Rz. 23

Kommt es nach dem Beweisverfahren zum Hauptsacheverfahren oder kommt es während des Hauptsacheverfahrens zu einem selbstständigen Beweisverfahren, so sind die Verfahrensgebühren nach VV Vorb. 3 Abs. 5 aufeinander anzurechnen.

 

Rz. 24

Eine Anrechnung unterbleibt allerdings gem. § 15 Abs. 5 S. 2, wenn zwischen Abschluss des Beweisverfahrens und Einleitung des Hauptsacheverfahrens mehr als zwei Kalenderjahre liegen (siehe § 15 Rdn 291 ff.).[5]

 

Rz. 25

Ist im Beweisverfahren eine Terminsgebühr entstanden, bleibt diese dem Anwalt erhalten, da insoweit keine Anrechnung vorgesehen ist.

 

Rz. 26

Hinsichtlich der Anrechnung ist es dem Anwalt unbenommen, ob er die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens auf die des Rechtsstreits anrechnet (§ 15a Abs. 1) oder umgekehrt (siehe § 15a Rdn 61). Die gegenteilige Auffassung des OLG Frankfurt[6] ist unzutreffend und widerspricht dem Wortlaut des § 15a Abs. 1. In den nachfolgenden Fällen wird der Übersichtlichkeit halber immer chronologisch angerechnet. Eine umgekehrte Anrechnung ist aber ebenso möglich.

 

Beispiel (Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren): Der Anwalt führt ein Beweisverfahren über Baumängel i.H.v. 30.000 EUR. Es ergeht ein schriftliches Gutachten. Anschließend kommt es zum Hauptsacheverfahren, in dem nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.

In beiden Verfahren entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100. Die 1,3-Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens ist auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits anzurechnen.

 
I. Selbstständiges Beweisverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   1.241,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.261,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   239,69 EUR
Gesamt   1.501,19 EUR
II. Hauptsacheverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   1.241,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 5 anzurechnen,   – 1.241,50 EUR
  1,3 aus 30.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.166,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   221,54 EUR
Gesamt   1.387,54 EUR
 

Rz. 27

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, so ist die erhöhte Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens auf die erhöhte Gebühr des Rechtsstreits anzurechnen, da die Erhöhung nach VV 1008 keine selbstständige Gebühr ist.[7]

 

Rz. 28

Anzurechnen ist auch, wenn im Beweisverfahren nur die ermäßigte Gebühr nach VV 3100, 3101 Nr. 1 angefallen ist.

 

Beispiel (vorzeitig erledigtes Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren): Der Anwalt erhält den Auftrag für ein selbstständiges Beweisverfahren über Baumängel i.H.v. 30.000 EUR. Hierzu kommt es aber nicht mehr. Stattdessen wird Klage erhoben, auf die nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.

Im selbstständigen Beweisverfahren entsteht jetzt nur eine 0,8-Verfahrensgebühr nach VV 3100, 3101 Nr. 1. Auch diese Gebühr ist gem. VV Vorb. 3 Abs. 5 auf die nachfolgende Verfahrensgebühr anzurechnen.

 

Rz. 29

Ebenso ist anzurechnen, wenn im gerichtlichen Verfahren nur die ermäßigte Gebühr nach VV 3100, 3101 Nr. 1 angefallen ist. Die Anrechnung ist dann allerdings auf 0,8 beschränkt.

 

Beispiel (vorzeitig erledigtes Beweisverfahren mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren): Der Anwalt erhält den Auftrag für ein selbstständiges Beweisverfahren über Baumängel i.H.v. 30.000 EUR. Er nimmt an dem Sachverständigentermin teil. Nach Abschluss des Verfahrens erhält der Anwalt den Auftrag zur Klage. Dazu kommt es aber nicht mehr.

Im selbstständigen Beweisverfahren entsteht jetzt die volle 1,3-Verfahrensgebühr (VV 3100), während im gerichtlichen Verfahren nur eine 0,8-Verfahrensgebühr nach VV 3100, 3101 Nr. 1 entsteht. Diese 1,3-Verfahrenggebühr ist zu einem Satz von 0,8 auf die Verfahrensgebühr des Klageauftrags anzurechnen.

 
I. Selbstständiges Beweisverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   1.241,50 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.407,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   457,43 EUR
Gesamt   2.864,93 EUR
II. Hauptsacheverfahren
1. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3100, 3101   764,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 5 anzurechnen,   – 764,00 EUR
  0,8 aus 30.000,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 20,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   3,80 EUR
Gesamt   23,80 EUR
 

Rz. 30

Für die Anrechnung nach VV Vorb. 3 Abs. 5 kommt es nur darauf an, dass Gegenstand und Auftraggeber des selbstständigen Beweisverfahrens und des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens identisch sind. Es ist nicht erforderlich, dass der Auftraggeber in der gleichen Parteirolle beteiligt ist. Ist der Antragsteller des selbstständigen Beweisverfahrens später Beklagter oder der Antragsgegner später Kläger, wird ebenso angerechnet. Das Gleiche gilt, wenn er im selbstständigen Bewei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge