Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast bei Auskunfterteilung

 

Leitsatz (redaktionell)

Auskunfterteilung nach § 13 Verfahrens-TV Bau; Beweislastverteilung bei sog. Nullmeldung; verspätetes Vorbringen

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; ArbGG §§ 61, 67; BGB §§ 259-260

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 26.04.1988; Aktenzeichen 5 Sa 866/87)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 20.05.1987; Aktenzeichen 3 Ca 5025/86)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 1988 – 5 Sa 866/87 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Die Beklagte zu 2) ist die Alleinkomplementärin der Beklagten zu 1). Im Betrieb der Beklagten zu 1) werden Trocken- und Montagebauarbeiten, Fassadenbau und technische Isolierungen ausgeführt. Zwischen den Parteien ist nicht umstritten, daß der Betrieb dem betrieblichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages und der Sozialtarifverträge des Baugewerbes unterfällt.

Für die Monate Januar bis November 1985 hatte die Beklagte zu 1) der Klägerin die nach den Sozialtarifverträgen erforderlichen Meldungen auf den vorgeschriebenen Formularen erteilt. Unter der Rubrik „Am Ende des Abrechnungszeitraumes beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer” war dort jeweils „Null” eingetragen. Als technische und kaufmännische Angestellte waren bis August 1985 zwischen zehn und elf Arbeitnehmer angegeben; danach verringerte sich die Zahl stetig. Als Poliere und Schachtmeister waren in den ersten drei Monaten acht Arbeitnehmer, für die übrigen Monate sechs Arbeitnehmer genannt.

Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner nach dem Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) vom 19. Dezember 1983 in der Fassung vom 12. Dezember 1984 auf Auskunftserteilung über die Zahl der bei der Beklagten zu 1) im Zeitraum von Januar bis November 1985 beschäftigten arbeiterrentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, die Höhe der Bruttolohnsumme und die entsprechende Höhe der Beiträge für die Sozialkassen des Baugewerbes und für den Fall der Nichterteilung auf Zahlung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG in Anspruch genommen, wobei sie die Entschädigungssumme mit 104.500,00 DM beziffert hat.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagten zu 1) und 2) durch Versäumnisurteil vom 1. Dezember 1986 antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil haben die Beklagten fristgerecht Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Auskunftsanspruch sei durch die von der Beklagten zu 1) abgegebenen Meldungen nicht erfüllt worden, da diese unrichtig und unvollständig gewesen seien. Entgegen den Angaben in den Formularen habe die Beklagte zu 1) im Klagezeitraum nämlich gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt. Acht Arbeitnehmer hat die Klägerin namentlich benannt und vorgetragen, daß diese von der Beklagten zu 1) bei der AOK als arbeiterrentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer angemeldet worden seien.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 1. Dezember 1986 mit einer Entschädigungssumme von 83.600,00 DM aufrechtzuerhalten.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 1. Dezember 1986 abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen, daß die Beklagte zu 1) keine gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigt habe. Bei den von der Klägerin benannten acht Arbeitnehmern habe es sich um vier Poliere und vier Auszubildende gehandelt, für die keine Meldepflicht nach dem Verfahrens-TV bestanden habe. Die gewerblichen Arbeitnehmer, die zur Durchführung der übernommenen Arbeiten benötigt worden seien, hätten Tochtergesellschaften oder Subunternehmen angehört.

Das Arbeitsgericht hat unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 1. Dezember 1986 die Klage abgewiesen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 1. Dezember 1986 mit der Maßgabe, die Entschädigungssumme auf 33.000,– DM festzusetzen und die Beklagten wie Gesamtschuldner (als unechte Gesamtschuldner) zu verurteilen. Die Beklagten beantragen Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht erkannt, daß der Klägerin ein Anspruch auf Auskunftserteilung und der für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung geltend gemachte Anspruch auf Entschädigungszahlung nicht zusteht. Die Beklagte zu 1) hat den Anspruch auf Auskunftserteilung erfüllt.

