Rz. 61

A-6.5 AVB D&O regelt den Selbstbehalt. In der Praxis werden Policen mit und ohne Selbstbehalt angeboten. Bei der AG ist bei der Versicherung der Vorstandsmitglieder ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen (93 Abs. 2 Satz 2 AktG). Für diesen Selbstbehalt kann das betreffende Vorstandsmitglied dann ggf. wieder eine Einzeldeckung abschließen (siehe dazu unten D I). Auf Abwehrkosten, so regelt dies die Klausel, fällt kein Selbstbehalt an (siehe A-6.5 AVB D&O letzter Spiegelstrich). Damit gilt der Selbstbehalt nur bei der Freistellung. Für den obligatorischen Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG ist zu prüfen, ob dieser Selbstbehalt sich nur auf die Freistellung beziehen darf. Dafür spricht der Wortlaut, weil man unter "Schaden" nur den Schaden verstehen könnte, von dem das Organmitglied freizustellen ist. Das Vorstandsmitglied muss mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds selbst tragen. Die Abwehrkosten werden zudem im Fall der erfolgreichen Abwehr in gesetzlicher Höhe erstattet, belasten also das Organmitglied nicht unbedingt in jedem Fall. Es ist zum Zeitpunkt der Abwehr noch ungewiss, ob sich am Ende ein begründeter Haftungsanspruch ergibt. Nur von diesem soll das Vorstandsmitglied einen Eigenanteil tragen.

 

Rz. 62

Sofern die Bedingungen einen Selbstbehalt festlegen, aber nicht ausdrücklich anordnen, dass dieser auch für Abwehrkosten gilt, wird zu Recht vertreten, dass dieser dann für die Rechtsschutzkosten nicht gilt.[1] Soweit ein Selbstbehalt für die Abwehrkosten ausdrücklich vereinbart ist, muss diesen der Versicherte nicht vorleisten, also von der ersten Anwaltsrechnung den entsprechenden Anteil übernehmen, es sei denn dies ist so vereinbart.[2] Auch kann der Selbstbehalt bereits durch Kosten erbracht worden sein, die der Versicherte schon vor Erteilung der Deckungszusage seinerseits aufgewandt hat.[3]

 

Rz. 63

Ein Selbstbehalt führt zur Reduzierung der Prämie und hat einen verhaltenssteuernden Effekt. Zu Recht wird angeführt, dass aber auch eine D&O-Versicherung ohne Selbstbehalt keine "Vollkasko-Versicherung" sei.[4] Der D&O-Versicherer gewährt in der Praxis – falls er sich nicht sogleich auf einen Ausschluss beruft - zunächst nur Abwehrdeckung und lässt es häufig auf einen Rechtsstreit ankommen, so dass das Organmitglied wegen der bestehenden Ungewissheit in erhebliche Unruhe versetzt wird. Auch muss das Organmitglied stets befürchten, dass ihm in jeder Phase des Verfahrens, vor allem wenn ihm aus Sicht des Versicherers eine wissentliche Pflichtverletzung anzulasten ist, die Deckung versagt wird.[5] Für den Versicherten ist es nicht vorhersehbar, ob der Versicherungsschutz am Ende tatsächlich greift.[6] Das Organmitglied sieht sich ggf. mit einem jahrelangen Rechtsstreit konfrontiert, womit Ansehens- und Reputationsverluste verbunden sein können. Auch der Erwerb einer adäquaten Anschlussbeschäftigung gestaltet sich bei einem Ausscheiden nach einem Haftungsfall häufig gepaart mit einer fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrags schwierig.

 

Rz. 64

Die Selbstbeteiligung wird vom erststelligen Schadensbetrag in Abzug gebracht. Überschreitet der Schaden die Selbstbeteiligung nicht, gibt es keine Leistung des Versicherers. Beträgt der Schaden z.B. 4.000 EUR, ist aber eine Selbstbeteiligung von 5.000 EUR vereinbart, kann der Versicherte keine Leistung beanspruchen. Überschreitet der Schaden die Versicherungssumme und/oder die Jahreshöchstleistung wird darüber auf den Schaden nicht geleistet, der Selbstbehalt kommt gleich wohl zum Tragen, da er bereits an den erststelligen Schaden angerechnet wird.

[1] H.M., siehe Lange D&O-Versicherung § 16 Rn. 8 m.w.N.
[2] Lange D&O-Versicherung § 16 Rn. 8,
[3] Lange D&O-Versicherung § 16 Rn. 8.
[4] Thomas Haftungsfreistellung S. 189 f.
[5] Thomas Haftungsfreistellung S. 190.
[6] Thomas Haftungsfreistellung S. 2.

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