Leitsatz (amtlich)

  • Ist ein Arbeitgeber verpflichtet, für einen Arbeitnehmer als vermögenswirksame Leistung die Beiträge zu einer Lebensversicherung abzuführen und kommt er mit dieser Beitragszahlung in Verzug, so muß er den Schaden ersetzen, der dem Arbeitnehmer durch eine vorzeitige Kündigung des Versicherungsvertrages von seiten des Versicherungsunternehmens entsteht.
  • Dieser Schadenersatzanspruch steht den Bezugsberechtigten des Versicherungsvertrages zu, wenn der Arbeitnehmer stirbt und das Versicherungsunternehmen wegen des Beitragsrückstandes die Auszahlung der Versicherungssumme verweigern kann. Eine entsprechende Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ergibt sich aus der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über die Abführung vermögenswirksamer Leistungen in der Form von Versicherungsbeiträgen.
 

Normenkette

BGB §§ 328, 254, 284, 286, 1922; 3. VermBG §§ 2, 12; VVG § 161; ZPO § 554

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 04.01.1978; Aktenzeichen 7 (2) Sa 1549/76)

 

Tenor

  • Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 4. Januar 1978 – 7 (2) Sa 1549/76 – wird zurückgewiesen.
  • Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Kläger sind die Eltern und Erben des am 8. Mai 1975 verstorbenen W… V…. Dieser durchlief bis Ende März 1975 in dem Baubetrieb des Beklagten eine Maurerlehre. Während seines Ausbildungsverhältnisses schloß er mit Wirkung vom 1. Juli 1971 eine Lebensversicherung auf den Erlebens- und Todesfall mit der Viktoria Lebensversicherung AG über eine Versicherungssumme von 27.249,– DM. Für den Fall seines Todes waren als Bezugsberechtigte die Kläger bestimmt. Die Versicherungsbeiträge sollten vereinbarungsgemäß als vermögenswirksame Leistungen nach dem Dritten Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch den Beklagten bezahlt werden. Für die Monate Januar bis März 1975 führte der Beklagte die monatlichen Beiträge in Höhe von 52,– DM nicht rechtzeitig ab. Nachdem die Viktoria Lebensversicherung AG erfolglos die Beitragszahlung bei dem Sohn der Kläger angemahnt hatte, kündigte sie den Versicherungsvertrag und wandelte ihn in eine beitragsfreie Versicherung mit einer herabgesetzten Versicherungssumme von 2.295,– DM um. Die am 9. Mai 1975 von dem Beklagten gezahlten Beiträge nahm die Versicherungsgesellschaft nicht mehr an. Sie zahlte an die Kläger die herabgesetzte Versicherungssumme zuzüglich eines Gewinnanteils und zwar insgesamt 2.424,48 DM.

Die Kläger verlangen den Unterschiedsbetrag zwischen der im Versicherungsvertrag vorgesehenen Versicherungssumme und dem gezahlten Betrag. Hierzu haben sie behauptet, ihr Sohn habe das Lohnbüro des Beklagten über die Mahnung der Viktoria Lebensversicherung AG unterrichtet. Er habe die Auskunft erhalten, die fälligen Beiträge würden überwiesen. Tatsächlich habe der Beklagte auch auf dem Lohnstreifen einen entsprechenden Beitragsabzug ausgewiesen. Das zweite Mahnschreiben habe die Klägerin zu 2) selbst dem Lohnbuchhalter vorgelegt. Dieser habe sie beschieden, die fälligen Beiträge seien abgebucht und dem Beklagten zur Überweisung übergeben worden.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 24.824,52 DM nebst 4 v. H. Zinsen seit dem 9. März 1976 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat bestritten, abgemahnt worden zu sein. Da er die Überweisungen selbst ausführe, sei sein Buchhalter zur Entgegennahme der Mahnungen nicht befugt gewesen. Er hat die Ansicht geäußert, er habe die Zahlungsverzögerung nicht zu vertreten. Sein Buchhalter habe bereits im Februar 1975 einen Überweisungsauftrag erteilt. Diese Anweisung sei nicht ausgeführt worden, weil das Konto nicht gedeckt gewesen sei. Im übrigen hafte er nur für die Lohnabführung, nicht dagegen für die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Kläger können von dem Beklagten die Versicherungssumme als Schadenersatz verlangen.

