Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnforderung im Konkurs

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle des Nachlaßkonkurses ist der Zeitraum von sechs Monaten des § 59 Abs 1 Nr 3a KO vom Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlaßkonkursverfahrens an zu berechnen, wenn der Arbeitnehmer über den Tod seines früheren Arbeitgebers hinaus weiter für den Nachlaß gearbeitet hat.

 

Normenkette

KO § 59 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 2 S. 1, § 61 Abs. 1 Nr. 1, §§ 214, 224; AFG § 141m

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 17.03.1989; Aktenzeichen 9 Sa 1317/88)

ArbG Köln (Urteil vom 18.11.1988; Aktenzeichen 2 Ca 4684/88)

 

Tenor

  • Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. März 1989 – 9 Sa 1317/88 – wird zurückgewiesen.
  • Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die auf die Klägerin übergegangenen Lohnansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer des Dipl.-Kfm. Heinz Günter K… als bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zu berichtigen sind.

K… verstarb am 14./15. April 1985. Die in seinem Unternehmen Beschäftigten arbeiteten über diesen Zeitpunkt hinaus weiter. Am 24. Januar 1986 wurde das Nachlaßkonkursverfahren eröffnet. Der Beklagte ist Konkursverwalter.

Die Klägerin zahlte den ehemaligen Arbeitnehmern Konkursausfallgeld in Höhe von 333.530,87 DM für die Zeit vom 1. November 1985 bis zum 23. Januar 1986 und meldete die gemäß § 141m Abs. 1 AFG übergegangenen Lohnansprüche mit dem Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zur Konkurstabelle an. Der Beklagte erkannte die Ansprüche an, bestritt jedoch das Vorrecht.

Die Klägerin hat vorgetragen, die übergegangenen Entgeltansprüche seien bevorrechtigte Konkursforderungen. Soweit § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO auf den Tod des Gemeinschuldners als maßgeblichen Zeitpunkt abstelle, gelte dies nur, wenn die Arbeitsverhältnisse gleichzeitig mit dem Tod endeten, würden sie jedoch über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt, entscheide der Zeitpunkt der Konkurseröffnung.

Die Klägerin hat daher beantragt

festzustellen, daß die im Verfahren 71 N 641/85 Amtsgericht Köln vom Beklagten ohne Vorrecht anerkannten, auf sie wegen gezahlten Konkursausfallgeldes übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche in Höhe von a) 3.682,92 DM und b) 329.847,95 DM – vom Arbeitsamt Köln angemeldet am 29. Januar 1987 und 17. Februar 1987 unter III 113 Kaug 2678 – mit dem Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO anzuerkennen sind.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, im Falle des Nachlaßkonkurses seien Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO nur die Ansprüche wegen der Rückstände für die letzten sechs Monate vor dem Tod des Gemeinschuldners. Auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlaßkonkurses komme es dagegen nicht an.

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die übergegangenen Lohnansprüche seien ursprünglich Masseschulden im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO gewesen, die nach § 141m Abs. 1 AFG wegen der Gewährung von Konkursausfallgeld für die letzten drei Monate vor Eröffnung des Nachlaßkonkurses auf die Klägerin übergegangen seien und nach der Verweisungsregel des § 59 Abs. 2 Satz 1 KO mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zu berichtigen seien. Dies ergebe sich bei einer Auslegung der Regelung des § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO nach ihrem Wortlaut sowie nach ihrem Sinn und Zweck. Die Vorschrift wolle die Arbeitnehmer wegen der rückständigen Entgeltansprüche für die Zeit vor dem Ableben ihres Arbeitgebers begünstigen, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitgebers ende; werde das Arbeitsverhältnis jedoch über den genannten Zeitpunkt hinaus fortgesetzt, seien die Arbeitnehmer für die letzten Monate vor Eröffnung des Nachlaßkonkurses begünstigt.

Dem ist beizupflichten.

II. Das Landesarbeitsgericht hat den übergegangenen Entgeltansprüchen zutreffend den Rang einer Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zuerkannt.

