Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialkassentarifverträge. Betrieb eines Baugewerbes

 

Leitsatz (redaktionell)

Bau einer Lagerhalle zum Zwecke der Vermietung als baugewerbliche Tätigkeit.

 

Normenkette

Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis III

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 26.08.1991; Aktenzeichen 16 Sa 399/91)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 10.01.1991; Aktenzeichen 5 Ca 4080/89)

 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. August 1991 – 16 Sa 399/91 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin (ZVK) ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt den Beklagten auf Beitragszahlung für die Zeit von Mai bis Dezember 1988 in Anspruch.

Der Beklagte ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der G. & Co. Nachfolger U. GmbH, die eine Autowaschanlage und Baustoffhandel betreibt. Im Eigentum des Beklagten stand eine Lagerhalle, die er an die GmbH vermietet hatte. Die Lagerhalle brannte im Frühjahr 1988 ab.

Der Beklagte meldete am 26. Mai 1988 beim zuständigen Gewerbeamt zum Wiederaufbau der Lagerhalle einen Betrieb an, dessen Tätigkeit mit Bau- und Betonsanierung und Instandsetzung angegeben wurde. Der Betrieb wurde auch bei der südwestdeutschen Bauberufsgenossenschaft angemeldet. Ab 1. Juni 1988 wurde der Beklagte bei der Handwerkskammer als Beton- und Stahlbetonbauer eingetragen.

Die Anmeldung des Gewerbebetriebes erfolgte aus steuerlichen Gründen und um eine ordnungsgemäße Abrechnung mit der Feuerversicherung sicherzustellen. Der Beklagte stellte zwei Arbeitnehmer ein, mit denen die Lagerhalle bis Dezember 1988 wieder aufgebaut wurde. Anschließend wurde sie wiederum an die GmbH vermietet. Zum 31. Oktober 1989 meldete der Beklagte den Betrieb gewerberechtlich ab.

Die ZVK vertritt die Auffassung, der Beklagte sei verpflichtet, für die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer im Klagezeitraum Beiträge nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge abzuführen. Er habe während dieses Zeitraums einen Betrieb unterhalten, der vom betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 erfaßt worden sei. Der Betrieb habe gewerblich bauliche Leistungen erbracht.

Die ZVK hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 8.066,18 DM zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte vertritt die Auffassung, er habe weder einen Betrieb unterhalten noch sei er gewerblich tätig geworden. Der Wiederaufbau der Halle sei ausschließlich erfolgt, um sie der GmbH wieder zur Verfügung stellen zu können. Da er alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH sei, seien die baulichen Leistungen letztlich der betrieblichen Tätigkeit der GmbH zuzurechnen und hätten deshalb der Befriedigung von Eigenbedarf gedient. Auch habe eine gewerbliche Tätigkeit nicht vorgelegen, da eine Gewinnerzielung durch die Erbringung der baulichen Leistungen nicht beabsichtigt und auch nicht realisierbar gewesen sei. Die Kosten für die Errichtung der Halle seien der GmbH nicht in Rechnung gestellt worden. Die Vermietung der Halle habe nicht zum Bereich der betrieblichen Tätigkeit gehört. Diese habe er im übrigen in keiner Weise am Markt angeboten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht erkannt, daß der Beklagte zur Beitragszahlung nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge verpflichtet ist.

I. Das Landesarbeitsgericht nimmt an, der Beklagte sei nach § 24 Abs. 1 VTV zur Beitragszahlung für den streitbefangenen Zeitraum verpflichtet. Er habe einen Betrieb unterhalten, in dem gewerblich bauliche Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 VTV erbracht worden seien. Der Beklagte habe zusammen mit den beiden Arbeitnehmern mit dem Wiederaufbau der Lagerhalle einen arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht der Befriedigung von Eigenbedarf gedient habe. Die Tätigkeit sei nicht nur gelegentlich und kurzfristig ausgeführt worden, sondern habe einen Zeitraum von neun Monaten in Anspruch genommen. Die Lagerhalle habe auch nicht der privaten Nutzung des Beklagten gedient.

