Leitsatz

Nach § 47 WEG ist eine Vereinbarung, nach der die Versammlung nur beschlussfähig ist, wenn mindestens 3 von 5 Wohnungen vertreten sind, nicht mehr anwendbar.

Normenkette

§§ 25 Abs. 1, 47 WEG

Das Problem

Nach einer Vereinbarung ist die Versammlung nur beschlussfähig, wenn "mindestens 3 Wohnungen vertreten sind". Fraglich ist, ob diese Vereinbarung noch anzuwenden ist, wenn auch vereinbart ist, dass sich "Das Verhältnis der Eigentümer untereinander […] nach den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes vom 15.03.1951 in seiner jeweils gültigen Fassung [bestimmt], soweit diese Erklärung nichts Abweichendes bestimmt." Ferner ist fraglich, welche Wirkungen § 6 COVMG für den Verwalter hatte, dessen Amt am 29.2.2020 endete.

Die Entscheidung

Das AG meint, die Vereinbarung sei nicht mehr anzuwenden! Die Gemeinschaftsordnung werde von der seit dem 1.12.2020 geltenden (Neu-)Regelung in § 25 Abs. 1 WEG "überlagert", wonach jede Versammlung – im Grundsatz ohne Rücksicht auf bestimmte Quoren – beschlussfähig sei. Dies folge aus § 47 WEG. Das Gericht könne der Gemeinschaftsordnung keinen Versteinerungswillen entnehmen, der eine Anwendbarkeit des neuen Rechts auf die Frage der Beschlussfähigkeit ausschließe. Der Kläger habe "in Abkehr von der gesetzlichen Vermutung in § 47 Satz 2 WEG nicht dargetan, dass sich aus dem Gesamtgefüge der in Rede stehenden Vereinbarung selbst" ergebe, dass die Eigentümer an der Regelung für alle Zeit festhalten wollten. Deren Abweichung von der früheren Rechtslage sei "in ihrer Zielrichtung nicht wesensverschieden", sondern habe für die Frage der Beschlussfähigkeit lediglich eine andere Berechnungsgrundlage angeordnet. In Bezug auf den Verwalter ist das AG der Ansicht, dessen Amt sei am 29.2.2020 beendet gewesen. Die Regelung in § 6 Abs. 1 COVMG führe nicht dazu, dass ein Verwalter, dessen Amtszeit abgelaufen war, wieder ins Amt gesetzt worden sei. Dagegen spreche schon der Wortlaut der Vorschrift. § 6 Abs. 1 COVMG solle zwar nach der Intention des Gesetzgebers auch für den Fall gelten, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm bereits abgelaufen ist (BT-Drs. 19/18110, 31). Dieser Wille komme in dem Wortlaut der Vorschrift aber nicht zum Vorschein und wäre auch verfassungsrechtlich höchst bedenklich.

 

Hinweis

Problemübersicht

Im Fall geht es erstens um die Frage, ob eine Vereinbarung über die Beschlussfähigkeit noch anwendbar ist. Zweitens ist zu fragen, welche Wirkungen § 6 Abs. 1 COVMG hat.

Auslegung von Altvereinbarungen

Vereinbarungen, die vor dem 1.12.2020 getroffen wurden und die von solchen WEG-Vorschriften abweichen, die durch das WEMoG vom 16.10.2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurden, stehen nach § 47 Satz 1 WEG der Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1.12.2020 an geltenden Fassung nicht entgegen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wille ergibt. Ein solcher Wille ist nach § 47 Satz 2 WEG in der Regel nicht anzunehmen. Im Fall geht es um eine Vereinbarung, die von § 25 Abs. 3 WEG a. F. abweicht, der durch das WEMoG geändert wurde. Nach § 25 Abs. 3 WEG a. F. war die Versammlung nur beschlussfähig, wenn die erschienenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile, berechnet nach der im Grundbuch eingetragenen Größe dieser Anteile, vertreten. Anstelle dieser Regelung knüpft die Vereinbarung nicht an die Anzahl der vertretenen Miteigentumsanteile, sondern an die Anzahl der vertretenen Wohnungen an. Ich selbst meine, dass damit deutlich geworden ist, dass die Vereinbarung weiterhin gelten soll. Jedenfalls spricht die Präambel im Fall dafür, dass gerade zwischen der "jeweils gültigen Fassung" des WEG und anderen Bestimmungen unterschieden ist.

COVMG

Das COVMG ist am 28.3.2020 in Kraft getreten. Es hat in Bezug auf das Wohnungseigentumsrecht u. a. Regelungen für den vorübergehenden Fortbestand der Amtsstellung des Verwalters getroffen. § 6 Abs. 1 COVMG bestimmt dazu, was gilt, wenn die Bestellungszeit eines Verwalters nach dem 27.3.2020 abläuft. Die entsprechende Person bleibt dann auch ohne einen Beschluss der Wohnungseigentümer nach § 26 Abs. 1 WEG zunächst weiterhin Verwalter der Wohnungseigentumsanlage. § 6 Abs. 1 COVMG soll nach den Gesetzesmaterialien aber auch den Fall erfassen, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits abgelaufen war. Denn nach § 6 Abs. 1 COVMG bleibt der zuletzt bestellte Verwalter im Amt. Die h. M. legt diese Bestimmung so aus, dass eine Person mit Beginn des 28.3.2020 – dem Inkrafttreten des COVMG – wieder ins Amt gehoben worden ist. Gegen diese Ansicht stemmt sich das AG. Völlig grund- und sinnlos, wie ich selbst finde.

Entscheidung

AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 28.5.2021, 980a C 1/21

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