Leitsatz

Zur Anwendung des § 5 AGBG, wenn unklar bleibt, ob eine automatische Verlängerungsklausel erst nach Ausübung aller Verlängerungsoptionen des Mieters oder auch schon zuvor Anwendung findet (amtlicher Leitsatz des BGH).

 

Normenkette

BGB § 535

 

Kommentar

In einem Formularmietvertrag über Ladenräume war u. a. Folgendes vereinbart:

(1) Das Mietverhältnis beginnt mit Übernahme des … Mietobjekts und läuft 12 Jahre.

(2) Der Mieter ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung, die dem Vermieter spätestens 6 Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses zugehen muss, die Verlängerung um 5 Jahre zu verlangen (Option). Dieses Recht kann der Mieter dreimal ausüben. Dem Mieter wird ein weiteres Optionsrecht eingeräumt (Vertragsverlängerung um 3 Jahre – Entscheidungsfrist wiederum 6 Monate).

(3) Nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume) verlängert sich das Mietverhältnis jeweils um 5 Jahre, falls es nicht seitens einer Vertragspartei spätestens 12 Monate vor seiner Beendigung beendigt wird.

Das Mietverhältnis begann am 1.7.1990. Der Mieter hat das Optionsrecht nicht ausgeübt. Keine der Parteien hat eine Beendigungserklärung abgegeben. Der Mieter, der den Geschäftsbetrieb aufgegeben hat, war der Meinung, dass das Mietverhältnis nach Ablauf der ursprünglichen Vertragszeit von 12 Jahren zum 30.6.2002 beendet worden ist.

Der BGH ist anderer Ansicht: Für die Auslegung von Formularklauseln gelten die allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB. Dabei ist in erster Linie vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Lässt der Wortlaut mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, so ist derjenigen der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdendem Ergebnis führt. Verbleiben nicht behebbare Zweifel, so geht dies nach der Unklarheitenregel (§ 5 AGBG a. F. = § 305 c Abs. 2 BGB) zulasten des Verwenders.

Der BGH führt aus, dass nach dem Wortlaut der Regelung in Ziff. (3) zwei Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, nämlich zum einen:

  • Das Mietverhältnis wird nur dann verlängert, wenn der Mieter von allen Optionsrechten Gebrauch gemacht hat, also nach einer Mietzeit von 12 + 15 + 3 Jahren = 30 Jahren ("Nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume) …");

zum anderen:

  • Das Mietverhältnis wird verlängert, wenn die ursprüngliche Mietzeit von 12 Jahren abgelaufen ist und der Mieter von der Option keinen Gebrauch gemacht und keine der Parteien eine Beendigungserklärung abgegeben hat ("Nach Ablauf der Mietzeit …").

Bei dieser Sachlage kommt es darauf an, welche Auslegungsvariante den Interessen der Parteien entspricht. Der BGH kommt zum Ergebnis, dass auch dieses Kriterium zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Deshalb war hier die Unklarheitenregelung anzuwenden. Der Formularmietvertrag wurde von der Mieterin (einem Handelsunternehmen mit zahlreichen Filialen) gestellt. Deshalb war zulasten der Mieterin davon auszugehen, dass sich das Mietverhältnis nach Ablauf der ursprünglichen Mietzeit von 12 Jahren gem. Ziff. (3) der Klausel um 5 Jahre verlängert hat.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 14.12.2005, XII ZR 241/03, GE 2006, 182

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