Der Beklagte habe mit dem Betrieb eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet. Die Tätigkeit sei auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet gewesen, da sie dazu gedient habe, sein Eigentum zu erhalten und eine Vermietung der Halle an die GmbH wieder zu ermöglichen. Dem habe der Beklagte auch Rechnung getragen, indem er zum Wiederaufbau der Halle ein Gewerbe angemeldet habe. Abgesehen davon ließen auch die von ihm vorgetragenen steuerlichen Gesichtspunkte auf eine gewinnorientierte Motivation schließen. Darauf, ob tatsächlich Gewinn erzielt worden sei, komme es nicht an.

Der Betrieb habe gewerblich bauliche Leistungen erbracht, da der Wiederaufbau der Lagerhalle der Erstellung von Bauten aller Art i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt I VTV zuzurechnen sei.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Der Beklagte ist nach § 24 Abs. 1 des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 (VTV) für den Klagezeitraum zur Beitragszahlung verpflichtet. Er unterhielt einen Betrieb, der nach § 1 Abs. 2 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wurde.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß unter den betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 VTV nur „Betriebe” fallen.

Den Begriff des Betriebes haben die Tarifvertragsparteien nicht näher erläutert. Deshalb ist insoweit auf den allgemeinen Betriebsbegriff zurückzugreifen. Danach ist unter einem Betrieb die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 17/89 – AP Nr. 115 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht aus, daß der Beklagte mit seinen beiden Arbeitnehmern einen Betrieb in diesem Sinne unterhalten hat. Der Beklagte hat mit den von ihm zur Durchführung der angemeldeten gewerblichen Tätigkeit der Bausanierung angestellten Arbeitnehmern die abgebrannte Lagerhalle wieder aufgebaut. Damit hat er mit einer von seiner GmbH unabhängigen Arbeitsorganisation einen arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt.

Die Arbeitsorganisation war von derjenigen der GmbH, die eine Autowaschanlage und einen Baustoffhandel betreibt, unabhängig. Dies wird schon dadurch deutlich, daß die beiden Arbeitnehmer vom Beklagten nur für die Bausanierung eingestellt worden sind. Der arbeitstechnische Zweck bestand in dem Wiederaufbau der Lagerhalle.

Mit Recht geht das Landesarbeitsgericht ferner davon aus, daß der Annahme der fortgesetzten Ausübung der Betriebstätigkeit nicht entgegensteht, daß der Beklagte den Betrieb nach Abschluß der Arbeiten wieder aufgegeben hat. Mit dem Begriff „fortgesetzt” soll eine nicht nur gelegentliche Tätigkeit bezeichnet werden (BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 17/89 – AP Nr. 115 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Insoweit führt das Landesarbeitsgericht im Rahmen seines Beurteilungsspielraums zutreffend aus, daß der Wiederaufbau der Lagerhalle, der einen Zeitraum von ca. 8 Monaten in Anspruch nahm, nicht nur als gelegentliche, kurzfristige Tätigkeit bezeichnet werden kann. Dabei kommt es nicht darauf an, daß sich die Tätigkeit nur auf ein einziges Objekt beschränkte.

Die Tätigkeit erschöpfte sich auch nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf. Die Errichtung der Lagerhalle diente nicht der anschließenden persönlichen Nutzung durch den Beklagten, wie etwa der Bau eines Hauses durch einen Grundstückseigentümer zur privaten Nutzung (vgl. BAG Urteil vom 6. März 1985 – 4 AZR 6/84 – AP Nr. 64 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Vielmehr wurde die Lagerhalle vom Beklagten als Eigentümer und Vermieter zu dem Zweck errichtet, sie an die GmbH als juristischer Person und Mieterin wieder vermieten zu können. Die Eigenschaft des Beklagten als Alleingesellschafter und Geschäftsführer begründet entgegen seiner Auffassung nicht den Schluß, daß der Wiederaufbau der Halle der eigenen Nutzung diente. Der Beklagte einerseits und die GmbH andererseits handeln als Vertragspartner des Mietvertrages vielmehr als eigenständige Rechtssubjekte. Zwar hätte der Beklagte die abgebrannte Lagerhalle auch der GmbH übertragen und sie durch deren Arbeitnehmer wieder aufbauen lassen können. Diese Gestaltungsmöglichkeit hat er jedoch nicht gewählt. Vielmehr ist er der GmbH weiterhin in seiner Rechtsstellung als Eigentümer und Vermieter gegenübergetreten. Daran muß er sich festhalten lassen.

