Rz. 3

Bei der D&O-Versicherung können Umstände von Dauer eine Gefahrerhöhung begründen, die die Gefahr steigern, dass Pflichtverletzungen der Organe begangen werden. Diese sind für jeden Einzelfall festzustellen, in Betracht kommen, z.B.:

  • Fusion oder andere Umwandlungsmaßnahmen,
  • Börsengang des Unternehmens
  • Änderungen des Unternehmensgegenstandes,
  • der Händler wird z.B. zum Produzenten;
  • Verschlechterung der Vermögenssituation/Krise der Gesellschaft,
  • Aufhebung eines Kontrollsystems, z.B. Abschaffung einer Geschäftsordnung, die eine dezidierte Kontrolle durch den Aufsichtsrat bzw. die Gesellschafterversammlung vorsah
  • Stellung des Insolvenzantrags/Eröffnung des Insolvenzverfahrens
  • Liquidation/Auflösung der Gesellschaft
 

Rz. 4

Das Gesetz und insoweit wiederholen dies die Bedingungen regelt zwei Fallgruppen der Gefahrerhöhung, die objektive und subjektive Gefahrerhöhung. Die subjektive Gefahrerhöhung wiederum wird unterschieden in die Gefahrerhöhung, die der Versicherungsnehmer sofort erkannt hat und in jene, die er erst nachträglich nach Eintritt derselben erkannt hat. In jedem Einzelfall sind alle Fakten zu würdigen und abzuwägen. Eine Verschlechterung der Bonität des Versicherungsnehmers ist nicht ausreichend um eine Gefahrerhöhung zu begründen, wenn es keine weiteren, dauerhaften gewichtigen Umstände gibt, wie die Außerachtlassung eines Risikomanagements aufgrund der finanziellen Knappheit oder Ähnliches. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Gefahrerhöhung vorliegt, ist nicht auf einzelne Gefahrumstände, sondern auf die Gesamtentwicklung des Risikos abzustellen. Soweit sich gefahrerhöhende und gefahrvermindernde Umstände gegenüberstehen, sind sie gegeneinander abzuwägen.[1] Treten weitere Versicherte hinzu, gab es also z.B. beim Abschluss des D&O-Versicherungsvertrags nur einen Vorstand und amtieren jetzt drei Vorstände, könnte man annehmen, dass dadurch das Organhaftungsrisiko gestiegen ist und eine Gefahrerhöhung vorliegt. Auf der anderen Seite erfolgt jetzt ggf. eine Aufgabenaufteilung mit Überwachungspflichten der anderen Vorstandsmitglieder und die Gefahr von Organhaftungsfällen sinkt dadurch sogar noch. Auch spielt für die Beantwortung der Frage, ob sich eine Erhöhung der Gefahrenebene dauerhaft ergeben hat, durchaus eine Rolle, wonach der Versicherer bei Antragstellung gefragt hat. Dies kann sich ggf. auch auf die Beurteilung des Verschuldens auswirken. Hat der Versicherer die Beteiligungsverhältnisse gar nicht abgefragt, spricht dies eher gegen die Einordnung eines Beherrschungswechsels als Gefahrerhöhung. Hat der Versicherer sich die Geschäftsordnung, die Zustimmungsvorbehalte und Zuständigkeiten vorlegen lassen, kann eine ersatzlose Aufhebung derselben eher eine Gefahrerhöhung begründen als wenn der Versicherer diese bisher gar nicht kannte, ggf. noch nicht einmal abgefragt hat.

 

Rz. 5

Diskutiert wird z.B., ob ein Beherrschungswechsel eine Gefahrerhöhung darstellt.[2] Eine Klausel wie in Ziff. 9.3 Abs. 2 AVB-AVG 2013, wonach bei einer Neubeherrschung der Versicherungsvertrag endet, soll wegen Abweichung von den halbzwingenden Vorschriften gemäß § 32 VVG unwirksam sein, soweit kein Großrisiko besteht.[3]

 

Rz. 6

Der BGH hat nur ausgeführt, dass eine abrupte Beendigung des D&O-Versicherungsvertrags unwirksam ist[4], nicht jedoch entschieden, ob eine Beendigung mit einer angemessenen Frist zulässig vereinbart werden kann. Letzteres ist zu bejahen, gerade weil der Beherrschungswechsel nicht per se eine Gefahrerhöhung darstellt, der Versicherer aber ein Interesse daran haben kann, zu entscheiden mit welcher Versicherungsnehmerin er in Vertragsbeziehung stehen möchte. Wird diese von anderen Personen, Personengruppen beherrscht, muss ein Lösungsrecht vereinbart werden können, ggf. aber nur wechselseitig, das heißt auch die Versicherungsnehmerin muss dann nach einem Beherrschungswechsel kündigen können.

 

Rz. 7

Unterhält bei einem Beherrschungswechsel die Erwerberin, die eine Konzernobergesellschaft ist, ebenfalls eine D&O-Deckung, bei der auch die Organpersonen der hinzukommenden Tochtergesellschaften mitversichert sind, entstünde eine Doppelversicherung. Hierfür sieht bereits das Gesetz in § 77 VVG eine Anzeigepflicht der Versicherungsnehmerin vor. Daher könnte eine solche ggf. mit Sanktionen auch vereinbart werden. Aber auch die Vereinbarung einer Klausel, dass der Versicherungsvertrag bei einer Doppelversicherung oder auch nur bei einer Neubeherrschung automatisch endet ist statthaft, wobei aber auch hier eine Frist von mindestens einem Monat zu fordern ist.

 

Rz. 8

Eine objektive Gefahrerhöhung könnte z.B. eine Kapitalerhöhung sein, die ohne Willen des Versicherungsnehmers durch die Anteilseigner veranlasst wurde.[5] Auch ein Anteilsverkauf (sog. Share Deal), bei dem der Anteilseigner ohne Zustimmung der Gesellschaft seine Anteile an einen Konkurrenten überträgt, könnte eine Gefahrerhöhung begründen. Bei solchen Maßnahmen, die zu einer Veränderung der Beteiligungsverhältnisse führen, ist aber nicht die Änderung per se...

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