Leitsatz

Der Vater einer im Jahre 1966 geborenen Tochter, die an einer Psychose litt und erwerbsunfähig war, begehrte Abänderung eines Urteils, in dem er zur Zahlung von 579,29 EUR monatlichen Unterhalts an seine Tochter verurteilt worden war. Er vertrat die Auffassung, der notwendige Bedarf seiner Tochter werde durch die Grundsicherung in vollem Umfang gedeckt, so dass ihr kein Unterhaltsanspruch mehr zustehe.

 

Sachverhalt

Der Kläger begehrte die Abänderung eines Urteils, nach dem er seiner im September 1966 geborenen Tochter monatlichen Unterhalt von 579,29 EUR zu zahlen hatte.

Die Tochter litt an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Sie war aufgrund dessen erwerbsunfähig und bezog eine Erwerbsunfähigkeitsrente.

Grundlage für die Verurteilung des Klägers zur Zahlung laufenden Unterhalts war ein Mindestbedarf der Beklagten in Höhe des notwendigen Selbstbehalts von 1.425,00 DM sowie ein Medikamentenmehraufwand von monatlich 60,00 DM. Nach Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente der Beklagten von seinerzeit 179,97 EUR errechnete sich ein von dem Kläger zu leistender Betrag von 579,29 EUR.

Der Kläger vertrat die Auffassung, die Beklagte habe einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung und forderte sie auf, solche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Der darauf von der Beklagten gestellte Antrag wurde durch Bescheid vom 10.3.2002 zurückgewiesen. Der von ihr eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Über die hiergegen erhobene Klage war zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht entschieden.

Der Kläger machte den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung für die Zeit ab 1.3.2003 geltend unter Hinweis darauf, dass der notwendige Bedarf der Beklagten durch die Grundsicherung in vollem Umfang gedeckt werde, so dass ihr kein Unterhaltsanspruch mehr zustehe.

Das erstinstanzliche Gericht hat seine Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung war nicht erfolgreich.

Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren weiter. Während des Revisionsverfahrens ist über die vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage der Beklagten entschieden worden. Danach war die Verwaltungsbehörde verpflichtet, der Beklagten ab 3.11.2003 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz unter Zugrundelegung des von ihr tatsächlichen erhaltenen Unterhalts zu gewähren.

 

Entscheidung

Der BGH hielt das Rechtsmittel für teilweise begründet. Es führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit die Klage für die Zeit ab 3.11.2003 abgewiesen worden war und insoweit zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht hatte die Abänderungsklage für unbegründet gehalten, da eine wesentliche Veränderung der für die Verurteilung zur Unterhaltszahlung maßgeblichen Verhältnisse nicht eingetreten sei. Die geringfügige Erhöhung der Erwerbsunfähigkeitsrente und der zwischenzeitliche Wohngeldbezug stellten keine wesentliche Veränderung dar. Andere den Grund oder die Höhe des Unterhaltsanspruchs beeinflussende Verhältnisse, die eine von der Ausgangsentscheidung abweichende Entscheidung gebieten würden, lägen nicht vor. Insbesondere sei die Bedürftigkeit der Beklagten nicht wegen des Bezugs von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz vermindert worden oder entfallen, da sie derartige Leistungen nicht erhalte. Solche Leistungen könnten ihr auch fiktiv nicht zugerechnet werden. Zwar müsse sich der Unterhaltsberechtigte von einem privilegierten Unterhaltspflichtigen (Verwandter in erster Linie) grundsätzlich auf die Inanspruchnahme der Grundsicherung verweisen lassen, da die Grundsicherung im Gegensatz zur Sozialhilfe nicht nachrangig sei. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte sei aber nur dann gerechtfertigt, wenn dem Unterhaltsberechtigten wegen Nichtinanspruchnahme der Grundsicherung ein Obliegenheitsverstoß anzulasten sei. Eine solche Obliegenheitsverletzung sei der Beklagten nicht vorzuwerfen. Sie erhalte trotz Antragstellung und der gegen den ablehnenden Bescheid eingelegten Rechtsbehelfe keine Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Der Unterhaltsanspruch könne auch nicht für die Zukunft um Grundsicherungsleistungen gekürzt werden, da die Gewährung solcher Leistungen kein zu einem bestimmten Zeitpunkt sicher zu erwartender Umstand sei. Ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte Grundsicherungsleistungen erhalten werde, sei ungewiss. Der Unterhalt, den sie aufgrund des Urteils vom 23.1.2002 erhalte, sei höher als ihr Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach § 3 Abs. 1 GSiG. Die aufgrund des Urteils erbrachten Unterhaltsleistungen seien aber als zu berücksichtigendes Einkommen i.S.v. § 3 Abs. 2 GSiG i.V.m. §§ 76 ff. BSHG auf den Anspruch auf Grundsicherungsleistung anzurechnen. Die bedarfsorientierte Grundsicherung würde für die Beklagte 587,75 EUR ausmachen. Hierauf müsse sie sich ihre Erwerbsunfähigkeitsrente sowie das Wohngeld anrechnen lassen, so dass der Anspruch sich auf 385,90 EUR beliefe. Der titulierte Unterhalt der Beklagten sei mit 579,29 EUR höher, weshal...

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