Rz. 10

Sowohl die Organpersonen als auch die Gesellschaft werden in der Praxis daran interessiert sein, dass auch Schadensfälle versichert werden, die auf Pflichtverletzungen der Organmitglieder beruhen, die bereits vorvertraglich begangen wurden oder dort ihren Anfang genommen haben. Wird materiell Versicherungsschutz gewährt, der vor dem formellen Vertragsbeginn des D&O-Versicherungsvertrags liegt, spricht man von Rückwärtsversicherung. Das Gesetz trifft hierfür in § 2 VVG Regelungen. Es definiert die Rückwärtsversicherung wie folgt:

Der Versicherungsvertrag kann vorsehen, dass der Versicherungsschutz vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses beginnt (Rückwärtsversicherung).

 

Rz. 11

§ 2 Abs. 2 VVG legt fest, dass dann, wenn der Versicherungsnehmer bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis hat, dass ein Versicherungsfall schon eingetreten ist, der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist. Wird erstmals ein D&O-Versicherungsvertrag abgeschlossen, bieten viele Versicherer ggf. gegen eine gesonderte Prämie eine Rückwärtsversicherung an. Fehlt eine Rückwärtsversicherung sind nur Pflichtverletzungen, die der Geschäftsführer nach Vertragsabschluss begangen hat, versichert. Bei den Deckungskonzepten gibt es Fassungen, die die Rückwärtsversicherung nur bei Kenntnis der Pflichtverletzungen ausschließen, andere lassen den Versicherungsschutz schon bei fahrlässiger Unkenntnis der Pflichtverletzung entfallen. Zur Frage, ob eine Rückwärtsdeckung zu Lasten aller Versicherten entfällt, wenn nur ein Versicherte oder nur die Versicherungsnehmerin Kenntnis hatte, siehe die Ausführungen bei A-8 AVB D&O II.

Statt des Datums des Vertragsschlusses wird in der Praxis auch ein sog. Kontinuitätsdatum vereinbart und dieses im Versicherungsschein dokumentiert. Dann wird ein Streit über die Frage vermieden, wann, also zu welchem Zeitpunkt der Vertrag formell wirksam geschlossen wurde. Der Ausschluss von Ansprüchen vom Versicherungsschutz, die auf bekannten (oder erkennbaren) Pflichtverletzungen vor dem Kontinuitätsdatum beruhen, wird in der Vertragspraxis dadurch erreicht, dass entweder hierfür ein gesonderter Ausschluss vereinbart wird oder indem bei der Vereinbarung zur Rückwärtsversicherung die entsprechende Einschränkung aufgenommen wird.

 

Rz. 12

Die Rückwärtsversicherung wird wie erwähnt für Pflichtverletzungen ausgeschlossen, die bekannt gewesen sind oder die hätten bekannt sein müssen. Hierbei nehmen wie erwähnt weitgehende Deckungskonzepte nur Pflichtverletzungen von der Deckung aus, die bekannt sind, während weniger weitgehende Bedingungen auch Pflichtverletzungen ausschließen, die hätten bekannt sein müssen.[1] Abgestellt wird hierbei auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers, seiner Repräsentanten bzw. der versicherten Personen, die den Verstoß begangen haben oder die die Vertragsverhandlungen bei Abschluss des D&O-Versicherungsvertrags geführt haben.[2] Ausgenommen werden hierbei zudem nicht nur bekannte Pflichtverletzungen, sondern auch bereits bekannte Verfahren, bei denen sich ggf. erst am Ende ergibt, dass auch eine Pflichtverletzung vorgelegen hat. Zu Recht wird geltend gemacht, dass der Ausschluss von Pflichtverletzungen, die zwar nicht bekannt waren, jedoch hätten bekannt sein müssen, bei denen also eine fahrlässige Unkenntnis schadet, den Anwendungsbereich der Rückwärtsversicherung zu sehr verengen, weshalb solche Klauseln unwirksam sein dürften,[3] wobei diese dann aber wegen der Rückwärtsversicherung für bekannte Pflichtverletzungen aufrechtzuerhalten wären – was zulässig ist, da der Passus "soweit diese hätten bekannt sein müssen" gestrichen werden kann und noch eine sinnvolle Klausel verbleibt. Einzuräumen ist allerdings, dass die Gewährung der Rückwärtsversicherung den Versicherungsschutz erweitert, was grundsätzlich unter Ausschluss von Pflichtverletzungen geschehen kann, die hätten bekannt sein müssen. Allerdings kann nach diesseitiger Auffassung nicht auf die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen der Versicherungsnehmerin oder Mitversicherten, sondern nur der betreffenden Organperson abgestellt werden, die in Anspruch genommen werden sollen. Insofern ist auch die Klausel in A-5.2 AVB D&O zu weit gefasst, bei der nur die Kenntnis schadet.

 

Rz. 13

 
Praxis-Beispiel

Beispiel für eine Klausel zum Ausschluss bekannter Pflichtverletzungen:

„Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Ansprüche wegen bekannter Pflichtverletzungen und Verfahren wegen oder aufgrund von Pflichtverletzungen,

  • die einem Repräsentanten der Versicherungsnehmerin, den in Anspruch genommenen Versicherten oder den mit der Verhandlung und Vereinbarung dieses Versicherungsvertrages befassten Personen zu Beginn des Vertrages oder dem gegebenenfalls im Versicherungsschein festgelegten Kontinuitätsdatum bekannt war oder
  • die bereits unter einem anderen Versicherungsvertrag oder einer früheren Versicherungsperiode dieses Vertrages gemeldet wurden.
  • Nicht versichert sind des weiteren Ansprüche wegen oder aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Verfahr...

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