Der Klägerin stand gegenüber der Beklagten zu 1) nach § 13 Abs. 1 des allgemeinverbindlichen Verfahrens-TV ein Anspruch auf Auskunft über die Anzahl der im Zeitraum von Januar bis November 1985 bei ihr mit einer arbeiterrentenversicherungspflichtigen Tätigkeit beschäftigten Arbeitnehmer, die Höhe der Bruttolohnsumme und die Höhe der zu entrichtenden Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zu, da der Betrieb der Beklagten zu 1) aufgrund der von ihm ausgeführten Arbeiten vom betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV erfaßt wurde. Die Beklagte zu 2) hatte für die Erfüllung dieses Anspruches als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) wie ein Gesamtschuldner einzustehen. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht umstritten. Die Parteien streiten nur darüber, ob die Beklagte zu 1) mit den von ihr auf den entsprechenden Formularen schon vor Klageerhebung abgegebenen Meldungen, daß sie in den Abrechnungszeiträumen keine Arbeitnehmer beschäftigt habe, die nach den tariflichen Bestimmungen des Verfahrens-TV zu melden seien, ihre Auskunftsverpflichtung ordnungsgemäß erfüllt hat.

Der Anspruch auf Auskunftserteilung ist auch in der Revisionsinstanz noch streitbefangen. Zwar hat die Klägerin die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertiefte Auffassung vertreten, daß der Anspruch auf Auskunftserteilung erloschen sei, nachdem die Beklagte zu 1) nicht innerhalb der im Versäumnisurteil vom 1. Dezember 1986 gesetzten Frist von 6 Wochen eine wahrheitsgemäße Auskunft erteilt hatte, so daß allein noch über den für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung geltend gemachten Entschädigungsanspruch nach § 61 Abs. 2 ArbGG zu befinden sei. Jedoch hat die Klägerin ihr Klagebegehren nicht auf den Entschädigungsanspruch beschränkt, sondern auch in der Revisionsinstanz ihren Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung wie in den Vorinstanzen aufrecht erhalten. Demgemäß ist dieser nach wie vor Streitgegenstand.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Auskunftserteilung aber nicht mehr zu, da die Beklagte zu 1) diesen durch die von ihr vor Klageerhebung abgegebenen Meldungen, daß sie in den Abrechnungszeiträumen keine von den tariflichen Bestimmungen des Verfahrens-TV erfaßten Arbeitnehmer beschäftigt habe, erfüllt hat (§ 362 BGB). Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt sich der Anspruch auf Auskunftserteilung in den nach § 61 Abs. 2 ArbGG von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruch umgewandelt hätte.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Auskunftserteilung ist von den Tarifvertragsparteien in § 13 Verfahrens-TV geregelt worden. Die tarifliche Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

§ 13

Meldung und Beitragszahlung

(1) Der Einzugsstelle ist monatlich oder vier- bzw. fünfwöchentlich (Abrechnungszeitraum), spätestens bis zum 15. des folgenden Monats auf einem von der Einzugsstelle zur Verfügung zu stellenden Formular die Bruttolohnsumme für den Abrechnungszeitraum zu melden. Auf dem Formular hat der Arbeitgeber ferner anzugeben:

  1. Name, Anschrift und seine Betriebskontonummer,
  2. den für den Abrechnungszeitraum fällig gewordenen Sozialkassenbeitrag,
  3. die Anzahl aller von diesem Tarifvertrag erfaßten Arbeitnehmer des Betriebes für den Abrechnungszeitraum.

(2) Auf besondere Anforderung der Einzugsstelle oder einer der Kassen hat der Arbeitgeber auch Namen und Anschrift der im Abrechnungszeitraum beschäftigten Arbeitnehmer mitzuteilen und die Bruttolohnsumme des Abrechnungszeitraumes auf die einzelnen Arbeitnehmer aufzuschlüsseln.

(3) Beschäftigt der Arbeitgeber im Abrechnungszeitraum keine Arbeitnehmer, so ist er verpflichtet, anstelle der Meldung auf dem Formular und innerhalb der Frist gemäß Abs. 1 Fehlanzeige zu erstatten.

(4) Das Meldeformular ist zu unterschreiben. Durch die Unterschrift bestätigt der Arbeitgeber die Vollständigkeit und Richtigkeit der Meldung.

(5) Erst mit der vollständigen und richtigen Erteilung der Auskünfte gemäß Abs. 1 bis 3 hat der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur Beitragsmeldung erfüllt. Die wahrheitswidrige Mitteilung, daß keine Arbeitnehmer beschäftigt wurden, gilt nicht als Meldung.

