Entscheidungsstichwort (Thema)

Ortszuschlag eines Angestellten mit volljährigem Kind

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 21.1.1988, 6 AZR 567/86.

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 15.09.1986; Aktenzeichen 7 Sa 92/86)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 17.10.1985; Aktenzeichen 1 Ca 1322/85)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe des Ortszuschlags für die Zeit vom 1. August 1983 bis 31. Juli 1985.

Die 1941 geborene Klägerin ist beim beklagten Land als Verwaltungsangestellte im Deutschen Institut der J-Universität in M beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Die Klägerin erhält Vergütung aus der Vergütungsgruppe VI b der Anlage 1 a zum BAT. Die Klägerin ist seit 1968 geschieden. Sie hat u.a. eine 1964 geborene Tochter, die in ihrer Wohnung mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebt und für die sie Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) erhalten hat. Ihre Tochter befand sich vom 1. August 1983 bis zum 1. August 1985 in der Ausbildung. Sie erhielt bis zum 31. Juli 1984 Ausbildungsvergütung in Höhe von 361,-- DM netto und ab 1. August 1984 in Höhe von 443,-- DM netto. Der Vater des Kindes zahlte ihr in dieser Zeit monatlich 178,-- DM Unterhalt.

Das beklagte Land gewährte der Klägerin bis Juli 1983 Ortszuschlag der Stufe 3. Mit Schreiben vom 6. Juli 1983 teilte es der Klägerin mit, ihr stehe ab 1. Juli 1983 (später auf 1. August 1983 korrigiert) nur Ortszuschlag der Stufe 1 zu. Dementsprechend erhielt die Klägerin in der Folgezeit lediglich den Ortszuschlag der Stufe 1 und den Differenzbetrag zwischen dem Ortszuschlag der Stufen 2 und 3 nach § 29 B Abs. 4 BAT.

Die Klägerin bat mit Schreiben vom 21. Juli 1983 um Prüfung und Mitteilung, ob die Besitzstandsregelung aus einem Rundschreiben des Bundesministers des Inneren vom 12. August 1980 bei ihr Anwendung finde. Das beklagte Land lehnte mit Schreiben vom 5. August 1983 die Anwendbarkeit dieser Regelung auf die Klägerin ab. Diese erhob mit Schreiben vom 21. März 1984 unter Berufung auf eine zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts "Widerspruch" gegen die Entscheidung vom 6. Juli 1983 und die Schreiben vom 6. Juli und 5./18. August 1983 und verlangte erfolglos Ortszuschlag der Stufe 2 rückwirkend ab 1. August 1983. Mit ihrer 1985 erhobenen Feststellungsklage hat die Klägerin vorgetragen, sie gewähre ihrer Tochter M durch Betreuung und Barzuwendungen Unterhalt im Sinne des § 29 B Abs. 2 Nr. 4 BAT.

Sie hat beantragt,

1. festzustellen, daß das beklagte Land

verpflichtet ist, der Klägerin für die

Zeit vom 1. August 1983 bis zum 1. August

1985 den Ortszuschlag der Stufe 3 gem.

§ 29 B Abs. 3 i.V.m. § 29 B Abs. 2 Nr. 4

BAT zu zahlen;

2. hilfsweise festzustellen, daß das beklagte

Land verpflichtet ist, der Klägerin für

die Zeit vom 1. August 1983 bis zum 1. August

1985 den Ortszuschlag der Stufe 2 gem.

