Rz. 44

A-8.3 AVB D&O sieht vor, dass dann, wenn eine versicherte Person auf einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten oder auf ein zu dessen Sicherung dienendes Recht verzichtet, der Versicherer dem Versicherten gegenüber nur insoweit verpflichtet bleibt, als dieser Person nachweist, dass die Verfolgung des Anspruchs ergebnislos geblieben wäre. Dies kann indes nur insoweit gelten als dass die Realisierung des Anspruchs Ansprüche außerhalb des Quotenvorrechts umfasst, also der Versicherer aus einem übergegangenen Recht hätte regressieren können. A-8.3 AVB D&O wiederholt im Wesentlichen die Regelung in § 86 Abs. 2 VVG, wonach der Versicherungsnehmer die Obliegenheit trifft, den Ersatzanspruch zu wahren. In § 86 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VVG sind Rechtfolgen für die Verletzung der Obliegenheit angeordnet, nämlich Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Verletzung und die Kürzung, sofern nur grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Der Versicherungsnehmer bzw. Versicherte kann bei § 86 Abs. 2 VVG nach Satz 4 den Kausalitätsgegenbeweis führen,[1] etwa in dem er beweist, dass der Ersatzanspruch wertlos gewesen ist. A-8.3 AVB D&O sieht keine Rechtfolgen vor, damit bleiben Verstöße gegen A-8.3 AVB D&O sanktionslos, es gelten aber die Bestimmungen des § 86 Abs. 2 VVG, der auch für den Versicherten – nicht nur für den Versicherungsnehmer – gilt. Dies folgt aus § 47 Abs. 1 VVG, der bei der Versicherung auf fremde Rechnung auch auf das Verhalten des Versicherten abstellt.

 

Rz. 45

 

Beispiel: "Der mithaftende Steuerberater"

Einem Geschäftsführer wird vorgeworfen, er habe die Steuererklärung nicht rechtzeitig abgegeben, weshalb das Finanzamt Schätzungsbescheide erließ. Die Erklärungen wurden nicht abgegeben, weil der Jahresabschluss nicht fertig erstellt war. Der Geschäftsführer hatte einen Steuerberater beauftragt, der nicht "hinterherkam". Der Geschäftsführer, so die Gesellschafterversammlung hätte dem Steuerberater früher das Mandat entziehen müssen. Am Ende werden alle Erklärungen nachgeholt. Durch Säumniszuschläge und zusätzliche Kosten ist ein Schaden von 20.000 EUR entstanden. Der D&O-Versicherer reguliert für den Geschäftsführer den Schaden und will sich beim Steuerberater, der als Gesamtschuldner ebenfalls gegenüber der Gesellschaft haftet, den Betrag "wiederholen". Dieser wendet ein, der Geschäftsführer habe ihn von seiner Haftung freigestellt, wenn er nur "schnell" alle Unterlagen herausgebe, damit ein neuer Steuerberater tätig werden könne. Der Steuerberater meint, er hafte deshalb nicht. Dieser Verzicht auf eine etwaige Haftung könnte einen Verstoß gegen die in § 86 Abs. 2 VVG verankerte Obliegenheit bedeuten, Ersatzansprüche zu wahren. Bei Vorsatz des Geschäftsführers, was voraussetzt, dass dieser im Bewusstsein der Verhaltensnorm handelte, wäre der Versicherer vollständig leistungsfrei. Dem Geschäftsführer wird es in dem vorgenannten Beispiel allerdings darum gegangen sein, an die Unterlagen zu gelangen, um möglichst schnell den Jahresabschluss erstellen und die Steuererklärungen fertigen zu lassen. Er wird nicht das Bewusstsein gehabt haben, einen erst künftig auf den Versicherer übergehenden Regressanspruch auszuschließen. In Betracht käme daher nur eine grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheit, dann könnte der Versicherer die Versicherungsleistung kürzen. Da indes der versicherungsrechtliche Deckungsanspruch erst konkret für den Versicherungsfall entsteht, wenn die Gesellschafterversammlung beschließt, den Geschäftsführer in die Haftung zu nehmen, wäre es auch zu weitgehend, bereits im Vorfeld von einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit, Ersatzansprüche zu wahren, auszugehen. An diese musste der Geschäftsführer nicht denken. Die nur einfach fahrlässige Verletzung der Obliegenheit Regressansprüche zu wahren, bleibt folgenlos.

[1] Siehe zur Beweislastverteilung auch Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, § 86 VVG Rn. 82 f.

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