Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch des Betriebsrats gegen eine Einstellung

 

Orientierungssatz

1. Die Erklärung des Betriebsrats, er verweigere die Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme, ist mit Gründen zu versehen. Dazu hat der Senat gefordert, daß die Begründung konkrete, auf den Einzelfall bezogene Tatsachen angeben müsse, und daß sich die angegebenen Gründe nicht soweit von dem Katalog der gesetzlichen Zustimmungsverweigerungsgründe entfernen dürften, daß sie sich schlechterdings keinem der Tatbestände des § 99 Abs 2 BetrVG mehr zuordnen lassen. Schlüssig brauchten die Gründe jedoch nicht zu sein.

2. Dies erfordert eine Wertung der angegebenen Tatsachen und einen Vergleich der Begründung mit der gesetzlichen Regelung. Überläßt man dem Arbeitgeber diese Wertung, so kann dies dazu führen, daß die vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 99 Abs 3 und 4 BetrVG gewollte "Vertauschung der Parteirollen" im Vergleich zum früheren Rechtszustand praktisch wieder aufgehoben würde. Der Senat denkt deshalb daran, die bisherige Rechtsprechung teilweise einzuschränken.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 3-4, 2 Nrn. 4, 3, Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.10.1983; Aktenzeichen 9 (13) (10) TaBV 86/83)

ArbG Duisburg (Entscheidung vom 21.07.1983; Aktenzeichen 4 BV 9/83)

 

Gründe

A. Der Arbeitgeber will erreichen, daß die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung eines Bereichsleiters ersetzt wird (§ 99 Abs. 4 BetrVG).

Der Arbeitgeber, ein Einzelhandelsunternehmen, betreibt in D die Zweigniederlassungen "D Straße" und "D-H ". In beiden Zweigniederlassungen besteht ein Betriebsrat.

Der Arbeitgeber beabsichtigte, dem 1928 geborenen Mitarbeiter Gustav T die Aufgaben eines Bereichsleiters für die Abteilungen Kosmetik, Wäsche, Lederwaren, Schirme, Schmuck, Uhren und Foto in der Zweigniederlassung D-H zu übertragen. Herr T war zu der Zeit Abteilungsleiter in der Möbel- und Bettwarenabteilung in der Zweigniederlassung "D Straße" und dort Vorgesetzter von zehn Mitarbeitern. In D -H wäre er Vorgesetzter von 30 Mitarbeitern.

Der Arbeitgeber beantragte am 24. Januar 1983 beim Betriebsrat der Zweigniederlassung D-H die Zustimmung zur Einstellung des Mitarbeiters T als Bereichsleiter. Der Betriebsrat verweigerte am gleichen Tage schriftlich die Zustimmung mit folgender Begründung:

"Der Betriebsrat lehnt den Antrag der Geschäfts-

führung Einstellung eines Bereichsleiters nach

Beschlußfassung ab.

Begründung: Durch Information an den Wirt-

schaftsausschuß steht fest, daß die Zahl der

Bereichsleiter abgebaut werden soll, so daß

der Betriebsrat keine Veranlassung sieht, ei-

ner Neueinstellung zuzustimmen."

Daraufhin hat der Arbeitgeber beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zur Ein-

stellung des Gustav T als Bereichslei-

ter im Betrieb in D -H zu er-

setzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, diesen Antrag des Arbeitgebers zurückzuweisen. Er hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht in einem Schriftsatz vom 12. April 1983 geltend gemacht, durch die geplante Versetzung werde der Mitarbeiter T benachteiligt. Seine äußeren Arbeitsbedingungen verschlechterten sich. Er habe ein anderes Warensortiment zu betreuen, mehr Personal zu beaufsichtigen und andere Arbeitsabläufe zu bewältigen. Vor dem Landesarbeitsgericht hat der Betriebsrat noch geltend gemacht, er wolle verhindern, daß die Position des Bereichsleiters durch einen externen Arbeitnehmer besetzt werde. Dadurch werde zwei bisherigen Bereichsleitern, die zu Substituten herabgestuft worden seien, der Aufstieg in die Position des Bereichsleiters verwehrt.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht diesen Beschluß abgeändert; es hat die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Mitarbeiters ersetzt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats, mit der er die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung verlangt.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung des Mitarbeiters T ersetzt (§ 99 Abs. 4 BetrVG).

1. In Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zu einer geplanten Einstellung einzuholen (§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Bei Umsetzung eines Arbeitnehmers von einem Betrieb des Unternehmens in einen anderen Betrieb desselben Unternehmens ist jedenfalls der Betriebsrat des Betriebs, in den der Mitarbeiter aufgenommen werden soll, zu beteiligen (BAG 35, 228, 231 = AP Nr. 12 zu § 99 BetrVG 1972, zu III 4 der Gründe). Ob auch der Betriebsrat des abgebenden Betriebs zu beteiligen ist, braucht nicht entschieden zu werden. Dabei handelt es sich aus der Sicht dieses aufnehmenden Betriebs - betriebsverfassungsrechtlich - um eine Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, während es aus der Sicht des betroffenen Arbeitnehmers - individual-rechtlich - um eine Versetzung geht.