1. Nach § 61 Abs. 1 Nr. 1a KO sind die Forderungen der Arbeitnehmer auf die Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner wegen der Rückstände für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens oder dem Ableben des Gemeinschuldners bevorrechtigte Konkursforderungen. Diese Bestimmung ist aufgrund des Gesetzes über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (BGBl. I S. 1481) neu gefaßt worden, um ihren inzwischen veralteten Sprachgebrauch zu beseitigen; in ihren Grundzügen ist die Bestimmung jedoch seit Inkrafttreten der Konkursordnung unverändert geblieben. Wegen der Rückstände für die letzten sechs Monate vor der Eröffnung des Verfahrens oder dem Ableben des Gemeinschuldners sind die Ansprüche der Arbeitnehmer zusätzlich begünstigt. Diese Ansprüche sind nach dem durch das Gesetz über Konkursausfallgeld eingefügten § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO in den Rang von Masseschulden erhoben.

2. Beide Bestimmungen – § 61 Abs. 1 Nr. 1 und § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO – stellen für die Berechnung der maßgeblichen Zeiträume (ein Jahr bzw. sechs Monate) alternativ auf die Eröffnung des Verfahrens oder den Tod des Arbeitgebers ab. Wenn das Gesetz in diesem Zusammenhang vom Ableben des “Gemeinschuldners” spricht, ist diese Bezeichnung ungenau. Denn Gemeinschuldner im Falle eines Nachlaßkonkurses ist der Erbe als Träger der in der Masse vereinten Vermögenswerte und Nachlaßverbindlichkeiten (BGH Urteil vom 16. Mai 1969 – V ZR 86/68 – NJW 1969, 1349, m. w. N.). Soweit die zweite Alternative den Tod des Gemeinschuldners als Zeitpunkt für die Begrenzung der Rückstände festsetzt, betrifft dies Arbeitsverhältnisse, die mit dem Tod des Arbeitgebers ihr Ende finden. Im Gegensatz zu den tasächlichen Verhältnissen bei Inkrafttreten der Konkursordnung im Jahre 1877 bedeutet der Tod des Arbeitgebers heute jedoch nur noch in Ausnahmefällen gleichzeitig auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, etwa bei einer Pflegekraft oder einer Privatsekretärin (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 121 II 6). Im allgemeinen werden Arbeitsverhältnisse heute über den Tod des Arbeitgebers hinaus fortgesetzt.

Schon dem Wortlaut nach erfaßt die erste Alternative der §§ 61 Abs. 1 Nr. 1 und 59 Abs. 1 Nr. 3 KO auch die Fälle des Nachlaßkonkurses. Denn bei dieser Einrichtung handelt es sich nur um einen vom Gesetz im Achten Titel des Zweiten Buches näher geregelten besonderen Fall des Konkursverfahrens, etwa neben den weiteren Fällen des Konkursverfahrens über das Vermögen einer Aktiengesellschaft (§ 207 KO), einer Personengesellschaft (§ 209 KO), eines Gesellschafters (§ 212 KO) oder einer juristischen Person (§ 213 KO).

3. Auch eine Auslegung der genannten Regelungen nach ihrem Sinn und Zweck führt zu dem Ergebnis, daß der maßgebliche Berechnungszeitpunkt die Eröffnung des Nachlaßkonkursverfahrens ist, wenn die Arbeitnehmer über den Tod ihres Arbeitgebers hinaus die Arbeit fortsetzen. § 61 Abs. 1 Nr. 1a und § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO wollen rückständige Entgeltforderungen der Arbeitnehmer wegen deren besonderer sozialen Schutzbedürftigkeit im Konkursfall begünstigen. Wäre im Nachlaßkonkurs die Privilegierung von Arbeitnehmerforderungen auf einen bestimmten Zeitraum vor dem Tod des Arbeitgebers beschränkt, würden die über den Tod des Arbeitgebers hinaus für die Erben weiterarbeitenden Arbeitnehmer benachteiligt, wenn sie mit ihren Lohnrückständen nicht auch für eine bestimmte Zeit vor der Eröffnung des Nachlaßkonkursverfahrens begünstigt würden. Da die Vermögenslage beim Tode des Arbeitgebers regelmäßig günstiger ist als im Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlaßkonkurses, muß den für den Nachlaß weiterarbeitenden Arbeitnehmern gerade für die Zeit vor der Eröffnung des Nachlaßkonkurses eine besondere Schutzbedürftigkeit zuerkannt werden. Würden ihre Rückstände vor Eröffnung des Nachlaßkonkurses nicht in gleicher Weise privilegiert wie die Arbeitnehmerforderungen in anderen Konkursfällen und würden sie auf die Zeit vor dem Tod des Arbeitgebers verwiesen, in der möglicherweise überhaupt keine Rückstände aufgelaufen waren, würde die beabsichtigte Schutzwirkung der §§ 61 Abs. 1 Nr. 1a und 59 Abs. 1 Nr. 3a KO in ihr Gegenteil verkehrt werden. Ein solch sinnwidriges Ergebnis kann vom Gesetz nicht gewollt sein und würde zudem mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 GG nicht in Einklang zu bringen sein.