§ 29 Abs. 2 Nr. 4 BAT zu zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Barbedarfssätze der Tochter lägen bis zum 31. Dezember 1984 bei 425,-- DM und ab 1. Januar 1985 bei 490,-- DM. Dem seien neben der Ausbildungsvergütung und den Unterhaltsleistungen des Vaters auch das Kindergeld sowie der kinderbezogene Ortszuschlag als Nettosumme und die steuerliche Entlastung Alleinerziehender mit einem volljährigen Kind gegenüberzustellen. Der Barbedarf der Tochter sei damit ausgeglichen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil abgeändert und nach dem Hauptantrag der Klägerin erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe Ortszuschlag der Stufe 3 nach § 29 B Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 BAT zu, weil sie ihrer in der Wohnung aufgenommenen Tochter Unterhalt gewähre. Das in § 29 BAT gebrauchte Tatbestandsmerkmal der Unterhaltsgewährung möge einer quantitativen Einschränkung bedürfen. Eine am Zweck des Besoldungsrechts und am Alimentationsprinzip orientierte Betrachtungsweise mache deutlich, daß der Ortszuschlag dem Berechtigten keine zusätzlichen Vorteile bringen, sondern zum Ausgleich von Nachteilen beitragen soll, die in familienbezogenen Belastungen ihren Grund hätten. Die Tarifvertragsparteien hätten keine Entscheidung getroffen, von welcher Grenze an Baraufwendungen nicht mehr als Unterhaltsgewährung anzusehen seien. Die in der Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz angesetzten Grenzen erschienen ungeeignet. Sie nähmen keine Rücksicht auf Unterhaltsbedürfnisse der aufgenommenen Person und könnten deshalb zu keiner Einschränkung des im Tarifvertrag verwandten Merkmals führen. Die finanzielle Belastung durch den Unterhalt müsse so ins Gewicht fallen, daß der Unterhaltsverpflichtete unabhängig von den besoldungsrechtlichen Folgen mit Sanktionen rechtlicher oder sittlicher Art rechnen müßte, wenn er den geleisteten Unterhaltsbetrag verweigert hätte. Im Einzelfall komme es darauf an, ob der Unterhaltsanspruch mit rechtlichen Mitteln durchsetzbar sei. Das treffe im Streitfall zu. Bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs der Tochter der Klägerin könne auf die Düsseldorfer Unterhaltstabelle zurückgegriffen werden. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien wende das zuständige Oberlandesgericht Koblenz für den Unterhaltsprozeß in der Regel die Düsseldorfer Tabelle an. Seine Rechtsprechung würde deshalb auch einen Unterhaltsprozeß der Tochter gegen die Klägerin bestimmen. Der Gesamtunterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes sei nach der Düsseldorfer Tabelle für die Zeit vom 1. August 1983 bis 31. Dezember 1984 mit 765,-- DM und für die Zeit ab 1. Januar 1985 mit 800,-- DM anzusetzen. Die steuerliche Entlastung sei der Klägerin nicht entgegenzuhalten. Unter Berücksichtigung der Ausbildungsvergütung, des vom Vater geleisteten Unterhaltsbeitrags, des Kindergeldes und des kinderbezogenen Anteils im Ortszuschlag belaufe sich der Restunterhaltsbedarf der Tochter auf Beträge zwischen 131,70 DM und 189,30 DM. Beide seien nicht mehr als unwesentlich anzusehen. Der Anspruch der Klägerin auf Ortszuschlag der Stufe 3 sei auch nicht verfallen. Sie habe ihren Anspruch mit Schreiben vom 21. Juli 1983 rechtzeitig geltend gemacht.

B. Dem Landesarbeitsgericht kann weder im Ergebnis noch in der Begründung in vollem Umfang beigepflichtet werden.

I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für die Zeit vom 1. Oktober 1983 bis 31. Juli 1985 einen Anspruch auf Zahlung des Ortszuschlags der Stufe 2 nach § 29 B Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 BAT und damit der Stufe 3 nach § 29 B Abs. 3 BAT in der Fassung des 49. Änderungstarifvertrages vom 17. Mai 1982, gültig ab 1. Mai 1982. Denn die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen dieser Tarifbestimmung, wonach zur Stufe 2 andere Angestellte gehören, die eine andere Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben und ihr Unterhalt gewähren, weil sie gesetzlich oder sittlich dazu verpflichtet sind oder aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen.

