Tenor

1. Die Sachen werden dem Bundesverfassungsgericht gem. Artikel 100 Grundgesetz zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die Verfahren werden bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt.

 

Tatbestand

Sämtliche Klägerinnen und Kläger der vorliegenden, bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Frage der Verfassungswidrigkeit von Artikel 6 des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsgesetzes vom 25.09.1996 mit Wirkung ab 01.10.1996. ausgesetzten Verfahren sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der sich im Konkurs befindlichen Firma.

Artikel 6 des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsgesetzes vom 25.09.1996 mit Wirkung ab 01.10.1996 (Bundesgesetzblatt I S. 1476) lautet wie folgt:

Artikel 6 Übergangsregelung zum Konkursrecht

Die §§ 113 und 120122 sowie 125128 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (Bundesgesetzblatt I S. 2866), die durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Juli 1996 (Bundesgesetzblatt I S. 1013) geändert worden ist, sind im Geltungsbereich der Konkursordnung bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung mit der Maßgabe anzuwenden, daß jeweils das Wort „Insolvenzverwalter” durch das Wort „Konkursverwalter”, das Wort „Insolvenzgläubiger” durch das Wort „Konkursgläubiger”, das Wort „Insolvenzmasse” durch das Wort „Konkursmasse” und das Wort „Insolvenzverfahren” durch das Wort „Konkursverfahren” ersetzt wird.

§ 113 Insolvenzordnung lautet wie folgt:

§ 113 Kündigung eines Dienstverhältnisses.

(1) Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist.

Der Beklagte ist der Konkursverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin.

Die sämtlichen klagenden Parteien liegen die Voraussetzungen des § 4.4 Manteltarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden vor, wonach Beschäftigte, die das 53. aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens 3 Jahre angehören, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Dieser Tarifvertrag ist unstreitig auf die Arbeitsverhältnisse zwischen den Parteien anwendbar.

Der Beklagte hat mit Kündigungsschreiben vom 27.01.1997 sämtlichen Klägerinnen und Klägern unter Berufung auf § 113 Insolvenzordnung mit 3monatiger Kündigungsfrist zum 30.04.1997, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin gekündigt, da der Betrieb der Gemeinschuldnerin zum 30.04.1997 endgültig stillgelegt werden sollte.

Die Klägerinnen und Kläger halten die Kündigungsfrist des § 113 Insolvenzordnung nicht für anwendbar, da die gesetzliche Neuregelung lediglich in gesetzliche und arbeitsvertragliche Kündigungsregeln, nicht aber in tarifvertragliche eingreife, jedenfalls verstoße § 113 Insolvenzordnung gegen Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes.

Die Klägerinnen/Kläger beantragen jeweils.

es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigungsschreiben des Beklagten vom 27.01.1997, zugegangen am 28.01.1997, mit Ablauf des 30.04., hilfsweise zum nächst zulässigen Termin endet, sondern weiterhin fortbesteht.

Außerdem wird jeweils die Weiterbeschäftigung begehrt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Er trägt vor, er habe die streitbefangenen Kündigungen gem. § 113 Insolvenzordnung mit dreimonatiger Kündigungsfrist ausgesprochen, ungeachtet der Überlegung, ob es sich dabei um eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslaufsfrist handele. § 113 Insolvenzordnung sei anwendbar und nicht verfassungswidrig. Jedenfalls seien die streitgegenständlichen Kündigungen in außerordentliche Kündigungen mit Auslauffristen umzudeuten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Nach Ansicht der Kammer ist Artikel 6 des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsgesetzes vom 25.09.1996 verfassungswidrig (2.), und die Entscheidung der vorliegenden Rechtsstreite hängt von dieser Frage ab (1.).

1. Nach dem unstreitigen Sachverhalt wurde der Betrieb der Gemeinschuldnerin zum 30.04.1997 eingestellt, was das Bedürfnis für die Beschäftigung der Klägerinnen und Kläger entfallen ließ und ein dringendes betriebliches Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entgegensteht, darstellt (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 KSchG und gegen § 102 BetrVG ist nicht ersichtlich.

Die streitgegenständlichen Kündigungen wären somit sozial gerechtfertigt und damit rechtswirksam.

Allerdings ist nach dem unstreitigen Sachverhalt der Manteltarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden anwendbar und damit nach dessen Wortlaut gem. § 4.4 die ordentliche Kündigungsmöglichkeit bei sämtlichen Klägerinnen und Klägern ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. statt vieler Urteil vom 28.03.1985, AZ 2 AZR 113...

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