Entscheidungsstichwort (Thema)

keine Absenkung des Nachtzuschlags bei „zwingend” nachts zu erbringender Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Absenkung des im Rahmen von § 6 Abs. 5 ArbZG gezahlten „angemessenen” Nachtzuschlags rechtfertigt sich nicht schon dadurch, dass die geschuldete Tätigkeit „zwingend” oder zumindest sinnvollerweise nachts zu erbringen ist.

 

Normenkette

ArbZG § 6 Abs. 5

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Fahrtkosten für die Zeit von Januar bis September sowie für November und Dezember von insgesamt 390,90 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten aus 322,60 EUR seit dem 11.12.2015 und aus 68,30 EUR seit dem 05.02.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Nachtzuschläge in Höhe von 803,98 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten aus 755,19 EUR seit dem 11.12.2015 sowie aus 48,89 EUR seit dem 05.02.2016 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Der Streitwert wird auf 1.194,88 EUR festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Fahrtkosten und Nachtzuschläge.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 01.10.2010 als Zusteller beschäftigt. Er arbeitet in einer 6-Tage-Woche, und zwar ausschließlich nachts. Gemäß Anlage 2 seines Arbeitsvertrages erhält er pro Zeitungszustellung 1,87 EUR Stücklohn nebst einer „steuerfreien Zulage” i.H.v. 0,47 EUR (= 25 %), was den von der Beklagten gezahlten Nachtzuschlag bezeichnet. Anlässlich des zum 01.01.2015 in Kraft getretenen Mindestlohngesetzes diente die Beklagte dem Kläger eine Änderung des Arbeitsvertrages an, der keinen Stück-, sondern einen Stundenlohn vorsieht, bei einem Nachtzuschlag von nur noch 10 %; zudem sollten die dem Kläger bislang gezahlten Fahrtkosten von monatlich 120,00 EUR künftig nach Kilometern abgerechnet werden, wobei der Kläger seine Arbeit anstatt mit seinem Pkw nunmehr nachts mit einem Zweirad verrichten sollte. Der Kläger unterschrieb den neuen Arbeitsvertrag nicht. Gleichwohl zahlte ihm die Beklagte seit Januar 2015 lediglich einen 10%igen Nachtzuschlag sowie Fahrtkosten in unterschiedlicher Höhe, namentlich für Januar bis September 81,61 EUR / 88,96 EUR / 89,33 EUR / 83,41 EUR / 65,32 EUR / 59,94 EUR / 55,84 EUR / 39,29 EUR / 41,54 EUR sowie für November und Dezember 2015 jeweils 51,70 EUR. Mit der Abrechnung für Oktober 2015 zahlte sie darüber hinaus 132,02 EUR an Fahrtkosten nach. Der Kläger begehrt nun die restlichen Fahrtkosten sowie die Differenz der Nachtzuschläge in Höhe von (25 – 10 =) 15%.

Hierzu beruft er sich zum einen auf den Arbeitsvertrag und vertritt insoweit die Ansicht, der dort ausgewiesene Nachtzuschlag von 25% gelte weiterhin, auch wenn die Beklagte nicht mehr stück-, sondern stundenbezogen vergüte. Des Weiteren ergebe sich ein 25%iger Nachtzuschlag aus § 6 Abs. 5 ArbZG.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn

  1. rückständige Fahrkosten für die Zeit von Januar bis September sowie für die Monate November und Dezember insgesamt 390,90 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 322,60 EUR seit Zustellung der ursprünglichen Klage und aus weiteren 68,30 EUR seit Zustellung des Schriftsatzes vom 01.02.2016 zu zahlen;
  2. rückständige Nachtzuschläge in Höhe von 803,98 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus 755,19 EUR seit Zustellung der Klage sowie aus 48,89 EUR seit Zustellung des Schriftsatzes vom 01.02.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt hinsichtlich der Nachtzuschläge die Ansicht, die im Arbeitsvertrag ausgewiesenen 25% seien nur auf den vereinbarten Stücklohn bezogen, nicht aber auf einen Stundenlohn nach dem Mindestlohngesetz. Die von ihr gezahlten 10% seien im Rahmen von § 6 Abs. 5 ArbZG auch angemessen, da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Zweck des Nachtzuschlages darin liege, den Arbeitgeber durch Verteuerung von Nachtarbeit von dieser abzuhalten. Könne dieser Zweck von vornherein nicht erreicht werden, weil bestimmte Arbeiten – wie etwa die von Zeitungszustellern – nur nachts ausgeübt werden könnten, laufe dieser Sanktionscharakter leer, was einen Abschlag von den grundsätzlich angemessenen 25% i.H.v. 15% rechtfertige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

A.

Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet. Dem Kläger stehen sowohl die geltend gemachten Fahrtkosten wie auch die geltend gemachten Nachtzuschläge in der eingeklagten Höhe zu.

1. Hinsichtlich der Fahrtkosten hat die Beklagte keine spezifischen Einwände erhoben und dies mit Schriftsatz vom 14.03.2016 auch zum Ausdruck gebracht. Der Kläger erhielt unstreitig monatlich 120,00 EUR. Ein Grund, diese Fahrtkosten nunmehr einseitig anders zu bemessen, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen. Daher war dem Klageantrag zu 1, dessen Höhe der Kläger substantiiert dargelegt hat, stattzugeben.

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