1 Leitsatz

Bei einer Auftragsvergabe mit einem höheren Wert als 3.000 EUR müssen mindestens 3 Vergleichsangebote eingeholt und den Wohnungseigentümern vorgelegt werden, um eine angemessene und hinreichende Vergleichsbasis zur Abwägung der in Rede stehenden Arbeiten und Aufträge zu ermöglichen.

2 Normenkette

§§ 18, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG

3 Das Problem

Das im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Flachdach ist undicht und komplett zu erneuern. Die Kosten für eine einmalige und komplette Gesamterneuerung des Flachdachs sind hoch und von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B nicht auf einmal tragbar. Deswegen entscheiden sich die Wohnungseigentümer, nach einem mehrjährigen Plan stufenweise vorzugehen und jährlich einzelne Teilbereiche des Dachs nach Dringlichkeit zu reparieren bzw. zu erneuern. Am 8.6.2021 beschließen die Wohnungseigentümer die Sanierung/Erneuerung der 4. Teildachfläche durch die X-GmbH gemäß ihren beiden Angeboten vom 24.2.2021 (Auftragsvolumen von ca. 70.000 EUR). Vergleichsangebote werden nicht eingeholt. Die C-GmbH war auch für die anderen 3 Teildachflächen beauftragt worden.

Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er ist der Auffassung, es habe in Ermangelung von Vergleichsangeboten keine angemessene Entscheidungsgrundlage gegeben. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hält dem entgegen, die X-GmbH habe sich bei den bisherigen Arbeiten bewährt. Es gelte der Grundsatz von "bewährt und gut". Es seien keine Vergleichsangebote einzuholen, wenn der Dienstleister oder das beauftragte Unternehmen, wie im Fall 3-mal, bereits in der Vergangenheit für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsprechend tätig gewesen sei. Es stehe einer Gemeinschaft frei, ein für gut befundenes Handwerksunternehmen zu beauftragen, auch wenn dies zu einer höheren Belastung führe als die Beauftragung eines Konkurrenten.

4 Die Entscheidung

Das sieht das AG anders! Die Beschlussfassung widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Nach ständiger Rechtsprechung bedürfe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage, wenn diese über die Beauftragung eines Werkunternehmers entscheide. Dabei sei in der Rechtsprechung der Grundsatz entwickelt worden, dass bei einer Auftragsvergabe mit einem höheren Wert als 3.000 EUR mindestens 3 Vergleichsangebote eingeholt und den Wohnungseigentümern vorgelegt werden müssen, um ihnen eine angemessene und hinreichende Vergleichsbasis zur Abwägung der in Rede stehenden Arbeiten und Aufträge zu ermöglichen (Hinweis auf LG Berlin, Urteil v. 2.2.2018, 85 S 98/16 und LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 19.4.2017, 2-13 S 2/17).

Zwar sei B zuzugestehen, dass den Wohnungseigentümern ein Ermessensspielraum zustehe, ob die Erhaltung von Dachflächen in einem Beschluss oder im Rahmen eines mehrjährigen Programms mit Einzelbeschlüssen durchgeführt werde. Bei den dann jährlich erfolgenden Beschlüssen über die Beauftragung weiterer Teilerhaltungen stehe es den Wohnungseigentümern frei, aufgrund der guten Erfahrungen mit dem bisherigen Handwerksunternehmen, dieses weiterhin zu beauftragen, selbst wenn es nicht das günstigste Angebot abgebe. All dieses sei in einer Abwägung und Entscheidungsfindung zu klären. Es widerspreche jedoch einer ordnungsmäßigen Verwaltung, bei einem Auftragsvolumen von ca. 70.000 EUR keine Alternativangebote einzuholen. Damit sei es den Wohnungseigentümern nicht möglich, die Kostenhöhe eines Angebots marktgerecht einzuschätzen. Zudem sei ihnen eine Diskussion und Entscheidungsfindung über die Beauftragung unmöglich, da sie zur Fortführung der Arbeiten das einzig vorliegende Angebot annehmen müssten. Die Möglichkeit einer Überprüfung und Auswahl hinsichtlich Kostenhöhe, Ausführungsart und Unternehmen sei ihnen nicht mehr gegeben. Dabei sei es nicht Aufgabe der einzelnen Miteigentümer, durch eigene Einholung von Alternativangeboten aufzuzeigen, dass vorliegend möglicherweise attraktivere Angebote einholbar gewesen wären.

5 Hinweis

Problemüberblick

Der Fall behandelt einen "Klassiker". Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer soll zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums einen Vertrag schließen. Dann fragt es sich, ob die Verwaltung von mehreren Unternehmen für den gewollten Vertragsinhalt ein Angebot einholen muss.

3 Angebote

Im Grundsatz gilt: es bedarf in der Regel wenigstens dreier Angebote. Geht die Verwaltung anders vor, wird die Auswahlentscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen, sodass der gefasste Beschluss für ungültig zu erklären ist. Diese Sichtweise ist zwar aus Sicht der Verwaltungen im Einzelfall ärgerlich und wird im Schrifttum immer wieder bekämpft, ist aber ständige Rechtsprechung, welche die Verwaltungen ihrem Tun zugrunde zu legen haben.

Allerdings müssen die Verwaltungen auch die Ausnahmen kennen. Die wichtigste ist, dass eine Maßnahme nur eine geringe Bedeutung hat. Das AG beschreibt diese mit einem Auftragsvolumen unter 3.000 EUR. Ich selbst sehe diesen Wert bei nur 1.000 EUR. Nach anderen soll eine Orientierung am Volumen des Wirtschaftsplans sinnvoll sein, z. ...

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