1. Die Klägerin ist "andere Angestellte" als die in § 29 B Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BAT genannten Angestellten im Sinne des Absatzes 4 (BAG Urteil vom 8. Juni 1982 - 3 AZR 948/79 - AP Nr. 2 zu § 29 BAT; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand September 1987, § 29 Anm. 5.4 a). Des weiteren hat sie ihre Tochter nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen.

2. Die Klägerin gewährte ihrer Tochter Unterhalt aufgrund gesetzlicher Verpflichtung, indem sie diese in ihrer Wohnung unterbrachte, betreute und pflegte. Darin kann keine unterhaltsrechtlich nicht gebotene Zuwendung gesehen werden.

a) Das Landesarbeitsgericht ist bei der Auslegung des Tarifvertrages zu Recht vom Unterhaltsbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und seinen gesetzlichen Bestimmungen über den Unterhalt unter Verwandten ausgegangen (BAGE 45, 36 und 45, 48 = AP Nr. 3 und 4 zu § 29 BAT). Dabei hat es zutreffend zunächst den Unterhaltsbarbedarf der Tochter ermittelt. Denn die Eltern schulden dem volljährigen Kind grundsätzlich eine Geldrente (§§ 1601, 1602, 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB), auch wenn sie verlangen können, daß ihnen die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen (§ 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Bei der Berechnung des angemessenen Unterhalts nach § 1610 Abs. 1 BGB hat das Landesarbeitsgericht zutreffend die unterhaltsrechtlichen Sätze zugrunde gelegt, die die Familiensenate des Oberlandesgerichts Koblenz in ständiger Rechtsprechung anwenden. Das sind monatliche Regelbeträge der Düsseldorfer Tabelle von 765,-- DM bis Ende 1984 und 800,-- DM ab Januar 1985, die als angemessener Gesamtunterhaltsbedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, im Regelfall angenommen werden können (vgl. Düsseldorfer Tabelle, Stand 1. Januar 1982, FamRZ 1981, 1207 und Stand 1. Januar 1985, FamRZ 1984, 961). Allerdings hat das Landesarbeitsgericht übersehen, daß der Gesamtbedarfsbetrag bei volljährigen Kindern in der Ausbildung, die bei einem Elternteil wohnen, bei der konkreten Berechnung des Unterhaltsanspruch um einen Anteil "Wohnkostenersparnis" zu kürzen ist, um eine angemessene Abstufung zwischen auswärts und daheim ausgebildeten volljährigen Kindern zu erreichen (OLG Hamburg Urteil vom 29. November 1983 - 16 UF 58/83 - FamRZ 1984, 190). Diese Überlegung trifft auch bei der vorliegenden Beurteilung des Tarifbegriffs "Unterhalt aufgrund gesetzlicher Pflicht" zu (Senatsurteil vom 21. Januar 1988 - 6 AZR 567/86 - zur Veröffentlichung bestimmt). Soweit aus den Entscheidungen des Dritten Senats vom 24. Januar 1984 (BAGE 45, aaO) geschlossen werden könnte, die Wohnkostenersparnis sei bei der Ermittlung des Restbarbedarfs volljähriger, in der Ausbildung befindlicher Kinder nicht zu berücksichtigen, wird daran vom nunmehr allein zuständigen Senat nicht festgehalten. Das Zugrundelegen eines hohen Ausgangsbetrags von 765,-- DM bzw. 800,-- DM rechtfertigt sich, weil mit der Berücksichtigung nicht nur des Mindestbedarfs, sondern des angemessenen Bedarfs davon auszugehen ist, daß dieser wirklich für sämtliche Ausgaben incl. der Kosten für eine eigene Wohnung verwendet wird (Senatsurteil vom 21. Januar 1988, aaO).

