Rz. 10

Auf der Grundlage eines jeweils zu Gunsten des betroffenen Versicherten einzeln bestehenden Versicherungsvertrags ist zu beurteilen, wie sich Verhaltensweisen und die Kenntnis bzw. das Wissen anderer Versicherter bzw. der Versicherungsnehmerin auf den Direktanspruch bzw. den Bestand des Versicherungsschutzes auswirken.

 

Rz. 11

Die Parteien wollten bei der D&O-Versicherung gerade Verträge zu Gunsten Dritter schaffen, deren Bestand nicht an das Verhalten und die Kenntnis der Versicherungsnehmerin geknüpft ist. Daher schlägt selbst eine Anfechtung wegen Arglistanfechtung gemäß § 123 BGB nicht durch.[1] Eine Gesamtwirkung der Anfechtung tritt gerade nicht ein.[2] Ließe man diese zu, würde dies zur Nichtigkeit des Versicherungsvertrags führen. Grundsätzlich kann die Anfechtung wegen Arglist nicht ausgeschlossen werden, wenn der Vertragspartner oder jemand der nicht Dritter ist, getäuscht hat.[3] Bei der reinen Fremdversicherung ist hiervon jedoch eine Ausnahme zu machen. Insofern ist eine etwaige Täuschung bei Antragstellung gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB durch einen Dritten begangen worden, weshalb sich eine Anfechtung im Verhältnis zum redlichen Versicherten für seinen Vertrag nicht auswirkt. Dieser eigene Vertrag, der zeitgleich mit dem Vertrag mit dem Versicherungsnehmer abgeschlossen wurde, wäre nur dann anfechtbar, wenn der Versicherte die Täuschung kannte oder kennen musste. Insofern kann dann doch ausnahmsweise der Vertragspartner selbst Dritter sein, jedenfalls wenn er eine Fremdversicherung abschließt – wobei der Baustein zur Eigenschadenklausel nicht schadet. Sofern es um diesen geht kann dieser Vertrag angefochten werden, ob es sich um eine Teilanfechtung handelt oder ob mehrere Verträge vorliegen, kann letztlich offenbleiben. Sofern es den Versicherten noch gar nicht gibt, weil dieser erst später als Organ eintritt, gelten die vorgenannten Überlegungen erst Recht. Dieser rückt durch seinen Eintritt in die Organstellung in einen zu seinen Gunsten bereits vorbereiteten Vertrag ein – ggf. ohne dies in diesem Moment schon zu wissen (zu der Arglistanfechtung und den Auswirkungen siehe die Ausführungen unten bei B3-1 AVB D&O II, III).

 

Rz. 12

Zunächst spricht § 47 Abs. 1 VVG für eine schrankenlose Zurechnung von Wissen und Verhalten des Versicherten zu Lasten der Versicherungsnehmerin. Dort heißt es, dass soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten zu berücksichtigen sind. Hat nun ein Versicherter bei der Antragstellung getäuscht, könnte man dies der Gesellschaft über § 47 Abs. 1 VVG zurechnen, sodass der Versicherer über die Arglistanfechtung eine Nichtigkeit des Versicherungsvertrag erreichen könnte und der Versicherungsschutz für alle Versicherten entfiele. Dieser Betrachtung ist indes nicht zu folgen. § 47 Abs. 1 VVG führt nur zu einer Zurechnung soweit es um die Eigenversicherung der Gesellschaft geht – also in Bezug auf die Company Reimbursement Klausel, nicht jedoch für die Fremdversicherung. Hier bleibt es bei der Zurechnung von Verhalten und Wissen des Versicherten und von Repräsentanten und Wissensvertretern des jeweiligen Versicherten.

 

Rz. 13

Würde man der Versicherungsnehmerin auch die Kenntnis des Versicherten zurechnen, hätte dies bei der Rückwärtsversicherung den Effekt, dass die Gesellschaft Kenntnis von der Pflichtverletzung des Organmitglieds hätte, der diese begangen hätte. Dann lägen die Voraussetzungen der Rückwärtsversicherung gemäß § 2 Abs. 2 VVG nicht vor und man könnte argumentieren, dass mangels versicherten Zeitraums auch ein anderes Organmitglied, dass ebenfalls pflichtwidrig handelte, aber dem nur Fahrlässigkeit vorgeworfen wird, etwa ein fahrlässiger Überwachungsverstoß ebenfalls keinen Versicherungsschutz hätte, weil durch die Kenntniszurechnung insgesamt der Versicherungsschutz für alle Betroffenen entfällt.[4]

 

Rz. 14

So wird differenziert, zwischen einer Obliegenheitsverletzung, die an ein Verhalten anknüpft und die nur der betreffenden Person schadet (siehe dazu sogleich unter III) und der Wissenszurechnung über Wissensvertreter oder Repräsentanten, die auch bei der Fremdversicherung mit nachteiligen Auswirkungen auf die versicherte Person stattfindet.[5] Anders als bei einer Obliegenheit käme es bei der Zurechnung von Wissen nicht auf ein Verschulden an.[6] Vorzugswürdig ist jedoch, weder Verhalten noch Wissen zu Lasten des Versicherten zuzurechnen, eine Ausnahme sind nur seine eigenen Wissensvertreter oder Repräsentanten. § 47 VVG passt auf die vorbezeichnete Situation der D&O-Versicherung nur mit der Maßgabe, dass grundsätzlich nur die Kenntnis oder das Verhalten des Versicherten für dessen eigenen Versicherungsschutz, also für die Fremdversicherung von Bedeutung sind. Dann wäre etwa auch eine Anfechtung gegenüber dem Vertragspartner unter Berufung auf die Arglist des Versicherten statthaft, die dann zur Nichtigkeit des zu Lasten ...

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