Leitsatz

Rechtliche Grenzen erfolgreicher Durchsetzung eines Individualanspruchs auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels (hier: Anspruchsverneinung einer Änderung des Schlüssels von Miteigentumsanteilen auf qm-Wohnfläche im Anschluss an einen nachträglich ausgebauten Spitzboden zu Wohnraum)

 

Normenkette

§§ 5 Abs. 4 Satz 1, 8 Abs. 2, 10 Abs. 2 Satz 3 WEG; §§ 133, 157 BGB

 

Kommentar

  1. In einer Anlage mit 6 Einheiten war der Kostenverteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen vereinbart. Es war zusätzlich geregelt, dass dieser Schlüssel durch einfache Mehrheit abgeändert werden könne, wenn dafür sachliche Gründe vorlägen und einzelne Eigentümer dadurch gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt würden. Nachdem ein Wohnungseigentümer im Dachgeschoss den seinem Sondereigentum zugeordneten Spitzboden nach nunmehr behördlicher Genehmigung zu Wohnzwecken ausgebaut hatte, forderte der Kläger eine Kostenverteilungsänderung nach dem Verhältnis der Wohnflächen; der entsprechende Beschlussantrag wurde bei Stimmengleichheit abgelehnt. Der Kläger focht diesen Negativbeschluss an und beantragte weiterhin Zustimmungserklärung der Beklagten, in Zukunft die Kosten nach dem Verhältnis der Wohnflächen zu verteilen. Während das Amtsgericht der Klage stattgab, wurde sie vom Landgericht Nürnberg-Fürth (ZWE 2010 S. 145) abgewiesen. Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
  2. Die Anfechtung des Negativbeschlusses wurde vom Berufungsgericht zu Recht als zulässig angesehen (vgl. auch Senat, Urteil v. 15.1.2010, V ZR 114/09). Allerdings wäre hier der weitere Klageantrag nicht auf Zustimmung zum Abschluss einer die Gemeinschaftsordnung verändernden Vereinbarung zu stellen, sondern wegen der durch eine Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung begründeten Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung gemäß § 21 Abs. 4 und Abs. 8 WEG auf abändernde Beschlussfassung durch gerichtliche Entscheidung. Auf eine etwaige Umdeutung des Antrags und Zurückverweisung komme es jedoch nicht an, da das klägerische Begehren in der Sache aus anderen Gründen erfolglos sei.
  3. Im hier entschiedenen Fall wurde der klägerische Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG verneint. Auch nach Herabsetzung des Schwellenwerts durch diesen gesetzlich neu geregelten Anspruch gegenüber der früheren Rechtslage nach Grundsätzen des § 242 BGB, soll im Sinne einer Orientierung an der Entscheidung des KG Berlin (Beschluss v. 14.6.2004, 24 W 32/04, NZM 2004 S. 549) ein Änderungsanspruch allenfalls dann berechtigt sein, wenn die Wohn- oder Nutzfläche von dem für die Kostenverteilung maßgeblichen Miteigentumsanteil um mehr als 25 % abweicht (ebenso OLG Köln, FGPrax 2008 S. 57). Vorliegend ergäbe sich bei einer Neuverteilung der verbrauchsunabhängigen Kosten nach Wohnfläche für den Kläger lediglich eine um 13 % ermäßigte Belastung. Die erforderliche Kostenmehrbelastung kann auch nicht in Relation zu Vorteilen anderer Eigentümer gesetzt werden. Zweck des Anspruchs nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG ist nicht die Vermeidung der durch den bisherigen Verteilerschlüssel bei einem anderen Eigentümer entstehenden Vorteile, sondern die Beseitigung unbilliger Härten bei dem die Änderung verlangenden Eigentümer, die diesem bei einem Festhalten an dem bisherigen Verteilungsschlüssel entstünden.
  4. Allerdings ist das Maß der Kostenmehrbelastung nicht das alleinige Kriterium bei einer Entscheidung, ob das Festhalten an der geltenden Regelung unbillig ist. Abzuwägen sind vielmehr die gesamten Umstände des Einzelfalls (h.M. auch zum neuen Recht). Die Nachprüfung erfolgt hier in erster Linie durch den Tatrichter, auch in Auslegung der in § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG geregelten unbestimmten Rechtsbegriffe.
  5. Auch an einer durch ergänzende Auslegung der Gemeinschaftsordnung zu schließenden Regelungslücke zur Anpassung des Kostenverteilungsschlüssels an veränderte Verhältnisse fehlt es in der Regel heute, weil – abweichend zur früheren Rechtslage, BGHZ 160 S. 354 – der gesetzliche Anspruch jedes Eigentümers auf Änderung des vereinbarten Schlüssels nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG eine angemessene und interessengerechte Regelung für diese Fälle bereitstellt. Damit ist auch nicht von einer planwidrigen Unvollständigkeit getroffener Vereinbarungen zu sprechen. Vorliegend ist sogar durch die vereinbarte Öffnungsklausel mit der Möglichkeit einfacher Mehrheitsbeschlussfassung eine Änderung des Lasten- und Kostenverteilungsschlüssels möglich und damit der Gemeinschaft Beschlusskompetenz eingeräumt. Aufgrund dieser der Mehrheit eingeräumten Entscheidungskompetenz über den Kostenverteilungsschlüssel ist damit auch kein Raum für die Annahme, die Gemeinschaftsordnung könne ergänzend dahin ausgelegt werden, dass dem einzelnen Eigentümer ein – gegen den Willen der Mehrheit durchsetzbarer – Anspruch auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels unterhalb der sich aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG ergebenden Eingriffsschwelle zusteht.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom ...

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