Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.09.2005; Aktenzeichen 8 AZR 571/04)

LAG Hamm (Urteil vom 07.09.2004; Aktenzeichen 19 Sa 1248/04)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Der Streitwert wird auf 1.050,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz.

Der Kläger war mit zweimal verlängert befristetem Arbeitsvertrag bei der Beklagten vom 10.11.03 bis zum 25.01.04 beschäftigt.

Weder im ersten Arbeitsvertrag noch in den Verlängerungsverträgen wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass dieser sich unverzüglich bei der Bundesagentur für Arbeit zu melden habe, um die in Kürze eintretende Arbeitslosigkeit anzuzeigen.

Wegen Verletzung der Meldepflicht kürzte die Bundesagentur für Arbeit das Arbeitslosengeld des Klägers gem. § 37 b SGB III um 1.050,00 EUR.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagten aufgrund der Neuregelung des § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht obliege, ihn über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit zu informieren. Da sie diese Verpflichtung schuldhaft verletzt habe, sei sie ihm in Höhe des ausgefallenen Arbeitslosengeldes schadensersatzpflichtig.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.050,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.04.04 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Meinung besteht aus § 2 Abs. 2 SGB III kein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Klägers.

In der Güteverhandlung haben sich beide Parteien mit der Entscheidung durch den Vorsitzenden allein einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf 1.050,00 EUR Schadensersatz wegen des geminderten Arbeitslosengeldes.

Der Kläger hat keinen Anspruch aus §§ 611, 280 Abs. 1 BGB. Es fehlt insoweit an einer der Beklagten obliegenden Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis, den Kläger über seine Verpflichtung zu unverzüglichen Meldung bei der Agentur für Arbeit zu informieren.

Soweit gem. § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III Arbeitgebern aufgegeben wird, insbesondere die Arbeitnehmer über ihre Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung zu informieren, hat die Kammer schon Zweifel, ob hierin eine zwingende Verpflichtung der Arbeitgeber liegt. Der Gesetzeswortlaut spricht insofern lediglich von „soll”.

Darüber hinaus begründet § 2 SGB III jedoch keine vertragliche Nebenpflicht im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien. Diese Norm regelt allein das öffentlich rechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Arbeitsverwaltung, nicht jedoch der Arbeitsvertragsparteien untereinander (vgl. Arbeitsgericht Verden Urteil vom 27.11.03 in NZA RR 2004 S. 108). Die Arbeitnehmer sind insoweit im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht in den Schutzbereich dieser Norm einbezogen.

Dies ergibt sich aus der Gesetzesformulierung und dem systematischen Zusammenhang.

Das Sozialgesetzbuch 3. Buch ist mit dem Schlagwort „Arbeitsförderung” überschrieben. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 und 2 sollen die Leistungen der Arbeitsförderung dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Insbesondere sollen das Entstehen von Arbeitslosigkeit vermieden und die Dauer von Arbeitslosigkeit verkürzt werden.

Schon aus diesen grundsätzlichen Zieldefinitionen lässt sich entnehmen, das Ziel des SGB III nicht der Schutz des einzelnen Arbeitnehmers ist. Dies ergibt sich auch eindeutig aus § 2 Abs. 2 S. 1 SGB III, der ausdrücklich regelt, dass die Arbeitgeber bei ihren Entscheidungen die Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer, nicht auf deren finanzielle Vor- und Nachteile, und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einbeziehen sollen.

Vor diesem Hintergrund ist die Anordnung des § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III allein eine Verhaltensmaßgabe für die Arbeitgeber im Verhältnis zur Bundesagentur für Arbeit zu verstehen.

Das folgt nicht zuletzt auch aus der amtlichen Überschrift des § 2 SGB III, nach der in dieser Vorschrift das Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit den Agenturen für Arbeit geregelt wird.

Aus diesen Gründen fehlt es vorliegend an einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht der Beklagten aus § 2 SGB III.

Eine solche lässt sich auch nicht unter dem Gedanken der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konstruieren.

Das Gericht verkennt nicht, dass mit § 37 b SGB III eine gesetzliche Neuregelung der Pflichten der Arbeitssuchenden geschaffen wurde, die den Arbeitnehmern weitgehend unbekannt ist. Wollte man jedoch die Aufklärung über diese Pflicht des Arbeitssuchenden zum Inhalt der Schutzpflicht für den Arbeitgeber machen, müsste man unterstellen, dass die Arbeitgeber grundsätzlich von dieser Regelung Kenntnis haben. Eine tatsächliche Vermutung dafür, dass Arbeitgeber sämtliche gesetzliche Vorschriften im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung haben, g...

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