Tenor

1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 28.8.1986 aufgelöst worden ist sondern fortbesteht.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Der Streitwert wird auf DM 11.100,00 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berechtigung des Beklagten zum Ausspruch einer Kündigung vom 28.8.1986.

Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 26.11.1941 geborene Kläger trat am 2.5.1968 als Bäcker in die Dienste des Beklagten, der weniger als 5 Arbeitnehmer beschäftigt. Am 23.3.1986 wurde er infolge eines Geschwür unter dem Fuß, das der Arzt als typisches Diabetiker-Geschwür bezeichnete arbeitsunfähig krank. Bis dahin hatte der Kläger nicht gewußt, daß er an einem Diabetes erkrankt war. Er mußte sich deshalb am 25.3.1986 ins Krankenhaus begeben, wo er sich zusätzlich eine Blutvergiftung zuzog, so daß er bis zum 25.4.1986 im Krankenhaus verbleiben mußte. Der Kläger war anschließend bis zum 19.7.1986 arbeitsunfähig krank. Vom 19.7. bis 17.8.1986 waren Betriebsferien. Vom 18.8. bis 20.8.1986 arbeitete der Kläger. Er erkrankte aber erneut am 21.8.1986. Daraufhin erkundigte sich der Beklagte beim Hausarzt des Klägers, Herrn Dr. med. Ott, der ihm erklärte, er hoffe zwar, daß der Kläger ab 20.9.1986 wieder arbeiten könne, aber garantieren könne er dafür selbstverständlich nicht Daraufhin hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis am 28.8.1986 zum 31.10.1986 gekündigt. In der Kündigungserklärung (Blatt 4 d.A.) heißt es wörtlich:

„Da Sie bereits in diesem Jahr vor dem Betriebsurlaub 95 Arbeitstage krank waren und nun erneut ab 21.8.1986 wegen derselben Krankheit vorläufig bis 20. September krankgeschrieben sind, kann ich den Arbeitsplatz nicht länger unbesetzt lassen. Da in meiner Bäckerei mit Ihnen nur zwei Mitarbeiter und ein Lehrling beschäftigt sind, bedeutet ihr Arbeitsausfall eine erhebliche Belastung für die übrigen Mitarbeiter.”

Gegen diese Kündigung hat der Kläger fristgemäß am 5. September 1986 Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger beantragt:

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 28.8.1986 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht

Der Beklagte beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Mit Beschluß vom 11.12.1986 (NZA 1987 S. 522) hat das erkennende Gericht den Rechtsstreit ausgesetzt, um dem Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 100 Abs. 1 GG die Frage vorzulegen, ob § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der damaligen Fassung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 27. Januar 1998 (NJW 1998 S. 1478) festgestellt, daß § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der Fassung vom 26.4.1985 bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Der Beklagte weist daraufhin, daß er seinen Betrieb schon seit Jahren aufgegeben habe. Daher sei das Arbeitsverhältnis längst beendet.

Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.1.1998 wird ebenso Bezug genommen wie auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, weil die Kündigung vom 28.8.1986 treuwidrig war.

Zwar gemeßt der Kläger keinen Kündigungsschutz nach den Bestimmungen des Kündigungschutzgesetzes, weil er in einem Kleinbetrieb mit nicht mehr als 5 Arbeitnehmern beschäftigt war. Nach der zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung im Jahre 1986 geltenden Fassung des § 23 Abs. 1 KSchG, waren Kleinbetriebe, in denen mit Ausnahme der Auszubildenden nicht mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt waren vom Kündigungsschutz ausgenommen. Auf Vorlage des erkennenden Gerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG – vergl. Aussetzungsbeschluß vom 11.12.1986 (ArbuR 1987, 417) hat das BVerfG in seinem Beschluß vom 27.1.1998 – 1 BVL 15/87 (NJW 1998, 1745 = ArbuR 1998, 207) diese Bestimmung als mit dem Grundgesetz vereinbar bezeichnet.

1. Das BVerfG weist aber in dem Beschluß (B I 3 cc der Gründe) ausdrücklich daraufhin, daß die Arbeitnehmer in Kleinbetrieben nicht schutzlos gestellt sind:

„Wo die Bestimmungen des Kündigungschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer Sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten (vergl. BVerfG 7, 198 ≪204 ff ≫). Hier ergeben sich die maßgebenden Grundsätze vor allem aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition ist damit in jedem Fall gewährleistet. Wie weit dieser Schutz im einzelnen reicht, ist von den Arbeitsgerichten zu entscheiden” Etwas später fügt das BVerfG einschränkend hinzu: „Der durch die Generalklauseln vermittelte Schutz darf nicht dazu führen, daß dem Kleinunternehmer praktisch die im Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auferlegt werden … In sachlicher Hinsicht geht es vor allem darum, Arbe...

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