Die Höhe des Betrags für Wohnkostenersparnis ist in Anlehnung an die Beträge des § 13 Abs. 2 BAföG festzusetzen (OLG Hamburg, aaO), weil sie für den Regelfall in angemessener Weise den unterschiedlichen Wohnbedarf eines auswärts ausgebildeten und den in dessen Elternhaus lebenden Volljährigen in der Ausbildung berücksichtigen. Das sind unter Berücksichtigung nicht anrechenbaren Wohnbedarfs (Kosten für den Grundwohnbedarf, die auch die bei den Eltern wohnenden Kinder haben) für die Zeit bis zum 30. Juni 1984 125,-- DM (180,-- DM abzgl. 55,-- DM, § 13 Abs. 2 BAföG i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983) und für die Zeit vom 1. Juli 1984 bis 31. Juli 1985 130,-- DM (vgl. die Änderung des § 13 Abs. 2 BAföG durch das 8. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 24. Mai 1984, BGBl I S. 707).

b) Zur weiteren Berechnung des Unterhaltsbarbedarfs des aufgenommenen Kindes sind dessen eigene Einkünfte und Barunterhaltsleistungen Dritter vom gekürzten Ausgangsbetrag anzurechnen (BAG, aaO).

aa) Das ist zunächst der vom Vater geleistete monatliche Unterhalt in Höhe von 178,-- DM.

bb) Die Ausbildungsvergütung, die im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden gezahlt wird, ist als anrechenbare Einkunft anzusehen. Im Unterhaltsrecht mindert der Arbeitsertrag die Bedürftigkeit des Berechtigten (BGH Urteil vom 8. April 1981 - IV b ZR 559/80 - NJW 1981, 2462, 2463). Die Ausbildungsvergütung ist unabhängig von der arbeitsrechtlichen Bewertung Arbeitsertrag im unterhaltsrechtlichen Sinne und daher grundsätzlich bedarfsmindernd (BGH, aaO, m.w.N.). Für die Bestimmung des Tarifbegriffs "Unterhalt gewähren" gelten dieselben Grundsätze. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht jedoch nicht die gesamte Ausbildungsvergütung bedarfsmindernd berücksichtigt. Die anzurechnende Ausbildungsvergütung ist vorweg um die etwaigen berufsbedingten Aufwendungen sowie um die Kosten eines etwaigen sonstigen, im Verhältnis zu gleichaltrigen Schülern gegebenen erhöhten Bedarfs zu berichtigen. Der in den ausbildungsbedingten Aufwendungen begründete nicht anrechenbare Mehrbedarf ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise vom Landesarbeitsgericht auf 130,-- DM bis Ende 1984 und auf 145,-- DM ab 1985 festgesetzt worden. Dabei handelt es sich um die in den entsprechenden oberlandesgerichtlichen Richtlinien für ausbildungs- und berufsbedingte Mehraufwendungen angenommenen Beträge (vgl. Anm. 8 Abs. 1 der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1. Januar 1982, aaO, und Anm. 8 der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1. Januar 1985, aaO).

