Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 3.278,88 (i.W.: Dreitausendzweihundertachthundsiebzig 88/100 Deutsche Mark) sowie 5,5 % Zinsen seit dem 29. Juni 1998 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 3.278,88 festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Beklagte, der eine Arztpraxis betreibt, beschäftigte den bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherten Mitarbeiter … vom 01. März bis zum 30. April 1998. Der Mitarbeiter war vom 17. März bis zum 02. Mai 1998 arbeitsunfähig erkrankt. Da der Beklagte die Leistung von Entgeltfortzahlung verweigerte, zahlte die Klägerin für die 33 Tage vom 29. März bis zum 30. April 1998 ein tägliches Krankengeld in Höhe von DM 99,36. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie die Erstattung dieser Leistung. Die Klägerin legt sämtliche bei ihr eingehenden und zur Verfügung stehenden Gelder an und erzielt dabei eine Rendite von mindestens 5,5 %.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 3.278,88 sowie 5,5 % Zinsen seit 29. Juni 1998 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt.

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dem Anspruch stehe § 3 Abs. 3 EFZG entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin verlangt zu Recht die Erfüllung der auf sie aufgrund ihrer Krankengeldzahlung nach § 115 Abs. 1 SGB X übergegangenen Entgeltfortzahlungsansprüche für die Zeit vom 29. März bis zum 30. April 1998. Daß die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1, Abs. 2 EFZG erfüllt sind, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Der Anspruch scheitert auch nicht an der durch Artikel 3 Ziff. 1 b des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl 96 I Seite 1476) in das EFZG eingeführten Regelung von § 3 Abs. 3 ESZG.

Nach dieser Regelung entsteht der Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses. Wie diese Regelung auszulegen ist, ist bisher wenig geklärt. Nach der vom Beklagten geteilten Ansicht von Sieg sollen nach § 3 Abs. 3 EFZG alle Erkrankungen nicht entgeltfortzahlungspflichtig sein, deren erster Tag innerhalb der Frist von § 3 Abs. 3 EFZG liegt; maßgeblich soll entsprechend der Regelungen des Rentenversicherungsrechts der Zeitpunkt des Eintritts des „Versicherungsfalles” sein (BB 96 Beilage 17/18, 19). Nach einer Gegenansicht soll § 3 Abs. 3 EFZG nur Erkrankungen erfassen, die innerhalb der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses beendet sind. Überdauern sie den Tag des Fristablaufs, soll der Anspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG rückwirkend zum Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsunfähigkeit entstehen (Buschmann, AuR 96/285, 290). Die bisher überwiegende Auffassung geht dagegen davon aus, daß der Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses gehemmt ist; streitig ist insoweit, ob bei Erkrankungen, die über die Frist von § 3 Abs. 3 EFZG fortdauern, vom ersten Tag der fünften Woche an Entgeltfortzahlung für die vollen sechs Wochen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG geschuldet ist (so Bauer/Lingemann BB 96 Beilage 17/8 f; Schwedes BB 96 Beilage 17/2,6; Marienhagen/Künzl, EFZG, Stand Juni 1998, § 3 RdNr. 67 b; Geyer/Knorr/Krasney, EFZG, § 3 RdNr. 172 c) oder ob die Dauer der Arbeitsunfähigkeit innerhalb der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses auf die Sechswochenfrist anzurechnen ist (so Preis NJW 96/3369, 3374; Giesen RdA 97/193.194; LAG Niedersachsen. Urteil vom 15. Januar 1998, 11 Sa 1740/97, BB 98/1423 L).

Die ersten beiden Meinungen sind weder mit dem Wortlaut noch mit der Funktion der gesetzlichen Neuregelung in Einklang zu bringen. § 3 Abs. 3 EFZG enthält eine typische Wartezeitregelung; der Anspruch soll mit dem Ablauf einer bestimmten Frist erwachsen. Dies verbietet eine stichtagsunabhängige Anwendung der Norm, sei es im Sinne einer rückwirkenden Anspruchsentstehung, sei es im Sinne eines fortwirkenden Anspruchswegfalls. Entgegen der Ansicht des Beklagten läßt sich aufgrund der Gesetzesmaterialien auch keineswegs belegen, daß der Gesetzgeber Arbeitgeber grundsätzlich von allen Entgeltfortzahlungskosten aufgrund von während der ersten vier Wochen eines Arbeitsverhältnisses auftretender Erkrankungen entlasten wollte. In dem dem Gesetz zugrundeliegenden Entwurf der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. vom 10. Mai 1996 (Bundestagsdrucksache 13/4612, Seite 2) ist vielmehr nur pauschal das Ziel. „die Arbeit von Kosten zu entlasten”, angegeben; die Frist wird ausdrücklich als „Wartezeit” bezeichnet, was auf eine reine Zeitkollisionsregel hindeutet. Aus den Ausführungen unter E der Gesetzesbegründung ergibt sich, daß der Gesetzgeber auch die Folgen der Neuregelung für die Sozialkassen bedacht hat, was nahelegt, daß nur eine partielle, nicht aber eine umfassende Verlagerung der Entgeltfortzahlungskosten aus dem Beginn eines Arbeitsverhältnisses zu Gunsten des Arbeitgebers und zu Lasten der Krankenversicherungen beabsichtigt war.

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