Rz. 53

Bei mehreren versicherten Personen, die in der Haftung stehen, muss bei allen Personen der Ausschluss bejaht werden können, damit der Versicherer leistungsfrei ist. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass jeder Versicherte seinen eigenen Vertrag zu seinen Gunsten unterhält und innerhalb dieses Vertrags nur das Wissen und Verhalten des Versicherten und ggf. seiner Wissensvertreter und Repräsentanten zugerechnet wird. Eine Zurechnung von Wissen und Verhalten anderer Versicherter oder der Versicherungsnehmerin erfolgt nicht. Dies ist im Grundsatz und auch in den Einzelheiten umstritten, siehe dazu die Ausführungen unten bei A-8 AVB D&O II. In der Praxis wird dieses Ergebnis durch die Vereinbarung von sog. einfachen Severability-Klauseln ausgedrückt.[1] Eine solche Klausel, wonach Verhalten anderer Organmitglieder nicht zugerechnet wird, ist in A-7.1 Satz 2 AVB D&O enthalten:

"Den versicherten Personen werden die Handlungen und Unterlassungen nicht zugerechnet, die von anderen Organmitgliedern begangen wurden."

Diese Klausel betrifft nur die Verhaltenszurechnung zwischen den Versicherten, nicht von dem Versicherten zur Versicherungsnehmerin.

 

Rz. 54

Es fällt zudem auf, dass nur vom Verhalten, nicht vom Wissen die Rede ist. Die Wissenszurechnung wird nicht geregelt. Auch werden sonstige Mitarbeiter unterhalb der Organpersonen wie leitende Angestellte nicht erwähnt. Eine solche Klausel, die auch diese Personen einbezieht könnte wie folgt lauten:

"Einer versicherten Person wird die Begehung einer wissentlichen Pflichtverletzung nicht angelastet, die ohne ihr Wissen von anderen versicherten oder nicht versicherten Personen der Versicherungsnehmerin oder der versicherten Unternehmen begangen wurden."

 

Rz. 55

Handelt z.B. der Geschäftsführer wissentlich, weiß der Aufsichtsrat davon aber nichts, so verliert nur der Geschäftsführer seine Versicherungsdeckung, jedoch nicht die Mitglieder des Aufsichtsrats, wenn sie ihre Kontrollpflichten nicht wissentlich verletzt haben. Das vorbezeichnete Ergebnis würde wohl auch ohne derartige Regelungen gelten, da der Ansicht zu folgen ist, die subjektive Risikoausschlüsse des Versicherten nicht dem Versicherungsnehmer oder anderen Versicherten zurechnet[2] (siehe dazu unten bei A-8 AVB D&O II). Daher sind solche Klauseln deklaratorischer Natur.[3]

[1] Zu qualifizierten Severability-Klauseln, die auch eine Anfechtung oder einen Rücktritt zu Lasten redlicher Versicherter bzw. generell die Auswirkungen der Leistungsfreiheit zu Lasten redlicher Versicherter ausschließen sollen, siehe unten bei B3-1´AVB D&O III. Vermutlich wurde Begriff "Severability" gewählt, weil der Versicherungsschutz "gerettet" werden soll.
[2] BGH 15.12.1970 – VI ZR 97/69, VersR 1971, 239 unter II 3: "Dem Gesetz ist aber nichts dafür zu entnehmen, dass bei vorsätzlichem Handeln eines Mitversicherten auch der Anspruch des nur fahrlässig handelnden VN auf Befreiung von den gegen ihn erhobenen Haftpflichtansprüchen beeinträchtigt werden soll."
[3] Armbrüster FS Windbichler 2020, 473, 489.

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