1. Der Beklagte ist mit seiner Verpflichtung zur pünktlichen Abführung von Versicherungsbeiträgen in Verzug geraten.

a) Nach § 2 Nr. 2 des Tarifvertrages über die Gewährung vermögenswirksamer Leistungen zu Gunsten der gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe vom 1. April 1971 i. d. F. vom 7. November 1974 ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinem Auszubildenden monatlich eine vermögenswirksame Leistung im Sinne des 3. VermBG in Höhe von 46,– DM je Monat zu gewähren, wenn der Auszubildende gleichzeitig mindestens 6,– DM seiner monatlichen Ausbildungsvergütung vom Arbeitgeber vermögenswirksam anlegen läßt. Der verstorbene Sohn der Kläger und der Beklagte haben unstreitig einen dem Tarifvertrag entsprechenden Vertrag über die Abführung vermögenswirksamer Leistungen geschlossen. Als vermögenswirksame Leistungen sind nach § 2 Abs. 1 Buchst. f des 3. VermBG auch Beiträge anzusehen, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer zu Kapitalversicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall erbringt.

b) Der Beklagte befand sich mit seiner Beitragsabführung in Verzug. Nach § 284 Abs. 1 BGB gerät der Schuldner in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet. Auch ohne Mahnung kommt er in Verzug, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 284 Abs. 2 Satz 1 BGB). Eine Leistung ist dann kalendermäßig bestimmt, wenn ein Kalendertag für die Leistung wenigstens mittelbar bezeichnet ist (Staudinger/Löwisch, BGB, 12. Aufl., § 284 Rdnr. 51; MünchKomm-Walchshöfer, BGB, § 284 Rdnr. 38). So war es im vorliegenden Fall.

Nach § 5 Nr. 4 des Tarifvertrages über die Gewährung vermögenswirksamer Leistungen hat der Arbeitgeber die Eigenleistung und die Arbeitgeberzulage in der Lohnabrechnung gesondert auszuweisen und zu Gunsten des Arbeitnehmers an die von diesem bezeichnete Stelle monatlich abzuführen. Nach § 5 Nr. 8.2 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe i. d. F. vom 8. April 1974, der ebenfalls allgemeinverbindlich ist (BAnz. 137 v. 27. Juli 1974 S. 3), wird bei monatlicher Lohnabrechnung der Anspruch auf den Lohn spätestens zur Mitte des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. Zum Lohn gehört auch die vermögenswirksame Leistung (§ 12 Abs. 6 des 3. VermBG).

c) Der Beklagte kann demgegenüber nicht einwenden, er habe den Überweisungsauftrag fristgerecht erteilt und sei daher gem. § 285 BGB nicht in Verzug gekommen. Für das Vorhandensein der Geldmittel, die zur Erfüllung schuldrechtlicher Verpflichtungen notwendig sind, hat der Schuldner stets einzustehen. Mittellosigkeit befreit nicht von den Verzugsfolgen (Staudinger/Löwisch, aaO, § 285 Rdnr. 8).

d) Hieraus folgt, daß der Beklagte den Verzugsschaden ersetzen muß. Dieser besteht in den Folgen der Kündigung des Lebensversicherungsvertrages. Der Schadenersatzanspruch war deshalb zunächst auf die Wiederherstellung des Versicherungsschutzes gerichtet. Mit dem vorzeitigen Ableben des Versicherten verwandelte er sich in einen Geldleistungsanspruch. Nachdem der Versicherungsfall eingetreten war, bestand der Schaden in dem Ausfall der Versicherungssumme.

2. Der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens steht den Klägern zu, obwohl zwischen ihnen und dem Beklagten unmittelbare Vertragsbeziehungen weder bestehen, noch jemals bestanden haben. Die Vereinbarung über vermögenswirksame Leistungen, die der Beklagte mit dem verstorbenen Sohn der Kläger getroffen hat, schützt auch die Kläger vor den Verzugsfolgen. Das ergibt sich aus den Grundsätzen über Verträge mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter.

