Besonderheiten bei der Auslegung der Bezugnahme auf einen Tarifvertrag gelten, wenn die Bezugnahmeklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen i. S. d. §§ 305 ff. BGB enthalten ist.

3.1 Begriff

Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

"Aushandeln" i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB bedeutet mehr als verhandeln. Es genügt nicht, dass der Vertragsinhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Vertragspartners entspricht. "Ausgehandelt" i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist eine Vertragsbedingung nur, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Das setzt voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt.[1]

Da Arbeitsverträge üblicherweise vom Arbeitgeber gestellt werden und der Arbeitnehmer als "Verbraucher" handelt, handelt es sich bei Arbeitsverträgen regelmäßig um Allgemeine Geschäftsbedingungen, selbst wenn der Arbeitsvertrag nur für einen einzigen Arbeitnehmer entworfen wurde.[2] Üblicherweise werden aber Arbeitsverträge für die mehrfache Verwendung konzipiert. Soweit nicht im Einzelfall Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Arbeitsvertrag oder einzelne Klauseln individuell ausgehandelt wurden, wird man regelmäßig davon ausgehen können, dass es sich bei Arbeitsverträgen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt und die §§ 305 bis 310 BGB Anwendung finden.

3.2 Überraschende Klausel

Die statische oder dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag kann eine Überraschungsklausel i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB darstellen. Überraschend sind Vertragsklauseln dann, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Ihnen muss ein "Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt" innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere das äußere Erscheinungsbild des Vertrags. Auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text kann sie als überraschende Klausel erscheinen lassen. Das Überraschungsmoment ist umso eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorheben.[1] Liegt danach eine Überraschungsklausel vor, wird das in der Klausel in Bezug genommene Tarifwerk nicht Inhalt des Arbeitsvertrags, d. h. der Arbeitgeber kann aus dem in Bezug genommenen Tarifvertrag keine für ihn günstigen Rechte herleiten.

Nach der Auffassung des BAG ist die Aufnahme einer umfassenden Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag für Angestellte im öffentlichen Dienst nicht ungewöhnlich, da sie allgemein üblich ist und von den Angestellten des öffentlichen Dienstes erwartet werde.[2] Diese Auffassung ist auf Branchen übertragbar, in denen üblicherweise der einschlägige Tarifvertrag angewendet wird. Selbst wo dies nicht der Fall ist, stellt eine Bezugnahmeklausel auf den einschlägigen Tarifvertrag keine überraschende Klausel dar, wenn sie im Arbeitsvertrag mit einer zutreffenden Überschrift versehen ist und am Anfang des Vertragstextes aufgenommen wird (z. B. nach den Personalien und den Vereinbarungen über die auszuübende Tätigkeit, der Vergütung und der Dauer der Arbeitszeit). Bei einer Aufnahme der Klausel am Schluss des Vertragswerks sollte die Überschrift oder noch besser die Bezugnahmeklausel selbst drucktechnisch (z. B. durch Fettdruck) oder in sonstiger Weise besonders hervorgehoben werden.

3.3 Unklarheitenregel

Die Formulierung einer in einem Formulararbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel muss eindeutig sein. Dies gilt auch für Vertragsklauseln, die als Bezugnahmeklausel ausgelegt werden könnten. Nach § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders. Die sog. Unklarheitenregel beruht auf dem Gedanken, dass es Sache des Verwenders (Arbeitgebers) ist, sich klar und unmissverständlich auszudrücken. Bleiben nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel über den Inhalt oder die Reichweite einer Bezugnahmeklausel, ist nach § 305c Abs. 2 BGB die Auslegung der Vertragsklausel zu wählen, die für den Arbeitnehmer günstiger ist. Auf die Unklarheitenregel...

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