an, das sich darin erschöpft, eine künstlerische Tätigkeit des Klägers zu bestreiten.

Der Senat schließt sich im übrigen der überzeugenden Begründung des Ersten Senats im Beschluß vom 28. Oktober 1986 – 1 ABR 16/85BAGE 53, 237 = AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG 1972) an, der die Tätigkeit der Maskenbildner ausdrücklich als künstlerisch angesehen und ihnen sogar eine Tendenzverwirklichung bei der Gestaltung der Theaterproduktion zugestanden hat (BAGE 53, 237, 243 = AP, aaO, zu B II 1 d der Gründe). Der erste Senat hat den Maskenbildnern lediglich einen maßgeblichen Einfluß auf die Theaterproduktion im Vergleich zum Regisseur, den Bühnen- und Kostümbildnern sowie den Schauspielern im Hinblick auf § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG abgesprochen und deshalb ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG nicht – wie bei maßgeblichen Tendenzträgern – verneint. Da es vorliegend auf solch einen maßgeblichen Einfluß nicht ankommt, greift auch die Verfahrensrüge des Klägers nicht. Abgesehen davon ist der Kläger nicht nur Maskenbildner, sondern Chefmaskenbildner.

Nichts anderes gilt auch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. November 1973 (– I ZR 114/72 – UFITA Bd. 71, 163), der Leistungsschutzrechte für einen 1. Maskenbildner, dessen Tätigkeit übrigens im Arbeitsvertrag ausdrücklich als überwiegend künstlerisch bezeichnet wurde, mangels eigener zusätzlicher künstlerischer Gestaltung im Sinne des § 73 UrhG bei Fernsehproduktionen verneint hat. Auch diese Entscheidung, die eine künstlerische Tätigkeit für die Theateraufführung als solche überhaupt nicht in Zweifel zieht, sondern voraussetzt, spricht gegen den Kläger.

2. Ist aber mit dem Landesarbeitsgericht zutreffend von einer künstlerischen Tätigkeit des Chefmaskenbildners auszugehen, so greift die Einrede des Schiedsvertrages (§ 102 ArbGG) durch, weil die Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 ArbGG vorliegen. Da der persönliche Geltungsbereich des Bühnentechniker-Tarifvertrages überwiegend Bühnenkünstler umfaßt, was das Landesarbeitsgericht im Grunde genommen ungerügt festgestellt hat, fällt der Kläger wegen der einzelvertraglichen Inbezugnahme des BTT, was nach § 101 Abs. 2 Satz 3 auch bei Außenseitern zulässig ist (siehe auch BAGE 15, 87, 92 f. = AP Nr. 11 zu § 101 ArbGG 1953, zu I 3 der Gründe), unter die Geltung der Schiedsklausel. Es braucht deshalb nicht mehr darauf abgestellt zu werden, daß außerdem in § 8 des Arbeitsvertrages der Parteien auch noch selbstständig eine Schiedsklausel vereinbart ist.

3. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers zur angeblichen Unbestimmtheit des § 101 Abs. 2 ArbGG teilt der Senat nicht. Das Landesarbeitsgericht hat bereits zutreffend auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 15, 87 = AP, aaO) hingewiesen, in der die rechtliche Zulässigkeit der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit umfassend gewürdigt worden ist, ohne daß das Bundesverfassungsgericht daran Anstoß genommen hat (Beschluß – 2 BvR 631/63 – zitiert bei Riepenhausen, Das Arbeitsrecht der Bühne, Ergänzungsband 1965, S. 153).

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Thieß, Nipperdey

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916012

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