Rz. 9

§ 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG bezeichnet mit dem Ausdruck "wissenschaftliches Personal" eine Beschäftigungsgruppe, ohne diese näher zu definieren. Welche Personen zum "wissenschaftlichen und künstlerischen Personal" gehören, bestimmt sich nach dem BAG inhaltlich-aufgabenbezogen (BAG, Urteil v. 29.4.2015, 7 AZR 519/13; BAG, Urteil v. 1.6.2011, 7 AZR 827/09). Anknüpfungspunkt ist die Art der zu erbringenden Dienstleistung (BAG, Urteil v. 19.12.2018, 7 AZR 79/17[1]). Danach gehört zum "wissenschaftlichen Personal" derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Auf die formelle Bezeichnung des Arbeitnehmers kommt es nicht an, sondern auf den wissenschaftlichen Zuschnitt der von ihm auszuführenden Tätigkeit (BAG, Urteil v. 1.6.2011, 7 AZR 827/09[2]).

Die für die Organisation der Hochschule oder einer ihrer Einrichtungen notwendige Verwaltungsarbeit gehört nicht dazu, auch wenn sie von einem wissenschaftlich ausgebildeten Mitarbeiter vorgenommen wird (LAG Hamm, Urteil v. 2.10.2014, 11 Sa 384/14). Bei Mischtätigkeiten ist erforderlich, dass die wissenschaftlichen Dienstleistungen zeitlich überwiegen oder zumindest das Arbeitsverhältnis prägen (BAG, Urteil v. 20.1.2016, 7 AZR 376/14[3]).

 

Rz. 10

Das Adjektiv "wissenschaftlich" bedeutet, "die Wissenschaft betreffend" aufgabenbezogen (BAG, Urteil v. 29.4.2015, 7 AZR 519/13, Rz. 21, 22). Wissenschaftliche Tätigkeit ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist (BAG, Urteil v. 19.3.2008, 7 AZR 1100/06[4]). Sie ist nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern oder zu erweitern (BAG, Urteil v. 27.5.2004, 6 AZR 129/03[5]).

Zur wissenschaftlichen Dienstleistung kann auch die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fertigkeiten an Studierende und deren Unterweisung in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden gehören (BAG, Urteil v. 25.4.2018, 7 AZR 82/16[6]). Wissenschaftliche Betätigung ist eine Lehrtätigkeit aber nur dann, wenn dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt; die wissenschaftliche Lehrtätigkeit ist insofern von einer unterrichtenden Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug abzugrenzen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass wissenschaftliche Lehre i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG das Hervorbringen eigener Forschungsergebnisse und deren Vermittlung an die Studierenden verlangt. Für eine wissenschaftliche Lehre ist es nicht erforderlich, dass sich der Lehrende um eigene, neue wissenschaftliche Erkenntnisse bemüht. Es kann vielmehr ausreichen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse Dritter vermittelt werden (BAG, Urteil v. 25.4.2018, 7 AZR 82/16; BAG, Urteil v. 29.4.2015, 7 AZR 519/13). Dem Schutzbereich der durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit unterfällt auch eine Lehre, die nicht auf eigenen, neuen Forschungserkenntnissen basiert, sondern allein die ständige Reflexion fremder wissenschaftlicher Ergebnisse verlangt. Entscheidend ist, dass der Lehrende Forschungs- und Erkenntnisentwicklungen auf seinem jeweiligen Wissenschaftsgebiet permanent verfolgen, reflektieren und kritisch hinterfragen muss, um diese für seine Lehre didaktisch und methodisch zu verarbeiten. Würde man wissenschaftliche Lehre nur dann annehmen, wenn sie sich als Resultat eigener Forschung darstellt, wäre auch ein Großteil der Lehre an Universitäten nicht als wissenschaftlich zu qualifizieren, was dem Grundrechtsschutz für die Freiheit der Lehre nicht gerecht würde (BAG, Urteil v. 29.4.2015, 7 AZR 519/13 unter Verweis auf BVerfG, Urteil v. 13.4.2010, 1 BvR 216/07). Unter Berücksichtigung dessen ist eine Lehrtätigkeit, die sich nach dem vereinbarten Vertragsinhalt auf eine rein repetierende Wiedergabe vorgegebener Inhalte beschränkt, nicht als wissenschaftliche Lehre anzusehen, während eine Lehrtätigkeit auch dann eine wissenschaftliche Dienstleistung ist, wenn zwar keine eigenen Forschungsergebnisse gelehrt, sondern Erkenntnisse Dritter vermittelt werden, von dem Lehrenden aber nach dem Vertragsinhalt erwartet wird, dass er diese Erkenntnisse kritisch hinterfragt, sich damit auseinandersetzt und dass er diese eigenen Reflexionen in seine Lehrtätigkeit einbringt (BAG, Urteil v. 25.4.2018, 7 AZR 82/16[7]).

 
Hinweis

Nach der Rechtsprechung des Siebten Senats des BAG kann von dem Lehrenden ein kritisches Hinterfragen und das Einbringen eigener Reflexionen in seine Lehrtätigkeit nur erwartet werden, wenn ihm während seiner Arbeitszeit die Gelegenheit und insbesondere die erforderliche Zeit zu eigener Reflexion verbleibt. Dies setzt allerdings nicht voraus, dass dem Arbeitnehmer über die Zeit der Vor-und Nachbereitung der Lehrveranstaltungen hinaus Zeit und Gelegenheit zu eigener Forschung zur Verfügung steht (BAG, Urteil v. 21.3.2018, 7 AZR 437/16[8]). Die Möglichkeit der Nutzung wissenschaftl...

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