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die Klägerin nach der tariflichen Regelung hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der von der Beklagten zu 1) erteilten Auskünfte entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht nur die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung entsprechend §§ 259, 260 BGB, sondern weiterhin Auskunftserteilung verlangen könne, wenn sie nachweise, daß die Fehlanzeige nach § 13 Abs. 3 Verfahrens-TV wahrheitswidrig gewesen sei. Dies folge aus § 13 Abs. 5 Verfahrens-TV. Erst mit der vollständigen und richtigen Erteilung der Auskunft werde die Auskunftspflicht erfüllt (§ 13 Abs. 5 Satz 1 Verfahrens-TV). Eine wahrheitswidrige Mitteilung, daß keine Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, gelte nicht als Meldung (§ 13 Abs. 5 Satz 2 Verfahrens-TV). Die Klägerin habe jedoch nicht ausreichend Tatsachen vorgetragen, die den Schluß darauf zuließen, daß die von der Beklagten zu 1) abgegebenen Meldungen wahrheitswidrig gewesen seien. Zwar habe die Klägerin behauptet, daß die Beklagte zu 1) im Klagezeitraum gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt habe und dazu auch acht Arbeitnehmer namentlich benannt. Demgegenüber habe die Beklagte zu 1) jedoch vorgetragen, daß vier der acht Arbeitnehmer Poliere und die weiteren vier Arbeitnehmer Auszubildende gewesen seien, so daß für sie keine Meldepflicht nach dem Verfahrens-TV bestanden habe. Daraufhin habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erklärt, daß die acht Arbeitnehmer als der Arbeiterrentenversicherungspflicht unterliegende gewerbliche Arbeitnehmer bei der zuständigen AOK von der Beklagten zu 1) gemeldet worden seien. Dieser Vortrag der Klägerin lasse jedoch nicht zwingend den Schluß auf die Wahrheitswidrigkeit der Meldung der Beklagten zu. Im übrigen sei dieses Vorbringen als verspätet zurückzuweisen, da seine Zulassung zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt hätte.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Die tarifliche Bestimmung des § 13 Verfahrens-TV begründet eine Auskunftspflicht des tarifunterworfenen Arbeitgebers und regelt die Modalitäten hinsichtlich ihrer Erfüllung. Dieser tariflichen Regelung stehen die gesetzlichen Vorschriften der §§ 259, 260 BGB nicht entgegen. Diese regeln nur die Rechtsfolgen einer anderweitig begründeten Verpflichtung, über eine mit Einnahmen und Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzugeben (§ 259 BGB), einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen (§ 260 BGB). Auf derartige Verpflichtungen bezieht sich die tarifliche Regelung des § 13 Verfahrens-TV nicht. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr im Rahmen ihrer auch insoweit bestehenden Rechtssetzungsautonomie eine zur Erfüllung der der gemeinsamen Einrichtung der Zusatzversorgungskasse übertragenen Aufgaben notwendige, eigenständige Auskunftsverpflichtung für die tarifunterworfenen Arbeitgeber begründet. Sie konnten damit auch ohne Bindung an die gesetzlichen Vorschriften der §§ 259, 260 BGB, die keinen allgemein-zwingenden Charakter haben, die Voraussetzungen für die Erfüllung dieser Verpflichtung regeln. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts konnte die Klägerin demgemäß die Beklagte zu 1) weiterhin auf Auskunftserteilung mit der Begründung in Anspruch nehmen, daß durch die von ihr abgegebenen Meldungen eine Erfüllung der tariflichen Auskunftspflicht nicht eingetreten sei.

Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß bei einem Streit über die Erfüllung der tariflichen Auskunftsverpflichtung wie im allgemeinen bürgerlichen Recht der Arbeitgeber als Schuldner darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, daß er seine Auskunftspflicht erfüllt hat. Dies kann er tun, indem er nachweist, daß er für den entsprechenden Zeitraum eine Meldung nach § 13 Abs. 1 Verfahrens-TV abgegeben hat. Hat er im Anspruchszeitraum keine Arbeitnehmer beschäftigt, die vom Verfahrens-TV erfaßt werden, so tritt die Erfüllung seiner Auskunftsverpflichtung auch mit der Erstattung einer solchen Fehlanzeige (§ 13 Abs. 3 Verfahrens-TV) ein (§ 13 Abs. 5 Satz 1 Verfahrens-TV).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Beklagte zu 1) für die Abrechnungszeiträume von Januar bis November 1985 derartige Fehlanzeigen abgegeben hat. Daraus folgert das Landesarbeitsgericht zu Recht, daß sie insoweit ihrer Darlegungslast hinsichtlich der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung genügt hat.

