Rz. 222

Ist dem gerichtlichen Verfahren ein Verwaltungsverfahren vorangegangen, so sind die dort verdienten Gebühren der VV 2300 nach VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen.

 

Rz. 223

Zu beachten ist, dass jeweils nur die entsprechende vorangegangene außergerichtliche Tätigkeit anzurechnen ist:

In der Hauptsache ist also nur anzurechnen, wenn dort ein Verwaltungsverfahren vorangegangen ist;
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist nur dann anzurechnen, wenn ein entsprechendes behördliches Verfahren vorangegangen ist, etwa wenn zuvor bei der Behörde ein Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO gestellt worden ist. Hier kommt die Anrechnung der im Widerspruchsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr nicht in Betracht.[72]
 

Rz. 224

Am besten lässt sich dies anhand folgender Übersicht verdeutlichen:

 

Rz. 225

 

Beispiel: Gegen einen Bescheid (Wert: 5.000 EUR) legt der Anwalt Widerspruch ein und beantragt bei der Behörde die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Widerspruch und Aussetzungsantrag werden zurückgewiesen. Anschließend legt der Anwalt Anfechtungsklage ein und stellt gleichzeitig beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Die Aussetzung der sofortigen Vollziehung wird durch Beschluss ausgesprochen (Wert: 1.250 EUR). Anschließend wird in der Hauptsache verhandelt.

Das Hauptsache-Verwaltungsverfahren sowie das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung sind zwei verschiedene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 1a), sodass die Gebühren nach VV 2300 gesondert anfallen.

Darüber hinaus sind Anfechtungsklage und Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO jeweils eigene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 4 Buchst. c), auf die allerdings die vorangegangenen Geschäftsgebühren der entsprechenden Verwaltungsverfahren nach VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 1 anzurechnen sind.

 
I. Widerspruchsverfahren
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   501,00 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 521,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   98,99 EUR
Gesamt   619,99 EUR
II. Anfechtungsklage
1. 1,3-Verfahrensgebühr VV 3100   434,20 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,   – 250,50 EUR
  0,75 aus 5.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr VV 3104   400,80 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 604,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   114,86 EUR
Gesamt   719,36 EUR
III. Behördliches Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   190,50 EUR
  (Wert: 1.250,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 210,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   40,00 EUR
Gesamt   250,50 EUR
IV. Gerichtliches Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   165,10 EUR
  (Wert: 1.250,00 EUR)    
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,   – 95,25 EUR
  0,75 aus 1.250,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 89,85 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   17,07 EUR
Gesamt   106,92 EUR
 

Rz. 226

Unzulässig wäre es, die im Widerspruchsverfahren angefallene Geschäftsgebühr im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO anzurechnen oder die im behördlichen Verfahren nach § 80 Abs. 4 VwGO angefallene Geschäftsgebühr in Erkenntnisverfahren vor dem Verwaltungsgericht.

 

Rz. 227

 

Beispiel: Gegen einen Bescheid (Wert: 5.000 EUR) legt der Mandant selbst Widerspruch ein und beauftragt den Anwalt, bei der Behörde die Aussetzung der sofortigen Vollziehung zu beantragen, die auch gewährt wird. Nachdem der Widerspruch zurückgewiesen worden ist, beauftragt der Mandant den Anwalt, Anfechtungsklage zu erheben, über die mündlich verhandelt wird.

Im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO entsteht eine Geschäftsgebühr. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht entstehen eine 1,3-Verfahrensgebühr und eine 1,2-Terminsgebühr. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 1 kommt auch hier nicht in Betracht, da der außergerichtlichen Tätigkeit (Eilsache) und dem gerichtlichen Verfahren (Hauptsache) unterschiedliche Gegenstände zugrunde liegen.

 
I. Behördliches Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   190,50 EUR
  (Wert: 1.250,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 210,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   40,00 EUR
Gesamt   250,50 EUR
II. Anfechtungsklage
1. 1,3-Verfahrensgebühr VV 3100   434,20 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr VV 3104   400,80 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 855,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   162,45 EUR
Gesamt   1.017,45 EUR
[72] Hessischer VGH AGS 2009, 115 = NJW 2009, 2077; OVG Hamburg AGS 2009, 274 u. 538 = RVGreport 2009, 344.

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