Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung der Hauptsache. Steuerfreiheit e. Abfindung

 

Normenkette

ZPO §§ 91a, 256; EStG § 3 Nr. 9, § 38 Abs. 3 S. 1, § 42e

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 20.09.1988; Aktenzeichen 4 Sa 742/88)

ArbG Siegburg (Urteil vom 19.04.1988; Aktenzeichen 5 H Ca 127/88)

 

Tenor

1. Die Urteile des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19. April 1988 – 5 H Ca 127/88 – und des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20. September 1988 – 4 Sa 742/88 – sind gegenstandslos.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien haben darüber gestritten, ob der Beklagte berechtigt war, von der Abfindung der Klägerin Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe abzuziehen.

Die Klägerin war vom 1. August 1984 bis zum 31. Oktober 1987 als Erzieherin mit einem Gehalt von monatlich 3.000,– DM brutto beim Beklagten tätig. Seit 1986 war sie Vorsitzende der Mitarbeitervertretung.

Am 10. März 1987 haben die Parteien einen Auflösungsvertrag abgeschlossen, wonach das Dienstverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zum 31. Oktober 1987 endet und die Klägerin eine Abfindung von 30.000,– DM zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erhält.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 14. Juli 1987 und der Steuerberater der Klägerin hat mit Schreiben vom 17. September 1987 das Betriebsstätten- bzw. Wohnsitzfinanzamt A. um Stellungnahme gebeten, wie die Abfindung steuerlich zu behandeln sei. Das Finanzamt hat dem Beklagten mit Schreiben vom 31. Juli 1987 und dem Steuerberater der Klägerin mit Schreiben vom 5. Oktober 1987 mitgeteilt, nach seiner Auffassung liege keine vom Arbeitgeber veranlaßte Kündigung bzw. Auflösung des Dienstverhältnisses vor, so daß die Abfindung in Höhe von 30.000,– DM als sonstiger Bezug ohne Berücksichtigung eines Freibetrages in vollem Umfang der Lohnsteuerpflicht unterliege.

Dementsprechend hat der Beklagte im Monat Oktober 1987 die Abfindung zusammen mit dem Monatsverdienst um gesetzliche Abzüge in Höhe von 20.989,46 DM vermindert.

Die Klägerin hält die Auskunft des Finanzamts für unrichtig denn sie sei auf Veranlassung des Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so daß vor Abzug der Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 3 Nr. 9 EStG ein Freibetrag von 24.000,– DM zu berücksichtigen gewesen sei. Der Beklagte habe aber ohne Berücksichtigung des Freibetrages der Klägerin 10.992,– DM Lohnsteuern und 2.775,61 DM Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteil) zuviel abgezogen. Der Beklagte könne sich auf die anderslautende Auskunft des Finanzamts nicht berufen, weil er die Gründe für das Ausscheiden der Klägerin nicht wahrheitsgemäß berichtet habe.

Die Klägerin hat in der Vorinstanz von dem Beklagten die Auszahlung der nach ihrer Meinung zuviel entrichteten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 13.767,61 DM gefordert und hat darüber hinaus hilfsweise die Feststellung begehrt, daß ihr Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen oder auf Veranlassung des Arbeitgebers aufgelöst worden sei. Ein dementsprechendes Feststellungsurteil werde das Finanzamt berücksichtigen.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 13.767,61 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. Januar 1988 zu zahlen,
  2. hilfsweise festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Aufhebungsvereinbarung vom 10. März und 15. September 1987 aus betriebsbedingten Gründen des Beklagten zum 31. Oktober 1987 sein Ende gefunden hat,
  3. hilfsweise festzustellen, daß die Aufhebungsvereinbarung vom 10. März und 15. September 1987 und die damit verbundene Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 1987 vom Arbeitgeber veranlaßt worden ist.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt mit der Begründung, der Klägerin stehe kein Steuerfreibetrag zu. Deswegen habe er von der Abfindung in voller Höhe Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abziehen müssen. Der Beklagte habe sich damit an die Auskunft des Finanzamts gehalten. Davon habe er nicht abweichen dürfen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Während der Revisionsinstanz hat das Finanzamt dem Einspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1987 stattgegeben und in einem geänderten Einkommensteuerbescheid vom 18. Mai 1989 einen Freibetrag von 24.000,– DM anerkannt sowie die Steuern dementsprechend erstattet. Außerdem hat die Klägerin am 26. September 1989 von der BEK Düsseldorf die von ihr in diesem Rechtsstreit begehrten 2.775,61 DM Sozialversicherungsbeiträge zurückerhalten. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit in der Revisionsinstanz in der Hauptsache für erledigt erklärt und widersprechende Kostenanträge gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II. Nachdem die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91 a ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluß zu entscheiden. Diese Vorschrift gilt auch für die Revisionsinstanz (u.a. BAG Beschluß vom 17. August 1961 – 5 AZR 311/60 – und BAG Urteil vom 12. Juni 1967 – 3 AZR 368/66 – AP Nr. 9 und 12 zu § 91 a ZPO). Eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien ist in der Rechtsmittelinstanz jedoch nur beachtlich, wenn das Rechtsmittel zulässig ist. Das ist hier der Fall.

