Leitsatz

Eine Personengesellschaft erbringt bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Zahlung einer Bareinlage an diesen keine Dienstleistung gegen Entgelt i.S. des Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie.

 

Problematik

Eine GbR war zur Errichtung eines Einkaufszentrums gegründet worden und sollte - als geschlossener Immobilienfonds - eine Vielzahl von Gesellschaftern aufnehmen. Es kam jedoch 1991 "nur" zur Aufnahme eines Gesellschafters (C), der die Gesamteinlage von ca. 38 Mio. DM aufbrachte. Die GbR machte für 1991 Vorsteuerbeträge aus Rechnungen für rechtliche Beratung geltend. Finanzamt und Finanzgericht verneinten das Recht auf Vorsteuerabzug, weil die GbR zwar einen Gesellschaftsanteil gegen Entgelt (Bareinlage) - also durch einen steuerbaren Umsatz - übertragen habe; dieser Umsatz sei aber nach § 4 Abs. 8 Buchst. f UStG steuerfrei und schließe den Vorsteuerabzug aus den dafür in Anspruch genommenen Leistungsbezügen aus (§ 15 Abs. 2 UStG).

Im Revisionsverfahren legte der BFH wegen Zweifel an der Rechtslage nach der 6. EG-Richtlinie dem EuGH zum einen die Frage nach der Steuerbarkeit der Gesellschafteraufnahme vor. Diese hatte der BFH seit 1995[1] bejaht. Die Beurteilung blieb aber nach wie vor umstritten. Zum anderen - das war auf der Basis des vorgenannten Urteils das Hauptanliegen der Vorlage - fragte er, ob in diesem Fall ein Hilfsumsatz gemäß Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie vorliege und ob sich der Steuerpflichtige auf die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie berufen könne, wonach derartige Hilfsumsätze den Vorsteuerabzug nicht ausschließen[2].

 

Konsequenzen für die Praxis

Nach Vorliegen der im Leitsatz genannten Antwort des EuGH hat der BFH den Fall noch abschließend zu entscheiden. Deutlich ist jedenfalls, dass die seit 1995 geltende gegenteilige Rechtsprechung des BFH mit diesem EuGH-Urteil nicht vereinbar ist. Allerdings dürfte sich bei der aufnehmenden Gesellschaft für deren Umsatzsteuer im Ergebnis wenig ändern: Da sie lt. EuGH keinen Umsatz ausführt, entsteht auch keine Umsatzsteuer. Die deutsche Praxis kam bisher zum selben Ergebnis, indem sie zwar einen steuerbaren, aber nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerbefreiten Umsatz annahm.

Offen ist jedoch weiterhin die Frage des Vorsteuerabzugsrechts der aufnehmenden Gesellschaft aus Leistungsbezügen, z.B. aus Beratungsleistungen für Konzepte und zur Gesellschaftsgründung. Nach der deutschen Praxis schied der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG wegen der steuerfreien Verwendung gem. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG aus. Der EuGH beantwortete die Frage nach dem Vorsteuerabzug nicht. Sie war für die Vorabentscheidung nicht mehr erheblich (nachdem er sie auch noch abweichend formuliert hatte). Möglicherweise folgt aus der Auffassung des EuGH (Gesellschafteraufnahme ist kein Umsatz), dass solche Vorsteuerbeträge dann nicht dem Vorgang der Gesellschafteraufnahme, sondern den gesamten Ausgangsumsätzen zuzuordnen sind. Die Abziehbarkeit richtet sich dann danach, ob oder in welchem Umfang diese Umsätze (als steuerpflichtig/steuerfrei) zum Abzug berechtigen. Vergleichbare Fälle sollten im Hinblick auf das noch anhängige BFH-Verfahren offen gehalten werden.

Für den eintretenden Gesellschafter können sich Änderungen ergeben, falls er als Gegenleistung für die Gesellschaftsanteile eine Sacheinlage, und nicht wie im Streitfall eine Bareinlage, leistet. Die EuGH-Grundsätze dürften auch insoweit gelten, auch wenn der EuGH darauf nicht weiter einging. Nach bisheriger deutscher Praxis liegt ein tauschähnlicher, steuerpflichtiger Umsatz des Beitretenden vor. Nach der Auffassung des EuGH handelt es sich auch beim Beitretenden um keinen Umsatz – Umsatzsteuer fällt bei ihm nicht an.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 26.06.2003, C-442/01

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