a) In Rechtsprechung und Schrifttum ist heute anerkannt, daß der Schuldner vertraglicher Leistungspflichten nicht nur gegenüber dem Gläubiger der Hauptleistung Sorgfalt und Rücksicht schuldet; auch Dritte, die nach dem Zweck des Vertrages typischerweise mitbegünstigt sind, können verlangen, daß ihre entsprechenden Interessen beachtet werden. Werden sie durch Leistungsstörungen geschädigt, haben sie u. U. einen selbständigen Ersatzanspruch (vgl. Staudinger/Kaduk, BGB, 12. Aufl. Vorbem. 71 ff. zu § 328 und MünchKomm-Gottwald, BGB, § 328 Rdnr. 60 ff., beide mit zahlreichen Nachweisen vor allem zur Rechtsprechung des BGH). Die Einzelheiten der Begründung und Abgrenzung sind in vielen Punkten streitig, darauf muß jedoch im vorliegenden Fall nicht näher eingegangen werden.

b) Für Lebensversicherungsverträge auf den Erlebens- und Todesfall ist es typisch, daß Dritte als Begünstigte für den Todesfall bestimmt werden. Die Bezugsberechtigten erhalten im Verhältnis zum Versicherungsunternehmen die Stellung von Drittbegünstigten i. S. des § 328 BGB. Deshalb fällt die Versicherungssumme nur dann in die Erbmasse des Versicherten, wenn Drittbegünstigte nicht benannt sind oder die Bestimmung von Drittbegünstigten unwirksam ist (Prölss/Martin, VVG, 22. Aufl., § 167 Anm. 1, § 168 Anm. 1).

Der Beklagte war allerdings nicht Partner des Versicherungsvertrages; er war jedoch gegenüber dem verstorbenen Sohn der Kläger verpflichtet, alles erforderliche zu tun, um den Zweck des Versicherungsvertrages zu erreichen. Diese Pflicht ergab sich aus der Vereinbarung, Versicherungsbeiträge als vermögenswirksame Leistungen für den verstorbenen Sohn der Kläger abzuführen. Das schloß auch die Rücksicht auf die Rechtsstellung der Drittbegünstigten des Versicherungsvertrages ein. Selbst wenn dem Beklagten nicht bekannt gewesen sein sollte, wer im Todesfall des Versicherten die Versicherungssumme erhalten sollte, mußte er doch jedenfalls davon ausgehen, daß der Versicherungsvertrag eine genaue Bestimmung der Bezugsberechtigung enthält. Das daraus folgende Haftungsrisiko war daher für ihn ausreichend übersehbar und kalkulierbar (vgl. BGH NJW 1968, 1929, 1931; MünchKomm-Gottwald, aaO, Rdnr. 71).

3. Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe übersehen, daß bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der Kläger und ihres Sohnes mitgewirkt habe (§ 254 Abs. 1 BGB).

Es mag zutreffen, daß bei einem Vertrage mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ein Mitverschulden des Hauptgläubigers auch dem Dritten zuzurechnen ist (zum Meinungsstand: MünchKomm-Gottwald, aaO, § 328 Rdnr. 79 m.w.N.). Die Beweislast, daß ein Mitverschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, trifft jedenfalls den Schädiger (MünchKomm-Grunsky, aaO, § 254 Rdnr. 90). Diesen Beweis hat der Beklagte nicht führen können.

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, es habe nicht die Überzeugung gewinnen können, daß die Kläger bzw. ihr Sohn unterlassen hätten, die Mahnungen der Viktoria Lebensversicherung dem Beklagten vorzulegen. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden. Der Beklagte hat Verfahrensrügen nicht erhoben (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO).

Soweit der Beklagte geltend macht, er sei nicht auf die drohenden Folgen einer Säumnis hingewiesen worden, ist dieser Einwand unschlüssig. Zunächst ist nicht ersichtlich, was ein entsprechender Hinweis hätte ändern können, nachdem die Überweisung der Versicherungsbeiträge nur an dem unzureichenden Bankguthaben des Beklagten gescheitert ist. Vor allem aber erscheint der geforderte Hinweis überflüssig. Daß die mehrfach versäumte Beitragszahlung zum Verlust des Versicherungsschutzes führt, versteht sich von selbst und muß dem Beklagten besser bekannt sein als seinem Lehrling.

 

Unterschriften

Dr. Dietrich, Schaub, Trautmann, Dahl

Dr. Dietrich

zugleich für den durch Urlaub verhinderten Richter Dr. Gehring

 

Fundstellen

Haufe-Index 1496615

BAGE, 128

NJW 1982, 956

JR 1982, 132

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