TEXTcc) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht jedoch das staatliche Kindergeld, das der Klägerin ausgezahlt wird, bei der Berechnung des Unterhaltsbarbedarfs berücksichtigt. Es hat dabei ersichtlich unter Berücksichtigung des Hinweises durch den Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übernommen (BAGE 45, 48 = AP, aaO; BGHZ 70, 151; BGH Urteil vom 8. April 1981, aaO; BGH Urteil vom 8. Oktober 1980 - IV b ZR 533/80 - NJW 1981, 170). Dem vermag der erkennende Senat jedoch nicht zu folgen. Die Übernahme der unterhaltsrechtlichen Behandlung des Kindergeldes zwischen getrenntlebenden oder geschiedenen Eltern, die dem Interessenausgleich der regelmäßig beiden unterhaltsverpflichteten Eltern dient, bei der Berechnung des Unterhaltsbarbedarfs des Kindes zur Auslegung des Tarifbegriffs in § 29 B Abs. 2 Nr. 4 BAT wird den Unterschieden beider Rechtsbereiche nicht gerecht. Der Bundesgerichtshof hatte in erster Linie die unterhaltsrechtliche Aufteilung des Kindergeldes zwischen den beiden Unterhaltsverpflichteten zu entscheiden (BGH, aaO), um sodann über die Art des Ausgleiches zu befinden. Dabei hat er zu Recht betont, die Antwort auf die Frage nach der Verteilung des Kindergeldes auf die Eltern im Verhältnis zueinander sowie nach dem zwischen ihnen vorzunehmenden Ausgleich habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch der Kinder. Eine dem § 1615 g BGB entsprechende Regelung, der eine Vorschrift über die Anrechnung des Kindergeldes auf den Regelbedarf des nichtehelichen Kindes enthalte, gebe es im Unterhaltsrecht des ehelichen Kindes nicht. Der Bundesgerichtshof lehnt auch eine entsprechende Anwendung des § 1615 g BGB und des § 4 Regelunterhaltsverordnung ab, weil es sich bei den Unterhaltsleistungen gegenüber den ehelichen Kindern dem Grundsatz nach um individuell zu bemessenden Unterhalt und nicht um schematischen Regelunterhalt handelt (BGH Urteil vom 8. Oktober 1980, aaO). In Anwendung dieser Einzelfallbewertung hat er dann in seiner Entscheidung vom 8. April 1981 (BGH, aaO) die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln als Berufungsgericht gebilligt, das die Hälfte des staatlichen Kindergeldes bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs bedarfsmindernd berücksichtigt hat, weil es revisionsrechtlich nicht angreifbar davon ausgegangen war, der betreuende Elternteil habe zum Zweck des Kindergeldausgleichs zwischen den Eltern die dem barunterhaltspflichtigen Elternteil zustehende Hälfte zu dessen Gunsten unmittelbar dem Kind zukommen lassen. Die Regeln über den Kindergeldausgleich der Eltern im Wege einer bedarfsreduzierenden Berechnung des Kinderunterhalts können bei der Berechnung des Restunterhaltsbarbedarfs im Rahmen des § 29 B Abs. 2 Nr. 4 BAT nicht angewendet werden. Ein Restunterhaltsbarbedarf mindert sich in diesem Zusammenhang nur, wenn dem Unterhaltsberechtigten eigene Einkünfte und Barunterhaltszahlungen Dritter oder Leistungen zufließen, die die Ausgabe baren Geldes unmittelbar ersparen (Zuflußprinzip). Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz fließt unmittelbar dem Unterhaltsberechtigten zu. Das folgt aus § 1 Abs. 1 BKGG und wird durch die Rechtslage bei Beamten bis 1975 besonders deutlich. Bis zum 7. Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1974 (BGBl I S. 3716) und dem Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I S. 1769) erhielten Beamte, Richter und Soldaten Kinderzuschlag und eine steuerliche Entlastung durch Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 2 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 1. Dezember 1971, BGBl I S. 1881). Diese differenzierte Regelung wurde durch die Einbeziehung in das staatliche Kindergeldgesetz 1975 abgelöst. Durch die Zahlung eines einheitlichen Kindergeldes nach dem Bundeskindergeldgesetz hat dieser Teil der Einkünfte eines Beamten seinen Charakter nicht verändert. Er ist Teil des staatlichen Lastenausgleichs und dient der familiengerechten Besoldung (BVerfGE 44, 249; BGHZ 70, 151). Dieselbe Funktion erfüllt das Kindergeld in Familien nichtbeamteter Bürger. Es läßt die zivilrechtliche Unterhaltspflicht unberührt. Es erhöht z.B. den Unterhaltsanspruch des Kindes nicht (BGHZ 70, 151, 153). Angesichts der allgemeinen, auf die Familie, nicht auf das den Anspruch auslösende Kind gerichteten Entlastungsfunktion des Ortszuschlags kann für den Regelfall auch nicht von einer mittelbaren Zuwendung an das Kind des Angestellten ausgegangen werden, mag das Kindergeld u.a. auch für pflegerische und betreuende Maßnahmen gegenüber dem Kind aufgewandt werden.