2. Der vom Beklagten unterhaltene Betrieb erbrachte auch bauliche Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 VTV. Die Errichtung der Lagerhalle wird vom Begriff der Erstellung von „Bauten aller Art” i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt I VTV erfaßt. Die Errichtung der Lagerhalle erfolgte zudem, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, durch bauliche Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt II und III VTV.

3. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht ferner an, daß der Beklagte mit dem Betrieb eine gewerbliche Tätigkeit i.S. von § 1 Abs. 2 VTV ausübte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 58, 116 = AP Nr. 95 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) verwenden die Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 2 VTV den Begriff des Gewerbes in seiner allgemeinen Bedeutung als Fachbegriff des öffentlichen Rechts, insbesondere des Gewerberechts. Der Gewerbebegriff umfaßt danach alle erlaubten selbständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und fortgesetzt ausgeübt werden, unter Ausschluß der Urproduktion (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei), des öffentlichen Dienstes und der freien Berufe. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Tätigkeit seitens des Unternehmers in Erwerbsabsicht erfolgt, ihr Zweck also nachhaltige Gewinnerzielung ist, wobei es auf die jeweilige subjektive Absicht und Motivation des Betreibers ankommt.

Von diesem Rechtsbegriff ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Seine Subsumtion ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht bejaht mit Recht, daß der Beklagte mit der betrieblichen Tätigkeit, die auf den Wiederaufbau der Lagerhalle gerichtet war, eine nachhaltige Vermögensmehrung beabsichtigte. Der Wiederaufbau der Lagerhalle durch den Beklagten erfolgte, um die Lagerhalle anschließend wieder an die GmbH vermieten zu können. Schon diese Vermietung der Halle war eine gewerbliche Tätigkeit des Beklagten. Dabei spielt es entgegen der Auffassung des Beklagten keine Rolle, daß die Vermietung nicht zur betrieblichen Tätigkeit gehörte, sondern von ihm selbst vorgenommen wurde. Die betriebliche Tätigkeit diente der gewerblichen Tätigkeit des Beklagten und sollte ihn als Betriebsinhaber in die Lage versetzen, durch die Vermietung der Halle weiterhin gewerblich tätig zu sein und Gewinn zu erzielen.

Ob der Beklagte mit der Vermietung der Lagerhalle unter Berücksichtigung der Baukosten letztlich tatsächlich einen Gewinn erzielte, spielte keine Rolle. Der Beklagte hat insoweit die wirtschaftlichen Vorteile, die er mit der gewählten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit erzielen wollte, nicht substantiiert dargelegt. Er hat sich nur darauf berufen, daß der Wiederaufbau der Lagerhalle durch eine von ihm gegründete Einzelfirma und die anschließende Vermietung an die GmbH steuerlich für ihn günstiger und für eine ordnungsgemäße Abrechnung mit der Feuerversicherung erforderlich gewesen sei. Schon dies spricht dafür, daß er mit der betrieblichen Tätigkeit wirtschaftliche Vorteile, die durchaus auch in einer Steuerersparnis oder in einer versicherungstechnisch günstigeren Gestaltung liegen können, erlangen wollte.

Im übrigen ist der Beklagte mit der Anmeldung der beabsichtigten Bausanierung als Gewerbe, der Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft und seiner Eintragung bei der Handwerkskammer als baugewerblicher Unternehmer im Rechtsverkehr aufgetreten und hat mit seinem Betrieb bauliche Leistungen erbracht. Diese Umstände begründen auch den Schluß auf eine Gewinnerzielungsabsicht. Diesem steht allein der Hinweis des Beklagten auf steuerliche und versicherungstechnische Gründe nicht entgegen. Deshalb ist der Beklagte auch im Verhältnis zur ZVK nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge als Inhaber eines baugewerblichen Betriebs zu behandeln und zur Beitragszahlung für seine Arbeitnehmer verpflichtet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Plenge, Hickler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081320

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