Entscheidungsstichwort (Thema)

Jugend- und Auszubildendenvertretung, Ersatzmitglied, Übernahmeanspruch, allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch. kurzzeitiges vorübergehendes Nachrücken

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Anträge ehemaliger Ersatzmitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung öffentlicher Arbeitgeber auf Beschäftigung unter Berufung auf § 9 BPersVG sind die Gerichte für Arbeitssachen im Urteilsverfahren rechtswegzuständig.

2. Bei einem Streit um das Vorliegen der Voraussetzungen eines Übernahmeanspruches nach § 9 BPersVG richtet sich nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses der Beschäftigungsanspruch eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach den kündigungsschutzrechtlichen Grundsätzen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches entsprechend.

3. Ein allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch besteht bei Streit um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 BPersVG dann, wenn entweder diese offensichtlich gegeben sind oder eine stattgebende erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Entscheidung vorliegt. Auf die Erfolgsaussichten eines Antrages nach § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BPersVG kommt es nicht an.

4. Eine nicht rechtskräftige erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Entscheidung, die das Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses nach § 9 BPersVG feststellt, steht einem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht entgegen, wenn sie auf der restriktiven, dem BAG widersprechenden Rechtsprechung des BVerwG für den Fall kurzzeitig vorübergehend nachgerückter Ersatzmitglieder beruht. Dies gilt solange, wie das BAG und das BVerwG ihre Rechtsprechung nicht harmonisieren.

5. Der Schutz des § 9 BPersVG gilt auch für ein nur einmalig kurzzeitig vorübergehend nachgerücktes Ersatzmitglied. Dies sogar dann, wenn der Vorsitzende der JAV ein vorübergehend nachgerücktes Ersatzmitglied in nicht rechtsmißbräuchlicher Weise nur einmalig mit der Teilnahme an ganztägigen Vorstellungsgesprächen von Bewerbern auf Ausbildungsplätze beauftragt hat.

 

Normenkette

BPersVG §§ 9, 31 Abs. 1 S. 1, § 60 Abs. 4; BetrVG § 78a; BGB § 242; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a

 

Verfahrensgang

VG Berlin (Aktenzeichen 72 K 6.09 PVB)

 

Tenor

I. Die Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, den Verfügungskläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zum Aktenzeichen VG 72 K 6.09 PVB Verwaltungsgericht Berlin vorläufig weiterzubeschäftigen.

II. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.

III. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 1/3, die Verfügungsbeklagte zu 2/3.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.542,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens um den Anspruch des Verfügungsklägers (im Folgenden: Kläger) auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Der Kläger war Ersatzmitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung des Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagter). Der Kläger geht von einem Arbeitsverhältnis auf Grund eines vereinbarten Prozessarbeitsverhältnisses, hilfsweise vom Bestehen eines gesetzlichen Arbeitsverhältnisses nach § 9 BPersVG aus.

Der Beklagte ist eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Er ist in Berlin an drei Standorten tätig, u.a. in D. und in Alt-M.. In Alt-M. hält die Beklagte Versuchstiere. Er bildet dort Jugendliche als Tierpfleger aus. Die Parteien schlossen im Jahr 2006 einen Vertrag zur Ausbildung des Klägers als Tierpfleger.

Im April 2008 wurde beim Beklagten eine dreiköpfige Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) gewählt. Als Mitglieder der JAV wurden B., G. und Sch. gewählt. Auf Platz vier kam der Wahlbewerber H., auf Platz 5 der Kläger. Das JAV-Mitglied B. wurde zum Vorsitzenden, die JAV-Mitglieder G. und Sch. zu 1. bzw. 2. stellvertretenden Vorsitzenden bestimmt.

Der JAV-Vorsitzende B., das JAV-Mitglied G. und das Ersatzmitglied H. waren in D., das JAV-Mitglied Sch. und der Kläger in Alt-M. tätig. Die Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen den Standorten des Beklagten in D. und Alt-M. beträgt je Fahrt mindestens 30 Minuten.

Am 6. März 2010 trat das Ersatzmitglied H. von seinem Amt zurück.

Am 10. März 2010 führte der Beklagte ganztägig Vorstellungsgespräche für Bewerber auf Tierpfleger-Ausbildungsplätze durch. Der Beklagte hatte dazu auch die JAV eingeladen. Am 10. März 2010 war das JAV-Mitglied Sch. arbeitsunfähig krank gemeldet. Das JAV-Mitglied G. befand sich auf einem „Dienstgang” (aushäusige Ausbildung). Der Kläger nahm an den Vorstellungsgesprächen als Vertreter der JAV teil.

Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. April 2009 mit, dass er ihn nach erfolgreich bestandener Abschlussprüfung nicht weiter beschäftigen könne. Der Kläger begehrte daraufhin mit Schreiben vom 12. Mai 2009 die Weiterbeschäftigung nach seiner Abschlussprüfung. Er sei in seiner „Tätigkeit als JAV-Ersatzmitglied … im letzten Jahr immer wieder von den Auszubildenden und den Ausbildern, sowie der fachlichen Betreuung, was die Belange ...

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