Rz. 11

Hat der Versicherte den Anspruch des Geschädigten anerkannt oder hat sich der Versicherte mit dem Geschädigten über den Anspruch verglichen, dann hat der Versicherte einen Direktanspruch gegen den Versicherer auf Freistellung von der Verbindlichkeit oder wenn er bereits an den Geschädigten bezahlt hat, auch auf Erstattung der geleisteten Zahlung. Es kommt dann aber darauf an, ob der Anspruch des Geschädigten berechtigt bestand.[1] A-6.1 Satz 2 AVB D&O führt aus, dass Anerkenntnisse und Vergleiche, die von den versicherten Personen ohne Zustimmung des Versicherers abgegeben oder geschlossen worden sind, den Versicherer nur binden, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis oder Vergleich bestanden hätte.

 

Rz. 12

Diese AVB-Regelung ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung in § 105 VVG wie folgt zu bewerten: Danach ist eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt, unwirksam. Dies gilt gleichermaßen auch dann, wenn der Versicherte anstelle der Versicherungsnehmerin handelt. Dieser soll berechtigte Ansprüche auch ohne Zustimmung des Versicherers anerkennen und erfüllen bzw. sich über diese vergleichen dürfen. A-6.1 Satz 2 AVB D&O regelt zwar nur Anerkenntnisse oder Vergleiche nicht aber die Befriedigung. Dass diese der Versicherer indes nicht verbieten darf, folgt bereits aus § 105 VVG. Auch die nicht mit dem Versicherer abgestimmte Befriedigung bindet den Versicherer, aber nur entsprechend der materiellen Rechtlage.[2] § 105 VVG enthält indes keine Vergleiche, allerdings stehen Vergleiche insoweit einem Teilanerkenntnis von der Wirkung her gleich. Nur im Bereich des Großrisikos könnte der D&O-Versicherer einem Haftungsvergleich von seiner Zustimmung abhängig machen.[3]

 

Rz. 13

Der Versicherte trägt aber bei einem Anerkenntnis, Vergleich oder einer Befriedigungszahlung das Risiko, dass der Anspruch tatsächlich dem Grunde und der Höhe nach nicht berechtigt war. Der Versicherte muss grundsätzlich beweisen, dass der Haftungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach besteht bzw. bestand sowie dass hierfür Versicherungsschutz besteht; Haftung und Deckung sind in einem Prozess zu klären.[4] Hierbei kann der Geschädigte aber als Zeuge benannt werden. Statt eines Vergleichs oder Anerkenntnisses kann der Versicherte, wenn sich der Geschädigte darauf einlässt, auch den Weg der Abtretung seines Freistellungsanspruch an den Geschädigten wählen. Dann kann der Geschädigte unmittelbar aus diesem Freistellungsanspruch, der sich durch die Abtretung an den Geschädigten in einen Zahlungsanspruch wandelt, den Versicherer auf Zahlung verklagen (siehe dazu die Ausführungen bei A-9 AVB D&O).

 

Rz. 14

Allerdings bleibt es dabei, dass die materielle Rechtslage grundsätzlich maßgeblich ist, wobei sich allerdings aus der Zeugenstellung des Versicherten für den Geschädigten prozessuale Vorteile ergeben können. Schwierig wird es, wenn die Rechtslage strittig ist, dann sollte ein rechtlich gut vertretbarer Vergleich bzw. ein Anerkenntnis den Versicherer gleichwohl binden, wobei bei strittiger Rechtslage nur ein Teilanerkenntnis rechtlich vertretbar sein dürfte.

 

Rz. 15

 

Beispiel: "Regressierbarkeit von Geldbußen"

Der Geschäftsführer soll infolge fehlerhafter Aufsicht Kartellabsprachen von Vertriebsmitarbeitern nicht erkannt und verhindert haben. Es kommt nach einem langen Verfahren zu einer Kartellbuße gegenüber der GmbH. Derzeit ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob und in welcher Höhe eine GmbH wegen der von ihr gezahlten Geldbuße beim Geschäftsführer Rückgriff nehmen kann (siehe dazu die Ausführungen unter A-7 XIV 6 b). Daher einigen sich Geschäftsführer und GmbH in einem Vergleich darauf, dass der Geschäftsführer 50 % des Ahnungsanteils der Geldbuße der GmbH erstattet. Da dieses Ergebnis die streitige Rechtslage gut vertretbar berücksichtigt, sollte dieser Vergleich auch den Versicherer binden. In der Praxis wird der Versicherer dies ggf. abweichend beurteilen. Dann müsste der Geschäftsführer auf Freistellung oder sofern er den Vergleich bereits erfüllt hat auf Zahlung gegen den Versicherer klagen. Wie das Gericht über diese Klage entscheidet, ist fraglich, da es soweit ersichtlich an einer höchstrichterlichen Entscheidung fehlt.

[1] Rust r+s 2022, 481, 483.
[2] Bruck/Möller/Armbrüster A-6 AVB D&O Rn. 35; Rust r+s 2022, 481, 483.
[3] Fritz Organhaftungsvergleich S. 252, sofern es sich um eine Individualabrede handelt.
[4] Bruck/Möller//Armbrüster A-6 AVB D&O Rn. 34.

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