Bezüglich arbeitsrechtlicher Fragestellungen und hierbei insbesondere der rechtlichen Folgen unterbliebener Vorsorge muss zwischen den Formen Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge differenziert werden.

8.1 Pflichtvorsorge

Veranlasst der Arbeitgeber die Pflichtvorsorge und verweigert der Beschäftigte die Teilnahme hieran, darf der Arbeitgeber den Beschäftigten die betroffene Tätigkeit nicht ausüben lassen.[1] Es besteht ein Beschäftigungsverbot.

Ob und mit welchen Maßnahmen der Arbeitgeber reagieren kann, hängt von den getroffenen arbeitsvertraglichen Regelungen, eventuell vorhandenen Betriebsvereinbarungen oder einschlägigen Tarifvorschriften und der Betriebssituation des Arbeitgebers ab.

Je nach Einzelfall muss geprüft werden, ob der Beschäftigte einen Anspruch darauf hat, auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt zu werden, bei dem keine Pflichtvorsorge notwendig ist.

Ergibt die Prüfung, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, den Beschäftigten auf einem anderen (freien) Arbeitsplatz zu beschäftigen, kommen als arbeitsrechtliche Instrumente zunächst eine Abmahnung und im Anschluss daran gegebenenfalls der Ausspruch einer Kündigung in Betracht.[2] Mit der Verweigerung der Teilnahme an der Pflichtvorsorge verletzt der Beschäftigte seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen.

Eine Abmahnung und gegebenenfalls Kündigung kann aber nur dann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt hat, nach deren Ergebnis eine Pflichtvorsorge durchgeführt werden muss. Der Arbeitgeber kann nicht willkürlich seine Beschäftigten anweisen, sich einer betriebsärztlichen Vorsorgeuntersuchung zu unterziehen. Vielmehr hat der Arbeitgeber auf Grundlage der nach § 5 ArbSchG allgemein vorzunehmenden Gefährdungsbeurteilung den Umfang der arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen festzulegen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ArbMedVV). Das Vorhandensein einer Gefährdungsbeurteilung ist grundlegende Bedingung für ärztliche Maßnahmen der Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge. Kann der Arbeitgeber keine entsprechende Gefährdungsbeurteilung darlegen, muss keine Pflichtvorsorge durchgeführt werden. Eine Abmahnung, die in dieser Fallkonstellation auf der Verweigerung der Durchführung der Vorsorge durch den Beschäftigten basiert, kann daher keinen Bestand haben und muss aus der Personalakte entfernt werden.[3]

Bis zur ordnungsgemäßen Durchführung der Pflichtvorsorge kann der Arbeitgeber auch das Arbeitsentgelt zurückhalten. Der Arbeitgeber gerät nicht in Annahmeverzug und es entstehen daher keine entsprechenden Ansprüche des Beschäftigten, solange die Beschäftigung des Arbeitnehmers einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverbot unterliegt.[4]

[2] LAG Düsseldorf, Urteil v. 31.5.1996, 15 Sa 180/95 zur Berechtigung einer Kündigung nach vorheriger Abmahnung bei beharrlicher Verweigerung der Teilnahme an einer von der Berufsgenossenschaft durch Unfallverhütungsvorschriften vorgeschriebene Vorsorgeuntersuchung.

8.2 Angebotsvorsorge

Die Durchführung der Angebotsvorsorge ist im Gegensatz zur Pflichtvorsorge keine Voraussetzung für die Ausübung der betroffenen Tätigkeit.

Der Arbeitgeber muss dem Beschäftigten zwar das Angebot unterbreiten. Der Beschäftigte muss dieses aber nicht annehmen. Nimmt der Beschäftigte nicht an der Angebotsvorsorge teil, darf dies für ihn keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen haben. Der Arbeitgeber ist jedoch weiterhin verpflichtet, dem Beschäftigten trotz der Nichtteilnahme regelmäßig Vorsorge anzubieten.[1]

Zwar drohen dem Beschäftigten keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen, wenn er nicht an der Angebotsvorsorge teilnimmt. Dennoch können sich für ihn Nachteile ergeben. Tritt im Verlauf der Tätigkeit später eine Erkrankung oder Berufskrankheit auf, die unter Umständen bei der Vorsorge erkannt und gegebenenfalls hätte verhindert werden können, ist die Rechtslage nicht eindeutig. Der Beschäftigte läuft Gefahr, dass ihm die mangelnde Mitwirkung negativ angelastet wird.

 
Hinweis

Aufklärung

Um die Akzeptanz der Angebotsvorsorge zu erhöhen, ist es besonders wichtig, die Beschäftigten im Vorfeld gut verständlich und ausführlich über Inhalt und Durchführung der Vorsorge aufzuklären. Eventuell bestehende Bedenken können hierdurch häufig zerstreut werden. Die Teilnahme an der Vorsorge ist für beide Parteien – sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte – vorteilhaft.

8.3 Wunschvorsorge

Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg[1] haben Beschäftigte einen vertraglichen Anspruch auf arbeitsschutzrechtlich vorgeschriebene Vorsorgeuntersuchungen. Nach den Ausführungen des Gerichts begründen § 5a ArbMedVV und § 11 ArbSchG neben einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber den Beschäftigten zugleich einen vertraglichen Anspruch der Beschäftigten gegen den Arbeitgeber. Das Gericht hat dabei offengelassen, ob sich der privatrechtliche Anspruch unmittelbar aus den Vorschriften zur arbeitsmedizinischen Vorsorge e...

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