Leitsatz

Ein Student verklagte seinen Vater auf Unterhalt für die Finanzierung seines Studiums. Vor Beginn des Studiums hatte er bereits erfolgreich eine Lehre als Schauwerbegestalter abgeschlossen, danach holte er die Hochschulreife nach. Zur Begründung seines Unterhaltsanspruchs führte er auf, sein Vater hätte ihm bisher keine seinen Begabungen und Fähigkeiten entsprechende angemessene Ausbildung gewährt, sondern ihn vorzeitig von der Schule genommen und ihn in seine Begabungen nicht ausschöpfenden Beruf gedrängt. Überdies habe es ihm der Vater durch körperliche Züchtigung und völliges Unverständnis für seine schulischen Probleme völlig unmöglich gemacht, sich seinen Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln.

Der BGH vertrat folgende Auffassung: Grundsätzlich schulden die Eltern im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Finanzierung einer optimalen begabungsgerechten Berufsausbildung (s. § 1610 Abs. 2 BGB). Zur Finanzierung einer zweiten Ausbildung sind sie beispielsweise nur verpflichtet,

  • wenn die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte;
  • oder wenn die Eltern das Kind gegen seinen Willen in einen unbefriedigenden, seiner Begabung und Neigung nicht entsprechenden Beruf gedrängt haben;
  • oder dem Kind eine angemessene Ausbildung versagt wurde und es sich daher zunächst für einen Beruf entschieden hat, der seiner Begabung und seinen Neigungen nicht entspricht.

Ob aber der zuvor erlente Beruf des Studenten tatsächlich seinen Fähigkeiten nicht entsprach, ließ sich nach Ansicht des BGH in dem vorliegenden Fall nicht allein anhand der Tatsache des Bestehens des Abiturs entscheiden. Entscheidend seien hier vielmehr die schulischen Leistungen zur Erlangung des Abiturs bzw. der Notendurchschnitt im Abiturzeugnis. Ebenfalls weiterer Aufklärung bedürfe, nach Auffassung des BGH, die Frage, ob angesichts der gestörten häuslichen Verhältnisse und der damit einhergehenden psychischen Probleme die Begabung falsch eingeschätzt wurde. Daher verwies der BGH den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 14.07.1999, XII ZR 230/97

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