Entscheidungsstichwort (Thema)

betrieblicher Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Scheidet eine Arbeitnehmerin aus dem Arbeitsverhältnis mit einer Gesellschaft aus, arbeitet danach jedoch als Privatsekretärin für einen der Gesellschafter in denselben Räumlichkeiten (weiter), so besteht das frühere Arbeitsverhältnis auch dann grundsätzlich nicht mit der Gesellschaft fort, wenn die Arbeitnehmerin aus alter Verbundenheit mit den Kolleginnen oder dem Betrieb aus eigenem Antrieb Tätigkeiten i.S.v. Gefälligkeitsdiensten aus dem betrieblichen Umfeld ohne Vergütung erledigt.

2. Ein Arbeitnehmer kann sich zur Begründung des betrieblichen Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 Abs. 1 KSchG) nicht darauf berufen, ein anderer Arbeitnehmer sei deshalb zu berücksichtigen, weil die Beendigung dessen Arbeitsverhältnisses an einem Formmangel leidet. Wollen die Parteien des formunwirksam beendeten Arbeitsverhältnisses an der Beendigung festhalten, hat der außenstehende Dritte keine rechtliche Möglichkeit, auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses Einfluss zu nehmen.

3. Arbeitnehmer, die erst nach dem 31.12.2003 im Rahmen eines Betriebsübergangs (§ 613a BGB) auf einen anderen Betrieb übergehen, gelten auch dann nicht als Alt-Arbeitnehmer dieses Betriebs, wenn sie bereits vor dem 31.12.2003 beschäftigt waren. Ebenso wenig führt die vertragliche Vereinbarung der Anrechnung der Betriebszugehörigkeit, die in dem „alten” Betrieb zurück gelegt wurde, zum Status als Alt-Arbeitnehmer des „neuen” Betriebs, auf den das Arbeitsverhältnis übergeht.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung, insbesondere um die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes.

Im Betrieb der Beklagten werden durch die beiden Gesellschafter, die als Insolvenzverwalter tätig sind, Insolvenzverfahren betreut. Der Kläger ist 1957 geboren und verheiratet. Unterhaltspflichten gegenüber Kindern bestehen nicht. Seit dem 1.7.2002 ist er bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger, dem Gesellschafter der Beklagten R. B. – nachfolgend: Herr B. –, als Wirtschafts-Diplom-Betriebswirt beschäftigt. Zum 1.1.2004 ging der ehemals nur von Herrn B. geführte Betrieb auf die Beklagte über (vgl. Anlage K 2, Abl. 12 f). Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach wie vor nach dem Arbeitsvertrag vom 19.6./21.6.2002 (Anlage K 1, Abl. 7 ff). Der Kläger verdiente zuletzt 6.240,– EUR brutto monatlich. Das Gehalt gelangte 13,5 Mal jährlich zur Auszahlung.

Mit Schreiben vom 24.3.2011, das dem Kläger am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aufgrund der anhaltend schlechten Auftragssituation und vor dem Hintergrund des deutlichen Rückgangs der betreuten Insolvenzverfahren” zum 30.6.2011 (Anlage K 4, Abl. 15).

Neben dem Kläger waren am 31.12.2003 und auch zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Herrn H. und Herr N. jeweils mit 40 Stunden wöchentlich beschäftigt sowie Frau S. mit 32 Stunden wöchentlich. Frau K. ist jedenfalls mit 30 Stunden in der Woche für die Beklagte tätig. Im Übrigen ist zwischen den Parteien streitig, welche Arbeitnehmer weiterhin für die Beklagte tätig sind, die bereits am 31.12.2003 beschäftigt waren.

Der Kläger ist der Auffassung, das Kündigungsschutzgesetz finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Frau K. arbeite 32 Stunden wöchentlich, so dass sie als vollzeittätige Arbeitnehmerin zu berücksichtigen sei. Frau R. sei ununterbrochen für die Beklagte auch über den 31.12.2008 hinaus tätig gewesen. Es werde bestritten, dass sie ihre Tätigkeit als Privatsekretärin für den Seniorpartner der Beklagten, Herrn B., erst am 1.8.2009 aufgenommen habe. Vielmehr habe sie unter anderem Frau K. im Urlaub vertreten. Ebenso werde bestritten, dass das Arbeitsverhältnis mit Frau W., der Reinigungsmitarbeiterin, zum 31.12.2003 aus krankheitsbedingten Gründen beendet worden sei. Sie sei vielmehr durchgängig tätig gewesen. Frau F., die früher W. geheißen habe, sei gemeinsam mit Herrn J. 2003 zur Beklagten gestoßen. Sie sei also bereits vor dem 1.1.2004 bei dieser tätig geworden. Im Übrigen sei im Februar 2005 die betriebliche Organisation des Gesellschafters J., der bis dahin selbständig tätig gewesen sei, auf die Beklagte übergegangen. Aufgrund dieses Betriebsüberganges sei die Betriebszugehörigkeit, die Frau F. zuvor bei Herrn J. zurückgelegt habe, im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu berücksichtigen. Sie gelte deshalb als Alt-Arbeitnehmerin und sei bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die Beklagte mehr als 5 vollzeittätige Arbeitnehmer, die bereits zum 31.12.2003 beschäftigt gewesen seien, beschäftige. Außerdem sei Herr V. B. über den 31.12.2003 hinaus auch noch im Kündigungszeitpunkt beschäftigt gewesen. Soweit die Arbeitsverhältnisse nur mündlich gekündigt oder einvernehmlich aufgehoben worden seien, liege eine wirksame Beendigung nicht vor. Frau R., Frau W., Frau F. und Herr V. B. seien jeweils mit 0,5 zu berücksichtigen. Die B...

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