4. Dieses Ergebnis wird unterstrichen durch Anwendung eines historischen Gesichtspunktes. Die Vorschriften über die Zahlung von Konkursausfallgeld (§§ 141a bis 141m AFG) sind auf die Vorschriften der Konkursordnung abgestimmt. Beide Rechtsgebiete sind miteinander verflochten (BAGE 34, 101, 109 = AP Nr. 11 zu § 59 KO, zu II 2a der Gründe; BSG Urteil vom 8. März 1979 – 12 RAr 54/77 – AP Nr. 7 zu § 59 KO). Ursprünglich sah § 141b Abs. 4 AFG vor, daß im Falle des Nachlaßkonkurses an die Stelle der letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses die letzten dem Tode des Erblassers vorausgehenden drei Monate treten sollten. Diese Vorschrift wurde durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 (BGBl. I S. 1189) aufgehoben. In der Begründung des Gesetzentwurfes wird zutreffend darauf hingewiesen, daß die Sondervorschrift, nach welcher im Falle eines Nachlaßkonkurses lediglich die bis zum Tode des Erblassers entstandenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt durch das Konkursausfallgeld gesichert seien, diejenigen Arbeitnehmer benachteilige, die in Unkenntnis der Überschuldung des Nachlasses über den Tod des Erblassers hinaus weitergearbeitet haben. Auch im Falle des Nachlaßkonkurses solle daher künftig die allgemeine Regelung gelten, nach welcher die Arbeitsentgeltansprüche für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor der Konkurseröffnung gesichert sind (BR-Drucks. 1/79 unter Begründung Nr. 48b).

Mit dieser Gesetzesänderung hat der Gesetzgeber der oben erwähnten besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit bestimmter Arbeitnehmerforderungen Rechnung getragen.

5. Die Revision kann sich für ihre Ansicht auch nicht auf § 224 KO stützen. Diese Bestimmung zählt die Masseschulden im Nachlaßkonkurs auf. In der abschließenden Enumeration sind Ansprüche nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO nicht erwähnt. Das bedeutet indessen keineswegs, daß diese Ansprüche nicht als Masseschulden zu behandeln wären. Vielmehr ergibt sich aus der ausdrücklichen Erwähnung der in § 59 Abs. 1 KO bezeichneten Verbindlichkeiten im Einleitungssatz des § 224 KO, daß diese zu den Masseschulden im Sinne von § 224 KO gehören.

6. Dieses Ergebnis stimmt überein mit dem vom Senat in der Entscheidung vom 26. August 1981 (– 5 AZR 398/79 –) gefundenen Ergebnis. In dieser Entscheidung ist der Senat bereits davon ausgegangen, daß im Falle des Nachlaßkonkurses über das Vermögen eines verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft der maßgebliche Zeitpunkt für die Begrenzung der bevorrechtigten Rückstände die Eröffnung des Nachlaßkonkurses ist (BAGE 36, 356 = AP Nr. 12 zu § 59 KO). Dies bedurfte damals allerdings noch keiner näheren Begründung, weil die entscheidende Fragestellung anders lautete und die Frage nach dem Berechnungszeitpunkt (Tod des Arbeitgebers oder Konkurseröffnung) demgegenüber in den Hintergrund trat.

III. Die ebenfalls durch das Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 eingefügte Regelung des § 59 Abs. 2 bestimmt, daß die als Masseschulden bevorrechtigten rückständigen Lohnforderungen nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO dann, wenn sie mit Zahlung von Konkursausfallgeld nach § 141m Abs. 1 AFG auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen sind, als Konkursforderungen mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zu berichtigen sind. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen im Streitfall vor. Die Klägerin verlangt daher zu Recht die Feststellung ihres Vorrechts nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Arntzen, Kessel

 

Fundstellen

Haufe-Index 841042

BAGE, 303

NJW 1990, 2273

RdA 1990, 256

ZIP 1990, 871

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