Rz. 39

Ob die Deckung auch Ersatzansprüche der GmbH aus § 15 b Abs. 4 InsO (bis zum 31.12.2020 § 64 Satz 1 GmbHG) umfasst ist umstritten.[1] Der BGH hat dies mit Urteil vom 18.11.2020 bejaht.[2] Die Diskussion wird bei der GmbH wegen des Anspruchs aus § 64 Satz 1 GmbHG geführt, die Frage stellt sich aber auch gleichfalls für die AG (§ 92 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG) oder die Genossenschaft (§ 99 GenG) bzw. seit dem 1.1.2021 bei dem für alle Rechtsformen geltenden § 15b Abs. 4 InsO. Gegen eine Erstreckung des Versicherungsschutzes wird eingewandt, dass es sich nicht um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch handele, sondern um einen gesellschaftsrechtlichen Anspruch eigener Art, also sui generis.[3] Hierbei wird auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Bezug genommen, der mehrmals den Ersatzanspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG als solcher eigener Art bezeichnet hat.[4] Diese gesellschaftsrechtliche Einordung ist indes, was auch das OLG Düsseldorf herausstellt, für die versicherungsrechtliche Einordnung nicht zwingend. Vielmehr kommt es darauf an, was eine Auslegung der jeweiligen Versicherungsbedingungen aus Sicht des Versicherungsnehmers ergibt, also wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss.[5] Für den betroffenen Personenkreis - die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin und den Geschäftsführer als versicherte Person - sei bei aufmerksamem und verständigem Studium der Versicherungsbedingungen erkennbar, dass nicht in jedem Fall der Inanspruchnahme Versicherungsschutz bestehe und § 64 GmbHG keinen Schadenersatzanspruch bzw. keine Schadenersatzverpflichtung begründe.[6] Diese Vorschrift diene nicht der Kompensation eines Schadens, sondern allein der Rückführung von Zahlungen bei Insolvenzreife, welche zugelassen wurden.[7] Diese Zahlungen seien zu erstatten, ohne dass es bei diesem Anspruch auf den endgültigen Quotenschaden der Gläubiger ankäme. Die Zahlungen sind vom Geschäftsführer zu erstatten, er kann nach Erstattung der Zahlungen deswegen eine Forderung zur Tabelle anmelden und würde in Höhe der Quote eine Erstattung verlangen. Dies sei aber kein Schadenersatzanspruch im Sinne der Differenzhypothese.

 

Rz. 40

Diesem Verständnis ist nicht zu folgen. Der Schaden, der ausgeglichen werden muss, liegt in der Masseschmälerung, das heißt in der Erstattung der zuvor gestatteten bzw. ermöglichten Auszahlungen aus der Insolvenzmasse. In der Wertung des betroffenen Personenkreises, also der organschaftlichen Leitungsmitglieder, aber auch der Gläubiger liegt in den Auszahlungen eine Schädigung der Insolvenzmasse, die der Geschäftsführer auszugleichen hat. Dass er in der Folge selbst zum Gläubiger wird und den erstatteten Schaden zur Tabelle anmelden kann, ändert nichts daran, dass er zuvor einen Schaden ausgleichen muss. Hiervon erhält er einen Betrag in Höhe der Insolvenzquote zurück. Der übersteigende Betrag kommt der Gläubigergesamtheit der GmbH als Insolvenzschuldnerin zugute. Insofern besteht auch der Zweck in einer Kompensation. Der BGH geht vom Wortlaut der Klausel und den erkennbaren Zweck der D&O Versicherung zu Recht davon aus, dass der Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbH-Gesetz (jetzt § 15 b Abs. 4 Insolvenzordnung) als Schadenersatzanspruch im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen sei.[8] Es gäbe keinen Schadensersatzbegriff mit festgelegten eindeutigen Konturen. In der Umgangssprache umschreibe der Ausdruck des Schadensersatzes allgemein den Ausgleich eines erlittenen Nachteils, dementsprechend wird der Versicherungsnehmer bzw. der Versicherte unabhängig davon, wie die einschlägige gesetzliche Haftpflichtbestimmung die Rechtsfolge beschreibt, Versicherungsschutz jedenfalls dann erwarten, wenn der gegen den Versicherten erhobene Anspruch auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Sinne der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadensereignis gerichtet sei.[9] Dass die Rechtsprechung des BGH den Anspruch als Ersatzanspruch eigener Art einordnet, ändere nichts daran, dass es sich um einen Schadenersatzanspruch im Sinne der gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen handele. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer bzw. Versicherte müsse auch keine rechtsdogmatischen Überlegungen beim Bemühen um das Verständnis anstellen.[10] Entscheidend ist, dass der Versicherungsnehmer den Zustand vor Vornahme seiner pflichtwidrigen Zahlung wiederherzustellen hat, unabhängig davon, ob der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern dies zugutekäme. Die Klausel in den Versicherungsbedingungen stelle auch nicht darauf ab, wie bei welcher Person letztendlich der Schaden eingetreten sei. Im Ergebnis entspreche die Einbeziehung von Ansprüchen dem erkennbaren Zweck des Versicherungsvertrags in Form der Absicherung der versicherten Person sowohl im Bereich der Außen- als auch der Innenhaftung.[11]

 

Rz. 41

Die Praxis hatte ohnehin bereits auf die OLG-Rechtsprechung rea...

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