Die Tarifvertragsparteien haben jedoch in § 13 Abs. 5 Satz 1 Verfahrens-TV ausdrücklich bestimmt, daß die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung erst mit der vollständigen und richtigen Erteilung der Auskünfte gemäß § 13 Abs. 1 bis 3 Verfahrens-TV eintritt. Für den Fall der Fehlanzeige haben sie in § 13 Abs. 5 Satz 2 Verfahrens-TV bestimmt, daß die wahrheitswidrige Mitteilung, daß keine Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, nicht als Meldung gelte. Daraus folgt, daß eine wahrheitswidrige Mitteilung des Inhalts, daß keine vom Verfahrens-TV erfaßten Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, nicht zur Erfüllung der Auskunftsverpflichtung führt. Der Klägerin steht in diesem Falle der Anspruch auf Auskunftserteilung weiterhin zu.

Mit Recht geht das Landesarbeitsgericht weiter davon aus, daß die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast in bezug auf die Voraussetzungen dieses Anspruches trifft. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses muß derjenige, der einen Anspruch geltend macht, diejenigen Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich der Anspruch ergibt. Demgemäß obliegt es der Klägerin, in dem besonderen Falle einer Fehlanzeige nach § 13 Abs. 3 Verfahrens-TV darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß die Mitteilung des Arbeitgebers wahrheitswidrig sei. Mit dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast tragen die Tarifvertragsparteien in sachgerechter Weise dem Umstand Rechnung, daß der Arbeitgeber mit dem Nachweis der negativen Tatsache, daß er keine Arbeitnehmer beschäftige, unzumutbar belastet würde.

Die Klägerin hat ihrer entsprechenden Darlegungslast zunächst damit genügt, daß sie namentlich acht Arbeitnehmer benannt hat, die im Anspruchszeitraum bei der Beklagen zu 1) tätig gewesen seien, und außerdem behauptet hat, daß diese eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeführt hätten, so daß sie nach § 13 Abs. 1 Buchstabe c) Verfahrens-TV in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Verfahrens-TV zu melden gewesen wären. Demgegenüber hat die Beklagte geltend gemacht, daß vier dieser Arbeitnehmer Poliere und vier Auszubildende gewesen seien, die der Verfahrens-TV nicht erfasse. Diese Behauptung der Beklagten ist erheblich, da eine Beitragspflicht nach dem Verfahrens-TV weder für Poliere noch für Auszubildende besteht, sondern Poliere vom persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes und Auszubildende vom persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Verfahren für die Berufsbildung im Baugewerbe erfaßt werden. Demgemäß hätte die Klägerin ihrerseits nunmehr Tatsachen vortragen müssen, aus denen der Schluß gerechtfertigt gewesen wäre, daß die Meldungen der Beklagten zu 1) auch im Hinblick auf die von ihr nunmehr dargelegten Umstände wahrheitswidrig waren.

Der Umfang der Darlegungslast richtet sich auch nach dem Vorbringen des Gegners. Mit Recht nimmt daher das Landesarbeitsgericht an, daß es im Hinblick auf den substantiierten Vortrag der Beklagten zu 1) der Klägerin oblegen hätte, weitere Tatsachen vorzutragen, die den nur im Falle der Wahrheitswidrigkeit der abgegebenen Meldung weiterhin begründeten Auskunftsanspruch stützten. Das Landesarbeitsgericht mußte entgegen der Auffassung der Klägerin bei diesem Sachvortrag der Parteien nicht in eine Beweisaufnahme eintreten. Die Beklagte hatte den Vortrag der Klägerin, daß acht vom Verfahrens-TV erfaßte Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, nämlich nicht nur schlicht bestritten, sondern mit konkretem Tatsachenvortrag eingeräumt, diese acht Arbeitnehmer beschäftigt zu haben. Sie hat darüber hinaus aber weitere Tatsachen vorgetragen, nämlich deren Beschäftigung als Poliere und Auszubildende, die geeignet waren, eine Verletzung der tariflichen Meldepflicht auszuschließen.

