Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Der Streitwert beträgt 135.000,00 EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Entschädigungsforderungen der Klägerin. Die Klägerin wirft den Beklagten vor, sie als Frau diskriminiert zu haben, indem die Beklagten auf ihre Bewerbung den Abschluss eines Schulungsvertrages zur Ausbildung als Flugzeugführerin und den Abschluss eines Darlehensvertrages abgelehnt haben, mit der Begründung, die Köpergröße der Klägerin entspreche nicht den tarifvertraglichen Vorgaben.

Die Beklagte zu 1 führt das Auswahlverfahren für derartige Bewerbungen durch, während der Schulungsvertrag selbst bei der Beklagten zu 2 abgeschlossen wird. Die Beklagte zu 2 ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1. Die Pilotenausbildung kostet mindestens 180.000 EUR. Ein Anteil in Höhe von 60.000 EUR ist dabei von den Flugschülern selbst zu tragen. Hierfür wird regelmäßig mit der Beklagten zu 1 ein Darlehensvertrag abgeschlossen (Bl. 59 der Gerichtsakte). Ca. 10 % der Flugschüler bestehen die Prüfung am Ende nicht. Diejenigen, die die Prüfung bestehen, haben keine Garantie, als Pilot übernommen zu werden.

Die Beklagte zu 1 hatte am 07.03.2003 mit der Gesamt-Personalvertretung eine Betriebsvereinbarung „BV Auswahlrichtlinien” abgeschlossen. Dort heißt es auszugsweise in § 3: „I. personenbezogene Einstellungsvoraussetzungen (…) 2. Körpergröße 1,65 – 1,95 m (…).” Ein nachfolgender Tarifvertrag, den die (die Unternehmen des …tarifrechtlich vertretende) Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (AVH) mit der Vereinigung Cockpit e.V. (VC) abgeschlossen hatte, regelte zum gleichen Thema ähnliches. Unter § 3 Abs. 1 Nr. 2 heißt es dort wörtlich:

„Körpergröße: 1,65 – 1,98 m”

Die Maximalgröße wurde also um 3 cm erhöht und die Minimalgröße beibehalten. Der aktuelle Tarifvertrag „Anforderungsprofile und Auswahlrichtlinien für die personelle Auswahl von Verkehrsflugzeugführern” vom 29.06.2011 behält die Vorschrift zur Köpergröße in § 3 bei (1,65 – 1,98 m). Der Tarifvertrag wurde abgeschlossen zwischen dem Arbeitgeberverband Luftverkehr (AGVL) und der … auf der einen Seite und der Vereinigung Cockpit auf der anderen Seite. Der Tarifvertrag gilt „für das Cockpitpersonal der vom Tarifvertrag „Wechsel und Förderung” (TV WeFö) umfassten Gesellschaften”. Der Geltungsbereich dieses TV WeFö bezieht sich seinerseits auf die Cockpitmitarbeiter der … und der zum Konzern gehörende Unternehmen. Die … hat auf Arbeitgeberseite diesen Tarifvertrag mit unterzeichnet, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht Mitglied des AGVL war.

Nach dem Wortlaut des letztgenannten Tarifvertrages können also Menschen, die kleiner sind als 165 und größer als 198, bei der Beklagten zu 1 keine Piloten werden. Das gilt nicht nur für die Bewerber bei der Beklagten zu 1 sondern auch für alle anderen Fluggesellschaften, auf die der Tarifvertrag Anwendung findet. Von dieser Regelung sind etwa zehnmal so viele Frauen wie Männer betroffen. Dies ergibt sich aus der Statistik des Sozio-Oekonomischen Panels zur Größe der über zwanzigjährigen in Deutschland:

Körpergröße

Frauen

Männer

≪150 cm

00,6 %

00,1 %

150-154 cm

04,0 %

00,1 %

155-159 cm

12,7 %

00,3 %

160-164 cm

27,0 %

02,3 %

165-169 cm

29,1 %

09,0 %

170-174 cm

17,6 %

19,2 %

175-179 cm

06,9 %

26,1 %

180-184 cm

01,8 %

23,9 %

185-189 cm

00,2 %

12,8 %

≥ 190 cm

≪0,1 %

06,3 %

Nur 0,2 % der Menschen in Deutschland sind 200 cm groß oder größer.

Bei einem Konzernunternehmen der Beklagten zu 1, der …, gilt eine andere Mindestgröße, nämlich 160 cm. Ob bei der niederländischen … eine Mindestgröße von 157 cm gilt, ist zwischen den Parteien streitig. Bei diesen Unternehmen sind ähnliche Flugzeugmuster im Einsatz wie bei der Beklagten zu 1. Die … fliegt allerdings keine Großraumflugzeuge wie den Jumbo oder den A 380.

Die Klägerin ist 19 Jahre alt und ledig. Sie hatte sich bei der Beklagten für die Schulung zur Verkehrsflugzeugführerin beworben. Dabei gab sie in den Bewerbungsunterlagen eine Körpergröße von 165 cm an. Auf die Bewerbung der Klägerin erfolgte eine sogenannte „Berufsgrunduntersuchung” am 15.05.2012. Mit Schreiben vom 16.05.2012 (Bl. 47 der Gerichtsakte) teilte die Beklagte zu 1 der Klägerin mit, dass sie diese Berufsgrunduntersuchung bestanden habe. Mit gleichem Schreiben erfolgte die Einladung zur sogenannten „Firmenqualifikation”. Mit Schreiben vom 24.10.2012 (Bl. 48 der Gerichtsakte) wurde der Klägerin mitgeteilt, sie habe auch diese Firmenqualifikation bestanden und es stehe jetzt nur noch die medizinische Tauglichkeitsuntersuchung aus. Diese Fliegertauglichkeitsuntersuchung fand am 23.11.2012 statt. Dabei wurde eine Körpergröße von 161,5 cm gemessen. Aufgrund dieser Untersuchung erhielt die Klägerin das Tauglichkeitszeugnis (Bl. 175 der Gerichtsakte) für die Klasse 1 nach § 24 a Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung. Mit Schreiben vom 12.12.2012 (Bl. 49 der Gerichtsakte) teilte schließlich die Beklagte zu 1 der Klägerin mit, sie erreiche die Mindestgröße...

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