dd) Dasselbe gilt für den kinderbezogenen Anteil im Ortszuschlag, den Differenzbetrag zwischen dem Ortszuschlag der Stufe 1 und dem der Stufe 2 nach § 29 B Abs. 4 BAT. Auch diese Ortszuschlagsbeträge, bei denen es sich im Gegensatz zum Kindergeld um keine öffentlich-rechtliche Leistung des Staates, sondern um einen tariflichen Vergütungsbestandteil handelt, fließen dem Unterhaltsberechtigten weder unmittelbar noch mittelbar im oben genannten Sinne zu und sind deshalb auch nicht bei der Ermittlung des Restunterhaltsbarbedarfs des Berechtigten zu berücksichtigen. Sie sind lediglich bei der im Unterhaltsrecht interessierenden Frage der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten zu beachten.

ee) Dem Landesarbeitsgericht ist zuzustimmen, wenn es die dem Unterhaltsverpflichteten zustehenden steuerrechtlichen Entlastungen bei der Ermittlung des Barbedarfs auf seiten des Berechtigten nicht berücksichtigt hat (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO, § 29 Anm. 5. 4 c Abs. 4 zum neuen BAT). Die Entlastung kommt dem volljährigen Kind weder unmittelbar noch mittelbar im oben genannten Sinne zugute, sondern dem verpflichteten Elternteil. Sie hat den Zweck, die Leistungsfähigkeit des Elternteils zu stärken, der den Unterhalt gewährt. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die steuerrechtlichen Entlastungen des Einkommensteuergesetzes an einen feststehenden Bruttoverdienst des Beschäftigten anknüpfen und nicht umgekehrt der Anspruch auf einen Teil des Arbeitsentgelts von im Auszahlungsfall eintretenden steuerrechtlichen Vorteilen abhängig ist. Die Berücksichtigung steuerlicher Entlastungen führt außerdem wegen des individuellen Zuschnitts hinsichtlich der Auswirkungen der Entlastungen auch zu weitreichenden Nachrechnungsverpflichtungen in den Besoldungs- und Vergütungsstellen der öffentlichen Arbeitgeber. Das vereinbart sich jedoch nicht mit dem von den Tarifvertragsparteien gewünschten praktikablen, notwendigerweise pauschalierten System der Ortszuschlagsberechtigung (erkennender Senat Urteil vom 25. Juni 1987 - 6 AZR 332/85 - ZTR 1987, 308).

c) Aus der nachstehenden Einzelberechnung ergibt sich, daß die Klägerin ihrer Tochter Unterhalt geschuldet hat, weil deren Barbedarf durch eigene Einkünfte und Leistungen Dritter nicht vollständig erfüllt worden ist. Weiter ist ohne weiteren Sachvortrag vom Ausgleich dieses Restbarbedarfs durch Zuwendungen der Klägerin auszugehen (BAGE 45, 48 = AP, aaO, zu III a. E. der Gründe). Die Tochter der Klägerin hatte sich 1983 und 1984 auf einen gekürzten Barbedarfsbetrag von 640,-- DM für die Zeit bis zum 30. Juni 1984 und von 635,-- DM für die Zeit ab 1. Juli 1984 178,-- DM Unterhalt und 231,-- DM Ausbildungsvergütung bis zum 31. Juli 1984 und von 313,-- DM ab 1. August 1984 anrechnen zu lassen. So blieb ihr ein Restbarbedarf von 231,-- DM bzw. 226,-- DM bis 31. Juli 1984 und von 144,-- DM bis zum Jahresende. Im Jahre 1985 hatte sich die Tochter auf ihren gekürzten Barbedarfsbetrag von 670,-- DM den Unterhaltsbetrag von 178,-- DM und ihre nunmehr um 145,-- DM gekürzte Ausbildungsvergütung von 298,-- DM anrechnen zu lassen, so daß ihr Restbarbedarf 194,-- DM betrug.