Demgemäß wäre es nun wiederum Sache der Klägerin gewesen, diesen substantiierten Vortrag durch die Darlegung von Tatsachen zu erschüttern, die die von der Beklagten zu 1) vorgetragenen Tatsachen als unzutreffend hätten erscheinen lassen. Insoweit bedurfte es entgegen der Rüge der Klägerin auch keines Hinweises des Landesarbeitsgerichts nach § 139 ZPO. Ob und gegebenenfalls wieviel gewerbliche Arbeitnehmer bei der Beklagten zu 1) im Klagezeitraum beschäftigt waren, ist für den Rechtsstreit allein entscheidungserheblich. Dies mußte die Klägerin erkennen und hat sie auch erkannt. Die Klägerin hat nämlich als Erwiderung zu dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vorgetragen, die Beklagte zu 1) habe die acht Arbeitnehmer als der Arbeiterrentenversicherungspflicht unterliegende gewerbliche Arbeitnehmer bei der zuständigen AOK angemeldet.

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß dieser Vortrag der Klägerin nicht zwingend den Schluß zulasse, daß die Angaben der Beklagten zu 1) wahrheitswidrig gewesen seien. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da das Landesarbeitsgericht dieses Vorbringen der Klägerin in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als verspätet zurückgewiesen hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dürfen verspätetes Tatsachenvorbringen bzw. verspätete Beweisantritte nur dann nicht zugelassen werden, wenn dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde (vgl. BAG Urteil vom 5. Juli 1978 – 4 AZR 795/76 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975 m.w.N.; Urteil vom 23. November 1988 – 4 AZR 393/88 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Insoweit ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 16. November 1987 vorgetragen, daß vier der beschäftigten acht Arbeitnehmer Poliere und vier Auszubildende seien. Darauf hätte die Klägerin rechtzeitig vor dem Termin der mündlichen Verhandlung am 26. April 1988 erwidern und unter Beweisantritt auf die Meldung dieser acht Arbeitnehmer durch die Beklagte zu 1) bei der zuständigen AOK verweisen können. Dies hat sie unterlassen. Sie hat ihren entsprechenden Sachvortrag erst in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 1988 zu Protokoll erklärt. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat diesen als verspätet gerügt. Damit ist der Sachvortrag entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unstreitig geworden. Vielmehr brauchte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten zu diesem neuen Vorbringen der Klägerin im Termin nicht in der Sache Stellung zu nehmen, sondern konnte sich darauf beschränken, die Verspätung des Vorbringens zu rügen. Hätte das Landesarbeitsgericht das Vorbringen der Klägerin zugelassen, so hätte es den Beklagten eine Erklärungsfrist einräumen und gegebenenfalls eine Beweisaufnahme durchführen müssen. Die Zulassung des verspäteten Vorbringens der Klägerin hätte somit ersichtlich zu einer Verzögerung der Entscheidung des Rechtsstreits geführt. Unter diesen Umständen konnte das Landesarbeitsgericht mit Recht den Vortrag nach § 67 Abs. 2 Satz 2 ArbGG nicht zulassen.

Soweit die Klägerin mit der Revision rügt, daß das Landesarbeitsgericht ihre Behauptung übergangen habe, daß die Beklagte zu 1) außer den namentlich benannten Arbeitnehmern weitere gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt habe, kann sie damit keinen Erfolg haben. Die Beklagte hat diese Behauptung der Klägerin bestritten und darauf verwiesen, daß alle gewerblichen Arbeitnehmer, die in ihrem Betrieb Arbeiten ausgeführt hätten, Tochtergesellschaften oder Subunternehmern angehört hätten. Auch insoweit hätte die Klägerin mithin substantiiert Tatsachen vortragen müssen, die den Schluß darauf zugelassen hätten, daß die Fehlanzeigen der Beklagten wahrheitswidrig waren.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Feller, Dr. Freitag, Preuße, Schmalz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI988643

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