Rz. 19

In B3-3.1 c AVB D&O ist vertraglich eine Aufklärungsobliegenheit verankert. Die Erfüllung der Aufklärungsobliegenheit ist für den Versicherer von zentraler Bedeutung. Durch diese wird er in die Lage versetzt den Haftungsfall und die Erfolgsaussichten einer Verteidigung zu prüfen. Genauso wichtig wie die Prüfung des geltend gemachten Ersatzanspruchs ist für den Versicherer die Prüfung seiner Eintrittspflicht. Hier interessiert ihn vor allem, ob ein Risikoausschluss eingreift. Dies ist in der Praxis meist der Ausschluss der wissentlichen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung (siehe dazu ausführlich die Ausführungen unter A-7 AVB D&O unter V.).

 

Rz. 20

Der BGH zieht die Reichweite der Aufklärungsobliegenheit sehr weit. Der Versicherer kann die Auskünfte und Unterlagen fordern, soweit diese sachdienlich sind und geeignet sind bzw. geeignet sein könnten, den Versicherer in die Lage zu versetzen, seine Eintrittspflicht zu prüfen.[1] Unterlagen hat der Versicherte, soweit ihm diese vorliegen oder er sich dieselben rechtmäßig verschaffen kann, zusammenzustellen und dem Versicherer zur Einsicht zu überlassen. Sofern personenbezogene Daten betroffen sind, hat der Versicherte diese ggf. vorher zu schwärzen. Der Versicherer bestimmt grundsätzlich, welche Unterlagen/Auskünfte er benötigt. Auch eine Inaugenscheinnahme eines etwaigen "Schadensortes" und Befragungen von Mitarbeitern kann der Versicherer verlangen.[2]

 

Rz. 21

Die Art, wie die Auskünfte erfüllt werden, ist aber nicht entscheidend.[3] Grundsätzlich erfüllt der Versicherte seine Aufklärungsobliegenheit, indem er einen Fragenkatalog in Textform beantwortet, ggf. auch weitergehende Fragen, die sich an seine Antworten anschließen, ebenfalls in Textform. Dadurch lässt sich nachweisbar und nachvollziehbar, vor allem auch dauerhaft belegen, welche Auskünfte erteilt worden sind. Stellt sich später heraus, dass falsche oder unvollständige Informationen erteilt wurden, kann sich der Versicherer auf eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit berufen, wobei eine vollständige Leistungsfreiheit Vorsatz bzw. eine teilweise Leistungsfreiheit grobe Fahrlässigkeit voraussetzen. Dies gilt auch für den Wunsch des Versicherers, der Versicherte möge seinen Laptop, sein Tablet oder Smartphone oder sonstige Speichermedien auslesen lassen. Der Versicherte kann, muss dies aber nicht gestatten, um seiner Aufklärungsobliegenheit gerecht zu werden.[4] Dies wäre so, als wenn man dem Versicherer gestatten müsste, die Schreibtischschubladen des Versicherten nach Belegen durchsuchen zu dürfen. Dieses Recht hat der Versicherer nicht. Dies unterstellt, der Versicherte würde Informationen zurückhalten, weshalb der Versicherer selbst nach diesen suchen können muss. Grundsätzlich ist indes vom redlichen Versicherten auszugehen.

 

Rz. 22

Entscheidend ist, dass der Versicherer die gewünschten Auskünfte erhält, nicht der Weg auf dem er diese bekommt. Sein Informationsbedürfnis muss gestillt werden. Deshalb kann sich der Versicherer nicht allein deswegen auf eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit stützen, weil es der Versicherte statt eines persönlichen Gespräches oder Interviews – das in der Praxis z.B. mit einem vom Versicherer benannten Anwalt stattfinden kann – es vorzieht, schriftlich Stellung zu nehmen.[5] Gleichwohl sollte sich der Versicherte dem Wunsch nach einem persönlichen Gespräch nicht verschließen, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich der Versicherer deswegen auf eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit beruft. Die Geltendmachung einer Aufklärungsobliegenheitsverletzung kann auch erst später nach Vorlage eines gegen den Versicherten ergangenen nachteiligen Urteils ergehen. Statt der jetzt erforderlichen Freistellung wird der Versicherte unter Hinweis auf die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit aufgefordert, einem Deckungsvergleich mit einem für den Versicherten empfindlichen Eigenanteil zuzustimmen oder es wird ihm nachträglich komplett die Deckung versagt.

 

Rz. 23

Ergänzend kann sich der Versicherer auf einen Risikoausschluss berufen, der sich ggf. erst nach Auswertung des Urteils ergibt. Weil diese Situation besonders dann eintreten kann, wenn sich Widersprüche nach Auswertung aller Informationen und Auskünfte ergeben und gerade mündlich erteilte Auskünfte die Gefahr von Missverständnissen und Widersprüchen in sich bergen, sollte der Versicherte mündliche Auskünfte nur erteilen, wenn ihm danach ein Protokoll überreicht wird, dass er durch seine Unterschrift autorisiert. Auch kann ihm die anwaltliche Begleitung nicht verwehrt werden, auch wenn er die Auskünfte höchstpersönlich erteilen muss. Der Beistand kann als Zeuge fungieren und ihm die Tragweite der Fragen deutlich machen, auch gerade vermeiden, dass eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit erfolgt. Auch können Widersprüche vermieden werden, indem von vornherein die Auskünfte - soweit dies möglich ist - vervollständigt werden, wie es die rechtliche Würdigung erfordert. Steht z.B. eine Haftung wegen Insolvenzversch...

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