Leitsatz (amtlich)

Für die Klage eines Rabbiners gegen seine Kündigung durch die jüdische Gemeinde ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten und damit auch zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet, soweit die Religionsgemeinschaft im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 140 GG i. V. mit Artikel 137 Absatz III WRV für Streitigkeiten mit dem Rabbiner die Zuständigkeit einer eigenen Gerichtsbarkeit vorsieht, die bislang noch nicht angerufen wurde.

 

Tenor

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert wird auf 59.787,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses, die Weiterbeschäftigung sowie um den hilfsweise gestellten Antrag auf Zahlung einer Abfindung.

Der am 0.0.1939 geborene Kläger ist seit dem 15.03.1998 bei der beklagten Gemeinde als Rabbiner tätig. Die Beklagte ist die I.G. in F. in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zwischen den Parteien wurde ein Dienstvertrag geschlossen (Anlage K 1, Abl. 9 ff.). In Ziffer 1 des Vertrages heißt es:

„Gegenstand dieses Vertrages

Gemäß Mehrheitsbeschluss der Gemeindeversammlung vom 15.03.1998 wird R. S. seitens der I.G. zum Gemeinderabbiner der I.G. ernannt und ist berechtigt, diesen Titel seit diesem Datum zu führen.”

Zum Aufgabengebiet heißt es in Ziffer 2:

„R. S. amtiert ab sofort als Gemeinderabbiner der I. und trifft somit für die I. und deren Mitglieder bindende Entscheidungen in allen halachischen Fragen und überwacht auch die Einhaltung der Halacha in allen, die I.G. und deren Mitglieder betreffenden Angelegenheiten. Hierzu gehört ausdrücklich auch die Überprüfung der Zugehörigkeit zum Judentum der Mitglieder, bzw. Anwärtern auf die Mitgliedschaft. Des weiteren amtiert R. S. bei Gottesdiensten, Beschneidungen, Bar und Bat Mitzwot, Trauungen, Beerdigungen und allen anderen religiösen Zeremonien nach Absprache mit dem Vorstand der I.G. Auch die Aus- und Weiterbildung der Gemeindemitglieder der I. in religiösen Belangen kann ihm übertragen werden.”

Die in Ziffer 3 zitierte Aufwandsentschädigung betrug zuletzt 1.550 EUR monatlich Auf die gezahlten Aufwandsentschädigungen wurden keine Sozialversicherungsabgaben gezahlt. Unter der Überschrift „Vertragsdauer” heißt es in Ziffer 4:

„Dieser Vertrag wird auf Lebenszeit geschlossen. Er kann seitens R. S. jederzeit aus wichtigem Grunde gekündigt werden, insbesondere bei unüberwindbaren Differenzen mit der Gemeinde. Sollte die I.G. eine Auflösung wünschen, so ist an R. S. eine Abfindung in Höhe von mindestens dem 36-fachen der monatlichen Basispauschale zu bezahlen. Die Vertragsparteien verständigen sich darauf, in allen, diesen Vertrag betreffenden Streitfragen das Schied- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland anzurufen und dessen Urteil bindend anzuerkennen.”

Mit Schreiben vom 28.12.2010 (Anlage K 2), dem Kläger zugegangen am 30.12.2010, erklärte die beklagte Gemeinde, dass sie die Dienste des Klägers für die jüdische Gemeinde ab sofort nicht mehr in Anspruch nehmen werde, dass der Kläger ab dem kommenden Freitag und Samstag nicht mehr zu kommen brauche sowie dass seine Honorarzahlungen ab dem nächsten Monat eingestellt würden. Die beklagte Gemeinde erklärte mit Schreiben vom 21.01.2011 und vom 27.01.2011 die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund.

Das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland wurde bislang von keiner Partei angerufen.

Der Kläger ist der Ansicht, er sei als Arbeitnehmer für die beklagte Gemeinde tätig. Er habe ein Büro und Sprechzeiten an jedem Dienstag sowie Zugriff auf die Sekretärin der Gemeinde. Er sei in die Organisation der Gemeinde eingebunden und den Weisungen des Vorstands der Gemeinde unterworfen. Lediglich in religiösen Angelegenheiten sei er als Rabbiner weisungsfrei. Er sei verpflichtet, Freitagabend und Samstagmorgen den Gottesdienst sowie die Gottesdienste an den jüdischen Festtagen in der Synagoge zu begleiten. Diesbezüglich und im Hinblick auf weitere religiöse Zeremonien sei er an die entsprechenden Zeiten, zu den die Rituale und Zeremonien anstanden, gebunden. Zudem habe der Kläger auch innerhalb der Gemeinde Verwaltungsaufgaben wahrgenommen, insbesondere bei Mitgliedsanträgen geprüft, ob die die Mitgliedschaft anstrebende Person jüdisch ist. Den Urlaub habe er mit dem Vorstand der Gemeinde abgesprochen.

Der Kläger ist der Ansicht, das vorliegende Verfahren sei der weltlichen Gerichtsbarkeit nicht entzogen. In Streit stehe allein das „weltliche” Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der beklagten Gemeinde, welches in der Form eines Dienstvertrages geschlossen worden sei. Insoweit habe sich die beklagte Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgabe eines Gestaltungsmittels des staatlichen Rechts bedient. Unabhängig von der religiösen Einordnung der beklagten Gemeinde sei zwischen den Parteien ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag geschlossen worden. Für diesen Vertrag betr...

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