d) Der erkennende Senat geht davon aus, daß nicht jede geringe Leistung von Unterhalt das tarifliche Merkmal "Unterhalt gewähren aufgrund gesetzlicher Pflicht" im Sinne des § 29 B Abs. 2 Nr. 4 BAT in der Fassung des 49. Änderungstarifvertrages erfüllt. Vielmehr verlangt eine am Zweck des Besoldungsrechts und des Alimentationsprinzips orientierte Betrachtungsweise eine quantitative Eingrenzung, die auch bei dem mit dem Besoldungsrecht gleichlautenden Tarifvertrag geboten ist (BAGE 45, 36 und 45, 48 = AP, aaO). Da die Tarifvertragsparteien jedenfalls bis zum Jahresende 1985 keine konkreten Grenzen festgelegt haben, unterhalb welchen Betrages nicht mehr eine den Anspruch auf erhöhten Ortszuschlag auslösende Unterhaltsgewährung vorliegt, verzichtet der Senat auf die Festlegung einer solchen Untergrenze. Es bleibt lediglich zu fordern, daß die Unterhaltsverpflichtung des Ortszuschlagsberechtigten nicht unwesentlich sein darf. Die finanzielle Belastung durch den Unterhalt muß so ins Gewicht fallen, daß der Unterhaltsverpflichtete unabhängig von den besoldungsrechtlichen Folgen mit Sanktionen rechtlicher oder sittlicher Art rechnen müßte, wenn er den tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeitrag verweigerte (BAGE 45, 48 = AP, aaO, zu II 1 c a.E. der Gründe). Der Senat versteht unter nicht unwesentlichen Beträgen nicht alle diejenigen Beträge, die unter dem Differenzbetrag der Ortszuschlagsstufen 1 und 2 liegen, sondern nur diejenigen, die erheblich unter dem aus dem Brutto-Ortszuschlagsbetrag geschätzten Nettobetrag liegen und in ihrer Addition für die Lebenshaltung der betroffenen Berechtigten auch unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten keine Rolle mehr spielen. Das ist regelmäßig bei Beträgen von etwa 80,-- DM und 100,-- DM bei volljährigen Kindern mit einem Barbedarf von rund 800,-- DM einerseits und bei einer Vergütung aus der Vergütungsgruppe VI b der Anl. 1 a BAT andererseits nicht der Fall (vgl. Urteil des Senats vom 21. Januar 1988 - 6 AZR 567/86 -, aaO).

Demnach hat die Klägerin in den Jahren 1983 bis 1985 keinen unwesentlichen Restbarbedarf ihres Kindes erfüllt, zumal sie mehr an Unterhalt aufwenden mußte als ihr durch den erhöhten Ortszuschlag zugeflossen wäre, und sie sich somit keine zusätzlichen Vorteile verschaffen konnte. Sie hätte mit rechtlichen Sanktionen rechnen müssen, wenn sie den Unterhaltsbeitrag verweigert hätte. Der Unterhaltsanspruch ihrer Tochter wäre mit rechtlichen Mitteln durchsetzbar gewesen.

II. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Anspruch der Klägerin für die Monate August bis September 1983 gem. § 70 BAT verfallen. Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllte die Klägerin erstmals mit ihrem Schreiben vom 21. März 1984. Mit Schreiben vom 21. Juli 1983, in dem sie um Prüfung und Mitteilung bat, ob die Besitzstandsregelung aus einem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 12. August 1980 bei ihr Anwendung finde, hat sie ihren unveränderten Anspruch auf Ortszuschlag der Stufe 3 nicht im Sinne des § 70 BAT geltend gemacht. Sie verdeutlichte weder den Sachverhalt, aus dem sie ihren Anspruch herleitet, noch drohte sie dem beklagten Land an, es in Anspruch nehmen zu wollen (BAG Urteil vom 5. März 1981 - 3 AZR 559/78 - AP Nr. 9 zu § 70 BAT mit weiteren Nachweisen; BAGE 24, 116 = AP Nr. 49 zu § 4 TVG Ausschlußfrist mit weiteren Nachweisen).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO.

Dr. Jobs Schneider Dörner

Mergenthaler Scheerer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440871

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