Rz. 13

Eine Person kann wie ein Organ handeln, obwohl diese Stellung formal korrekt nicht oder nicht mehr besteht bzw. ggf. niemals bestand. Unterschieden werden kann zwischen den Fällen, wo es immerhin einen Bestellungsakt gab, der jedoch fehlerhaft war oder wo die Wirkung des Bestellungsaktes z.B. durch Befristung weggefallen ist und den Konstellationen, in denen Personen faktisch wie Organe agieren, hierzu aber nie auch nicht fehlerhaft bestellt worden sind.

 

Rz. 14

In der Praxis kommt es gelegentlich zu fehlerhaften Bestellungen von Organpersonen, z.B. von Vorständen, weil der Aufsichtsrat fehlerhaft besetzt ist, oder weil sich der Aufsichtsrat aus Mitgliedern zusammensetzt, deren Amtszeit längst abgelaufen ist. Auch kommt es vor, dass selbst Leitungsmitglieder wie Vorstände oder Geschäftsführer, deren Dienstzeit verstrichen ist, weshalb ihre Organstellung automatisch endet, weiter ihr Amt ausüben, obwohl sie gerade dieses durch Zeitablauf verloren haben. In solchen Fällen kann man von einer faktischen bzw. fehlerhaften Organtätigkeit sprechen. Die Einzelheiten sind noch nicht völlig geklärt. Handelt ein Vorstand oder ein Geschäftsführer obwohl er seines Amtes verlustig gegangen ist, so sind Dritte ggf. über § 15 HGB bzw. nach den Grundsätzen der Rechtsscheinshaftung geschützt. Zudem wird heute überwiegend vertreten, dass das Handeln des Vorstands bzw. Geschäftsführers so lange wirksam ist, bis der Mangel geltend gemacht wird[1]. Für den Versicherungsschutz muss es – in den Fällen in denen eine Organstellung zumindest einmal wirksam bestand oder in denen zumindest das formell richtige Bestellungsorgan gehandelt hat - grundsätzlich darauf ankommen, ob das Organhandeln eine Organhaftung auslöst.[2] Deshalb genießt auch das abberufene Organ noch Versicherungsschutz, das seine Tätigkeit fortsetzt, obwohl ein Abberufungsbeschluss gefasst wurde, wenn über deren Wirksamkeit gestritten wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Bedingungen des Versicherers ausdrücklich die Fälle der fehlerhaften Bestellung bzw. des Amtierens trotz Beendigung der Organstellung ausschließen. Dies ist aber bei den Musterbedingungen nicht der Fall. Deshalb bestünde z.B. Versicherungsschutz, wenn die Gesellschafterversammlung die Abberufung beschlossen hat, der Beschluss jedoch Gegenstand einer Anfechtungs- bzw. bzw. Nichtigkeitsklage und/oder Beschlussfeststellungsklage ist, sofern der Geschäftsführer weiter – ggf. auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung - amtiert. Dies gilt unabhängig davon, ob der Beschluss von einem Versammlungsleiter förmlich festgestellt wurde und welches Beschlussergebnis festgestellt wurde. Oft entscheidet sich erst nach jahrelangem Prozess, ob eine Abberufung wirksam ist. Amtiert der Geschäftsführer einstweilen weiter und stellt das Gericht fest, dass die Abberufung wirksam ist, hätte er das Amt ausgeübt, ohne dass er die Organstellung innehatte. Gleichwohl war er in dieser Zeit faktischer Geschäftsführer mit entsprechendem Versicherungsschutz. Dies gilt erst recht, wenn eine einstweilige Verfügung die Amtstätigkeit vorläufig ermöglicht, auch wenn diese einstweilige Verfügung später aufgehoben wird. Umgekehrt darf ein abberufener Geschäftsführer nicht mehr handeln, wenn ihm dies eine einstweilige Verfügung verbietet. Hier würde sein Handeln gegen die einstweilige Verfügung verstoßen, er würde vorsätzlich eine Tätigkeit ausüben, die ihm verboten ist. Dadurch könnte er unter Umständen auch vorsätzlich den Schaden herbeiführen oder zumindest seine Pflichten wissentlich verletzen. Seine Pflichten gehen dahin, sich gerade jeglicher Amtstätigkeit zu enthalten. Bei der GmbH ist sehr problematisch, wann bzw. unter welchen Umständen der Geschäftsführer sein Amt verliert.[3] Hier gibt es Unterschiede, je nachdem, ob ein Fremdgeschäftsführer oder ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit oder ohne Sonderrecht auf die Geschäftsführung amtiert. Auch gibt es Besonderheiten bei der Zweipersonengesellschaft, bei der die materielle Rechtslage entscheidend ist, die bei Streit der Parteien sich ggf. erst rechtkräftig am Ende des Instanzenzugs klärt.[4] Dann kann über Jahre ein Schwebezustand bestehen und ein Geschäftsführer – ggf. gestützt auf eine vorläufig geltende einstweilige Verfügung - faktisch agieren, bis am Ende rechtskräftig entschieden wird, dass seine Abberufung dann von Anfang wirksam oder unwirksam war. Umgekehrt hätte ein Geschäftsführer seine Stellung nie verloren, wenn am Ende eine Anfechtungsklage gegen den Abberufungsbeschluss erfolgreich ist.

 

Rz. 15

Als faktisches Organ kann auch gelten, wer ohne dazu formell bestellt zu sein, als solches handelt. Bei der GmbH ist der faktische Geschäftsführer häufig Gegenstand der Rechtsprechung.[5] Danach kann faktischer Geschäftsführer sein, wer eine überragende und beherrschende Einflussnahme auf die Geschäftsführung ausübt, wobei es nicht erforderlich, dass diese aus seiner Position völlig verdrängt wird. Der faktische Geschäftsführer hat dann die Pflichten wie ein ...

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