Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspätete Beschwerde. Versäumung der Beschwerdefrist. Zustellung eines Berichtigungsbeschlusses

 

Orientierungssatz

Die Wirksamkeit einer Zustellung wird regelmäßig nicht dadurch beeinträchtigt, daß die zugestellte Entscheidung eine gemäß § 319 ZPO zu berichtigende offenbare Unrichtigkeit enthält. Die Rechtsmittelfrist beginnt dann mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses nicht erneut zu laufen.

 

Normenkette

ArbGG § 66 Abs. 1, § 87 Abs. 2; ZPO § 319

 

Verfahrensgang

Thüringer LAG (Zwischenurteil vom 06.07.2000; Aktenzeichen 1 TaBV 16/99)

ArbG Eisenach (Zwischenurteil vom 05.05.1999; Aktenzeichen 4 BV 6/98)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2000 – 1 TaBV 16/99 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller leitender Angestellter iSd. Betriebsverfassungsgesetzes ist.

Der Antragsteller ist bei der beteiligten Arbeitgeberin seit dem 1. April 1981 als Arzt beschäftigt und zwar seit dem 1. Juli 1991 auf der Basis eines Chefarztvertrages. Er und die beteiligte Arbeitgeberin haben die Ansicht vertreten, der Antragsteller sei kein leitender Angestellter, während ihn der beteiligte Betriebsrat als leitenden Angestellten ansieht.

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, daß er kein leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG ist.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch eine als „Urteil” bezeichnete Entscheidung vom 5. Mai 1999, die dem Betriebsrat am 5. Juli 1999 zugestellt wurde, nach dem Antrag des Antragstellers erkannt. Durch Beschluß vom 21. Juli 1999, dem Betriebsrat am 27. Juli 1999 zugestellt, hat es die Bezeichnung in „Beschluß” berichtigt. Die Beschwerde des Betriebsrats vom 24. August 1999 ging am 25. August 1999 beim Landesarbeitsgericht ein.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde als rechtzeitig eingelegt angesehen und sie aus sachlichen Gründen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat die Zurückweisung des Antrags weiter. Der Antragsteller beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts, mit dem die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Eisenach zurückgewiesen wurde, ist bereits deshalb zutreffend, weil der Betriebsrat die einmonatige Beschwerdefrist des § 87 Abs. 2 in Verbindung mit § 66 Abs. 1 ArbGG versäumt hat und die Beschwerde deshalb unzulässig ist.

I. Der als „Urteil” bezeichnete Beschluß des Arbeitsgerichts vom 5. Mai 1999 wurde den Prozeßbevollmächtigten des Betriebsrats am 5. Juli 1999 zugestellt. Damit wurde die Beschwerdefrist in Lauf gesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung(vgl. zB BGH 9. Dezember 1983 – V ZR 21/83 – BGHZ 89, 184 = NJW 1984, 1041; BGH 17. Januar 1991 – VII ZB 13/90 – BGHZ 113, 228 = NJW 1991, 1834) wird die Wirksamkeit der Zustellung regelmäßig nicht dadurch beeinträchtigt, daß die zugestellte Entscheidung eine gem. § 319 ZPO zu berichtigende offenbare Unrichtigkeit enthält. Lediglich ausnahmsweise beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit der Bekanntgabe des Berichtigungsbeschlusses, wenn die zugestellte Entscheidung insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien zu bilden(vgl. zB BGH 9. November 1994 – XII ZR 184/93 – NJW 1995, 1033; BGH 5. November 1998 – VII ZB 24/98 – NJW 1999, 646).

Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Bei der Bezeichnung „Urteil” handelte es sich lediglich um die Überschrift des verwendeten Formulars, wobei deutlich erkennbar war, daß dieses Formular lediglich versehentlich verwendet worden war. Denn im übrigen entsprach die Entscheidung in Aufbau und Diktion vollständig den Gepflogenheiten eines Beschlusses im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren. Außerdem enthielt sie eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung, in der die Entscheidung als Beschluß und das einzulegende Rechtsmittel als Beschwerde bezeichnet war. Unter diesen Umständen war die Entscheidung auch ohne die später erfolgte Berichtigung zweifelsfrei als Beschluß im Beschlußverfahren erkennbar.

II. Durch die am 27. Juli 1999 erfolgte Zustellung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Juli 1999 wurde die Beschwerdefrist nicht erneut in Lauf gesetzt. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts wurde am 27. Juli 1999 nicht etwa der Beschluß vom 5. Mai 1999 in berichtigter Fassung zugestellt, sondern lediglich der Berichtigungsbeschluß vom 21. Juli 1999. Durch diese Zustellung begann die Beschwerdefrist nicht erneut an zu laufen. Vielmehr hatte sie bereits am 5. Juli 1999 zu laufen begonnen, so daß sie bei Einlegung der Beschwerde am 25. August 1999 bereits abgelaufen war.

 

Unterschriften

Dörner, Steckhan, Linsenmaier, G. Metzinger, Nottelmann

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 15.08.2001 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

ARST 2002, 87

FA 2002, 86

FA 2002, 87

NZA 2002, 112

EzA

NJOZ 2002, 357

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