Die Kosten sind grundsätzlich der Partei aufzuerlegen, die im Prozeß unterlegen wäre, wenn sich der Rechtsstreit nicht erledigt hätte. Hiernach waren unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Es kann für die Kostenentscheidung dahingestellt bleiben, ob die Klage zulässig war. Jedenfalls war sie von vornherein nicht begründet, denn der Beklagte hat derzeit zu Recht Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge ohne Berücksichtigung eines Freibetrages von 24.000,– DM abgezogen.

Der Beklagte als Arbeitgeber hat die Lohnsteuer nur für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und an das Finanzamt abzuführen. Dabei hat er allerdings kraft seiner Fürsorgepflicht die Abzüge vom Lohn oder Gehalt des Arbeitnehmers richtig zu berechnen. Dagegen hat der Beklagte jedoch nicht verstoßen. Vor Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge haben die Parteien eine Auskunft des zuständigen Finanzamts über die Steuerpflicht eingeholt. Wenn der Arbeitgeber – wie hier – sich auf die Anrufungsauskunft gemäß § 42 e EStG verläßt und danach – wie geschehen – die Abfindung in vollem Umfang der Lohnsteuer unterwirft, so hat er die Lohnsteuer auch dann vorschriftsmäßig einbehalten, wenn die Auskunft unrichtig war (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 42 e Anm. 8 a; Horowski/Altehoefer, Kommentar zum Lohnsteuerrecht, Stand August 1989, § 42 e EStG Anm. 10 b; Littmann/Grube, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 42 e EStG Rz 8).

Allerdings ist umstritten, ob nur derjenige an die Anrufungsauskunft gebunden ist, der sie eingeholt hat. Diese Frage erübrigt sich hier, weil nicht nur der Beklagte, sondern auch die Klägerin über ihren Steuerberater eine entsprechende Auskunft eingeholt und eine gleichlautende Antwort erhalten hat (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 42 e Anm. 8 b).

Zwar macht die Klägerin geltend, der Beklagte könne sich auf die Auskunft des Finanzamts nicht stützen, weil er dem Finanzamt den Sachverhalt nicht richtig dargestellt habe. Ob das zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Mit diesem Einwand kann die Klägerin schon deswegen keinen Erfolg haben, weil sie ebenfalls eine Auskunft zur gleichen Streitfrage vom Finanzamt erbeten hat. Insoweit war es ihr unbenommen, den Vorgang aus ihrer Sicht darzustellen, und das Finanzamt mußte dann von Amts wegen ermitteln und aufklären, welcher Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde zu legen ist.

Dem Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, entsprechend Sozialversicherungsbeiträge abgeführt zu haben, denn mit der vom Finanzamt gemäß § 42 e EStG mitgeteilten Steuerpflicht war die Abfindung nach § 1 der Arbeitsentgeltverordnung vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I S. 1644) in der Fassung vom 19. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2657) nicht von der Sozialversicherungspflicht befreit. Nur soweit Lohnsteuerfreiheit im Rahmen des § 3 Nr. 9 EStG bis zur Höhe von 24.000,– DM besteht, ist die Abfindung auch beitragsfrei. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28. April 1987 – 12 RK 50/85 – Sozialrecht Nr. 36 zu 2200 § 180 RVO, S. 143, 144).

Die darüber hinaus von der Klägerin erhobenen Feststellungsklagen hat die Vorinstanz zu Recht für unzulässig gehalten, denn die Klägerin begehrt insoweit – wie § 256 ZPO verlangt – gar nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, sondern will Elemente einer steuerrechtlichen bzw. sozialversicherungsrechtlichen Vortrage durch die Gerichte für Arbeitssachen aufklären lassen. Die Klägerin will damit nur klären lassen, ob die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG gegeben sind oder nicht, worüber letzten Endes das Finanzamt zu entscheiden hat. Es geht insoweit allein um die für die Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG erhebliche Frage, ob das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin auf Veranlassung des Beklagten beendet worden ist oder nicht. Darüber hatte ausschließlich das Finanzamt selbst zu entscheiden.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Olderog, Dr. Peifer, Dr. Hirt, Wengeler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1015704

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