Rz. 27

Die Klausel in A-7.1 AVB D&O differenziert zwischen vorsätzlicher Schadensverursachung und wissentlicher Pflichtverletzung. Es heißt, dass kein Versicherungsschutz "wegen vorsätzlicher Schadenverursachung oder durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung" besteht. Soweit es um die vorsätzliche Verursachung des Schadens geht, ist der Ausschluss deklaratorisch. Dass die vorsätzliche Herbeiführung des Schadens nicht versichert ist, ergibt sich bereits aus § 103 VVG.

 

Beispiel: "Verkauf an einen Freund"

Der Geschäftsführer verkauft ein Fahrzeug aus dem Fuhrpark absichtlich unter Wert an einen Freund. Durch diese Handlung führt der Geschäftsführer der Gesellschaft vorsätzlich einen Schaden zu. Versicherungsschutz scheidet wegen vorsätzlicher Schadensverursachung gemäß § 103 VVG aus. Ist der Vorsatz im Streit könnte allerdings vorläufig Abwehrdeckung bestehen (siehe oben unter II, III). Ebenfalls vorsätzlich ist z.B. die ungesicherte Vergabe eines Kredits von der Mutter- an die Tochtergesellschaft. Erblickt man in der Gewährung ohne Sicherheit die Pflichtverletzung - weil die Gewährung einem Drittvergleich nicht standhält -, dürfte es kaum vermittelbar sein, dass die Sicherheiten "vergessen" wurden, wenn dies auch nicht völlig ausgeschlossen ist.[1]

 

Rz. 28

Zunächst zu den Grundlagen: Das wissentliche Abweichen meint das vorsätzliche Abweichen, wobei allerdings nicht jede Form des Vorsatzes gleichbedeutend mit dem Begriff der "Wissentlichkeit" ist. Der Vorsatz gehört wie die Fahrlässigkeit zu den Formen des Verschuldens. Der Ausschluss in A-7 Nr. 1 AVB D&O will nur Pflichtverletzungen bzw. Handlungen vom Versicherungsschutz ausschließen, die bestimmte subjektive Merkmale erfüllen. Die Pflichtverletzung muss "wissentlich" erfolgen, die Schadensherbeiführung "vorsätzlich". Beide Begriffe sind anders als die Fahrlässigkeit nicht definiert. Das Zivilrecht definiert die Fahrlässigkeit als die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 29

Vorsatz lässt sich definieren als das Wissen und Wollen des maßgeblichen Umstands, das heißt des Tatbestandsmerkmals oder der Tatbestandsmerkmale, auf den bzw. auf die sich der Vorsatz beziehen muss. Der Handelnde handelt vorsätzlich, wenn er den maßgeblichen Umstand vorausgesehen und in seinem Willen aufgenommen hat.[2] Das entsprechende Tatbestandsmerkmal auf das sich der Vorsatz bezieht kann bei einem Ausschluss – je nach Wortlaut – das pflichtwidrig begründende Verhalten und/oder der Schaden sein. Es gibt Bedingungen, die jede vorsätzliche Pflichtverletzung vom Versicherungsschutz ausschließen.

 

Rz. 30

Die wissentliche Pflichtverletzung ist enger als die vorsätzliche Pflichtverletzung gefasst. Die wissentliche Pflichtverletzung erfasst nicht jede Form des Vorsatzes, sondern nur den direkten Vorsatz, nicht jedoch den bedingten Vorsatz. Auch im Zivilrecht kann die im Strafrecht entwickelte Zerlegung der Vorsatzformen in den direkten Vorsatz (dolus directus) ersten und zweiten Grades sowie in den bedingten Vorsatz (sog. dolus eventualis) verwendet werden.

 

Rz. 31

Der direkte Vorsatz ersten Grades ist die Absicht, hier steht also das voluntative Element im Vordergrund. Die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals wird angestrebt, ist also beabsichtigt, es kommt den Handelnden gerade auf dieses Merkmal an. Es liegt eine zielgerichtete Handlung vor, die vom Willen getragen wird. Der Handelnde will also z.B. seine Pflicht verletzen oder bei der vorsätzlichen Schadensherbeiführung - gerade den Schaden verursachen. Hierbei genügt es aber, wenn die Zielerreichung für möglich gehalten wird, das heißt, dass der Wille das Merkmal zu erfüllen stark ist, die Handlung muss aber nicht zum Erfolg führen.

 

Rz. 32

 

Beispiel: "Viren im Netz"

Der Geschäftsführer wurde von der Gesellschafterversammlung angewiesen, keine Emails mit "Trojanern" bzw. "Computerviren" zu öffnen. Der frustrierte Geschäftsführer will, dass sich sein Unternehmen "Viren im Netz einfängt" und öffnet Anhänge von verdächtigen Emails. Die Zielerreichung hält er für möglich. Es geht aber gut, es werden keine gefährlichen Anhänge geöffnet. Wäre dies der Fall gewesen, hätte der Geschäftsführer absichtlich seine Pflicht verletzt. Wird am Ende trotz der Absicht die Pflicht nicht verletzt, bliebe sein absichtliches Verhalten insoweit folgenlos, da er letztendlich die Pflicht zwar verletzen wollte, aber dann doch nicht verletzt hat, weil keinen infizierten Anhang eine E-Mail geöffnet hat. Vergleichbar wäre dies z.B., wenn der Geschäftsführer beabsichtigt mit dem Elektro—Dienstrad die Km-Beschränkung zu überwinden versucht und absichtlich durch die 30 km-Zone "brettert", hierbei die Zielerreichung, das heißt Geschwindigkeitsüberschreitung für möglich hält, am Ende aber nicht verwirklicht. Lautete die Pflicht verdächtige E-Mail-Anhänge nicht zu öffnen, hat der Geschäftsführer hiergegen absichtlich verstoßen. Mangels Sch...

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