2. Die Erklärung des Betriebsrats, mit der er die Zustimmung zu dieser personellen Einzelmaßnahme verweigerte, war beachtlich.

a) Allerdings ist die Zustimmungsverweigerung nicht beachtlich, wenn die schriftliche Erklärung entweder keine Gründe enthält oder sich in einer bloßen Bezugnahme auf die in § 99 Abs. 2 BetrVG normierten Zustimmungsverweigerungsgründe erschöpft (Beschluß des Senats vom 18. Juli 1978 - 1 ABR 43/75 - AP Nr. 1 zu § 101 BetrVG 1972; Beschluß vom 24. Juli 1979 - 1 ABR 78/77 - AP Nr. 11 zu § 99 BetrVG 1972). Der Betriebsrat muß die Verweigerung seiner Zustimmung begründen.

b) Soweit der Betriebsrat Gründe angegeben hatte, hat der Senat gefordert, daß die Begründung konkrete, auf den Einzelfall bezogene Tatsachen angeben müsse, und daß sich die angeführten Gründe nicht soweit von dem Katalog der gesetzlichen Zustimmungsverweigerungsgründe entfernen dürften, daß sie sich schlechterdings keinem der Tatbestände des § 99 Abs. 2 BetrVG mehr zuordnen lassen. Schlüssig brauchten die Gründe nach dieser Auffassung jedoch nicht zu sein (vgl. die genannten Entscheidungen, aaO).

Der Senat hat schon im Beschluß vom 16. Juli 1985 (1 ABR 35/83 - zur Veröffentlichung vorgesehen) Bedenken geäußert, ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann. Die Frage, ob die Zustimmungsverweigerung konkrete, auf einen bestimmten Sachverhalt bezogene Tatsachen enthält, und ob sie sich noch einem der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG zuordnen läßt, kann in Fällen dieser Art nicht mehr anhand äußerer, leicht feststellbarer Umstände beantwortet werden. Sie erfordert vielmehr eine Wertung der angegebenen Tatsachen und einen Vergleich der Begründung mit der gesetzlichen Regelung. Überläßt man dem Arbeitgeber diese Wertung, so kann dieser sich stets - ob zu Recht oder zu Unrecht - auf den Standpunkt stellen, die vom Betriebsrat genannten Tatsachen bezögen sich nicht auf den konkreten Einzelfall oder die gegebene Begründung würde von § 99 Abs. 2 BetrVG schlechterdings nicht mehr erfaßt, so daß die Zustimmungsverweigerung unbeachtlich sei und die Zustimmung als erteilt zu gelten habe. Er könnte unter diesen Voraussetzungen die personelle Einzelmaßnahme tatsächlich durchführen mit der Folge, daß der Betriebsrat darauf angewiesen ist, seinerseits im Verfahren nach § 101 BetrVG geltend zu machen, daß er die Zustimmung in rechtlich beachtlicher Weise verweigert habe und diese daher nicht als erteilt gelten könne. Damit würde die vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 99 Abs. 3 und 4 BetrVG gewollte "Vertauschung der Parteirollen" im Vergleich zum früheren Rechtszustand praktisch wieder aufgehoben. Der Senat denkt deshalb daran, die bisherige Rechtsprechung teilweise einzuschränken (kritisch zu dieser bisherigen Rechtsprechung u.a. Richardi, Anm. zu AP Nr. 3 zu § 101 BetrVG 1972).

c) Im vorliegenden Fall erfüllt die Erklärung des Betriebsrats auch die strengeren Voraussetzungen der bisherigen Rechtsprechung. Der Betriebsrat bezog sich auf einen bestimmten Sachverhalt; seine Erklärung ließ sich noch einem der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG zuordnen. Gemeint war der Verweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Nach dieser Bestimmung kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden. Hier wollte der Betriebsrat geltend machen, daß durch die Einstellung des Mitarbeiters T für andere Bereichsleiter die Gefahr einer Entlassung bestünde. So hat der Arbeitgeber diese Erklärung auch verstanden. Er hat folgerichtig das Beschlußverfahren mit einem Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG eingeleitet.

3. Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers T nicht aus den in seinem Widerspruch genannten Gründen verweigern. Es liegen nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die der Betriebsrat mit seiner Rechtsbeschwerde nicht angegriffen hat, keine Anhaltspunkte dafür vor, daß andere im Betrieb bereits beschäftigte Arbeitnehmer durch die Einstellung des Mitarbeiters T benachteiligt werden. Im Betrieb war ein Bereichsleiter beschäftigt. An seine Stelle sollte der Mitarbeiter T treten. Die Stelle war somit vor und nach der geplanten Einstellung des Arbeitnehmers T besetzt. Die Arbeitsplätze anderer Arbeitnehmer waren nach diesen Feststellungen durch die Einstellung des Mitarbeiters T nicht gefährdet. Der Betriebsrat hat dies im gerichtlichen Verfahren auch nicht mehr geltend gemacht.

