Leitsatz

Die bei der professionellen Anlageberatung bestehende Verpflichtung zur anleger- und anlagegerechten Information gilt nicht ohne weiteres, wenn es jemand innerhalb des Familienkreises auf Wunsch eines anderen gegen Gewinnbeteiligung übernimmt, einen größeren Geldbetrag in Aktien anzulegen.

 

Sachverhalt

Der Beklagte, der beruflich nicht im Bereich der Geldanlage tätig war, hatte in der Vergangenheit zunächst für seine Mutter, später für die Klägerin, die frühere Lebensgefährtin seines Bruders, Aktiengeschäfte durchgeführt, für die er 30 % Gewinnanteil erhalten sollte. Im Laufe der Zeit erhielt er von der Klägerin 145000 DM, die er in Aktien investierte. Die Aktienkurse fielen in der Folge stark ab. Die Klägerin verlangt nun die Rückerstattung des eingesetzten Kapitals. LG und OLG haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision hin hat der BGH die Sache an das OLG zurückverwiesen.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des BGH handelt es sich bei der Vereinbarung zwischen den Beteiligten nicht nur um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis, sondern um einen "echten" Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter[1]. Hieraus können sich Haftungsansprüche ergeben, wenn der Interessent deutlich macht, dass er auf eine bestimmte Anlagenentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt[2], oder es dadurch zum Abschluss eines Anlageberatungsvertrags kommen kann, dass der Anleger bei einer Geldanlage die Dienste und Erfahrungen einer Bank in Anspruch nimmt.

Inhalt und Umfang der Informations- und Beratungspflicht hängen aber von den Umständen des Einzelfalls ab. Vorliegend wurden die Anlagevereinbarungen im erweiterten Familienkreis getroffen. Bei dem Beklagten handelte es sich nicht um einen professionellen Vermögensverwalter, Anlageberater oder Anlagevermittler. Er hatte zwar eine Banklehre abgeschlossen, war im Bankgeschäft aber nicht tätig. Auch hat er keine gewerbsmäßigen Aktienspekulationen vorgenommen. Wegen dieses nur sehr begrenzt "professionellen" Charakters der Absprachen trafen den Beklagten keine verstärkten allgemeinen Informations- und Beratungspflichten. Die Klägerin ihrerseits hatte nicht darauf hingewiesen, nur besonders risikoarme Investitionen vorzunehmen, sondern lediglich allgemein erklärt, sie wolle ihr Geld möglichst gewinnbringend anlegen. Der BGH konnte auf der Grundlage der angefochtenen Entscheidung keine Haftungsgrundlage erkennen.

Das OLG muss die Sache jetzt im Hinblick auf mögliche konkrete Pflichtverletzungen bei der Durchführung der einzelnen Anlagen erneut aufklären.

 

Praxishinweis

Weit schärfere Sorgfaltspflichten treffen den professionellen Anlageberater. Er muss vor der Absprache mit einem Anlageinteressenten über Investitionen in Aktien oder andere Finanzinstrumente stets zunächst die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände des Anlegers, dessen Anlageziele und dessen Risikobereitschaft erfragen, um gegebenenfalls von den Anlagen ganz oder zumindest teilweise abzuraten[3]. Dabei ist dem Vertragspartner ein zutreffendes Bild von den Chancen und Risiken der auszuführenden Geschäfte zu vermitteln. Unterlässt der Berater diese Informationen, kann er sich vollumfänglich schadensersatzpflichtig machen.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 19.4.2007, III ZR 75/06

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