Orientierungssatz

1. Die Antragsberechtigung der Gewerkschaft besteht unabhängig davon, ob sie materiellrechtlich die Gläubigerin der Verpflichtung ist, deren grobe Verletzung sie rügt. § 23 Abs 3 BetrVG sieht vielmehr auch ein Antragsrecht materiell Nichtberechtigter vor. Diese können deshalb im Wege der gesetzlichen Prozeßstandschaft die Verletzung fremder Rechte zum Gegenstand des Verfahrens machen und so ein gesetzmäßiges Verhalten des Arbeitgebers erzwingen. Aus diesem Grunde kann eine Gewerkschaft zur Gewährleistung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung selbst dann einen Antrag stellen, wenn der Betriebsrat kein Interesse an einer Verfolgung der geltend gemachten groben Gesetzesverstöße des Arbeitgebers hat.

2. Der tarifgebundene Metallarbeitgeber verletzt zwar die Tarifautonomie und begeht Tarifbruch, wenn er durch eine Regelungsvereinbarung mit dem Betriebsrat und einzelvertragliche Durchsetzung die 38-Stunden-Wochen ohne Lohnausgleich vereinbart (vergleiche ausführlich Beschluß des Gerichts vom 07.08.1996, 1 BV 6/96), er verletzt jedoch nicht die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung iSd § 23 Abs 3 BetrVG; denn der Verstoß gegen das Gebot der Beachtung höherrangigen Rechts beinhaltet nicht einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Wenn der Arbeitgeber mit der antragstellenden Gewerkschaft zum Wohl des Betriebes zusammengearbeitet hat, kann ebenfalls kein Verstoß gegen § 23 Abs 3 BetrVG vorliegen. Das Gesetz sieht beim Zusammenwirken zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeber gerade nicht eine "vertrauensvolle" Zusammenarbeit vor, § 2 Abs 1 BetrVG.

3. Sowohl § 77 Abs 2 als auch § 77 Abs 3 BetrVG erfassen keine Regelungsabreden.

4. Gewerkschaften besitzen bei einzelvertraglichen tarifwidrigen Abreden keinen Anspruch gegen den tarifgebundenen Arbeitgeber auf Beachtung des Tarifvertrages zugunsten der gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter.

5. Berufung eingelegt beim LArbG Frankfurt, TaBV 166/96.

Fundstelle

Bibliothek BAG (T)

ArbuR 1996, 360 (K)

DB 1996, 1929-1931 (ST1)

BB 1996, 2202-2203 (T)

ArbuR 1996, 464 (ST1)

 

Fundstellen

Haufe-Index 442526

BB 1996, 2202

NZA 1996, 1337

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