4. Auf andere Gründe, die den Widerspruch rechtfertigen könnten, kann sich der Betriebsrat nicht berufen. Sie sind nicht innerhalb der Wochenfrist geltend gemacht worden. Der Betriebsrat hat auf - angeblich zu besorgende - Nachteile für den Arbeitnehmer T erstmals in seinem Schriftsatz vom 12. April 1983 und damit außerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hingewiesen. Entsprechendes gilt für die Gründe, die der Betriebsrat erst vor dem Landesarbeitsgericht vorgebracht hat.

Das Landesarbeitsgericht hat sich mit diesen vom Betriebsrat nachträglich vorgebrachten Gründen sachlich auseinandergesetzt. Es ist nicht näher auf die Bedeutung der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG eingegangen. Das widerspricht der später ergangenen Entscheidung des Senats vom 3. Juli 1984 (BAG 46, 158 = AP Nr. 20 zu § 99 BetrVG 1972). Der Betriebsrat muß danach alle Gründe, mit denen er seine Zustimmung zu einer vom Arbeitgeber geplanten personellen Einzelmaßnahme verweigern will, innerhalb einer Woche dem Arbeitgeber mitteilen. Er kann im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren keine neuen Gründe nachschieben.

Nach § 99 Abs. 3 BetrVG muß der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung schriftlich unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche mitteilen. Klarer wäre die Vorschrift, wenn ausdrücklich gefordert wäre, daß der Betriebsrat seine Zustimmung nur unter Angabe "der" Gründe verweigern könnte. Aus der Verwendung des unbestimmten Artikels kann jedoch nicht geschlossen werden, es genüge die Angabe von Gründen schlechthin, um die Verweigerung der Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme zu begründen. Der Hinweis kann auch bedeuten, daß der Betriebsrat nur die im Gesetz ausdrücklich genannten Gründe anführen darf.

Für die Angabe dieser Gründe sind Form und Frist vorgeschrieben. Dabei bezieht sich die Schriftform auch auf die vom Betriebsrat anzugebenden Gründe; sie müssen schriftlich niedergelegt und vom Betriebsrat unterzeichnet werden (vgl. Beschluß des Senats vom 24. Juli 1979 - 1 ABR 78/77 - AP Nr. 11 zu § 99 BetrVG 1972). Entscheidend für die Auslegung der Norm kommt es deshalb auf Sinn und Zweck dieser Form- und Fristvorschriften an. Die Schriftform soll sicherstellen, daß der Arbeitgeber sichere Kenntnis von den Gründen erhält, die den Betriebsrat veranlaßt haben, die Zustimmung zu der geplanten Maßnahme zu verweigern. Und dies soll er auch innerhalb der vom Gesetz genannten Frist erfahren. Deshalb reicht es nicht aus, wenn ein Grund zwar innerhalb der Frist, aber nicht schriftlich vorgebracht wird. Ebensowenig reicht es aus, wenn der Grund zwar schriftlich, aber nicht innerhalb der Frist geltend gemacht wird. Die Vorschriften über Form und Frist machen das Verfahren nach § 99 Abs. 3 BetrVG zu einem förmlichen Verfahren. Das dient der vom Gesetzgeber offensichtlich gewünschten alsbaldigen Klarheit und Rechtssicherheit. Der Arbeitgeber und die von der personellen Einzelmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer sollen innerhalb der Wochenfrist erfahren, ob der Betriebsrat die Zustimmung verweigert und auf welche Gründe er sich dabei stützt. Dabei hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, worauf der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerungsgründe stützt. Denn nur so kann er abschätzen, ob die Begründung zutrifft oder ob begründete Aussicht besteht, daß die Zustimmung vom Gericht ersetzt wird, weil die Begründung des Betriebsrats nicht stichhaltig ist.

Vom Betriebsrat wird bei diesem Verständnis der Norm nichts Unbilliges oder gar Unmögliches verlangt. Auch hier hatte der Betriebsrat Gelegenheit, innerhalb einer Woche dem Arbeitgeber die Gründe bekanntzugeben, die ihn zur Verweigerung der Zustimmung veranlaßt hatten. Ebenso wie auf die Besorgnisse der bereits beschäftigten Arbeitnehmer hätte er auf die möglichen Nachteile, die die Einstellung für den betroffenen Arbeitnehmer mit sich bringen würde, hinweisen können, zumal die Anforderungen an eine rechtlich beachtliche Erklärung nicht übertrieben streng sind (vgl. Abschnitt B 2 der Gründe).

5. Auf die sachliche Prüfung, ob der Betriebsrat seine Zustimmung mit der später vorgebrachten Begründung verweigern konnte, kommt es daher nicht an.

Der Senat braucht daher nicht darüber zu entscheiden, ob in Fällen der vorliegenden Art der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs geltend machen kann, der einzustellende Arbeitnehmer werde im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG benachteiligt, oder ob diese Gründe nur vom Betriebsrat des Betriebs, in dem der Arbeitnehmer vor der Versetzung beschäftigt war, vorgebracht werden können. Das würde dann dafür sprechen, daß auch dieser Betriebsrat zu beteiligen ist. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist diese Frage nicht erheblich.

Dr. Kissel Dr. Heither Matthes

Gnade Dr. Münzer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI436761

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