Leitsatz

Anfechtung eines – zu Unrecht – verkündeten Negativbeschlusses kann mit dem Feststellungsantrag verbunden werden, dass überhaupt kein Beschluss gefasst wurde

 

Normenkette

§§ 23 Abs. 4, 26 Abs. 1, 43 WEG

 

Kommentar

  1. Zu einem Tagesordnungspunkt (Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund) verkündete der betreffende Verwalter "für den Antrag: keine Stimme; gegen den Antrag: keine Stimme; Enthaltungen: keine Stimme". Gleichzeitig erwähnte er im Anschluss daran, "dass der Antrag damit abgelehnt sei". Tatsächlich wurden jedoch weder Ja- noch Nein-Stimmen abgegeben; vielmehr enthielten sich sämtliche Eigentümer der Stimme.
  2. Zunächst ist von der Verkündung des Versammlungsleiters als "Negativbeschluss" auszugehen, damit auch der Berechtigung der Anfechtung eines solchen Beschlusses. Die Verkündung eines Abstimmungsergebnisses durch den Versammlungsleiter hat neben der konstitutiven auch eine inhaltsfixierende Wirkung, sodass selbst bei unrichtiger Feststellung zunächst von einem wirksamen Beschluss auszugehen ist, der auch gerichtlich nachgeprüft werden kann. Somit besteht das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines Negativbeschlusses.

    Allerdings hat der Versammlungsleiter das Beschlussergebnis unrichtig festgestellt, da es für die Ermittlung der erforderlichen Mehrheit für eine Beschlussfassung auf das Verhältnis der für und gegen einen Beschlussantrag abgegebenen Stimmen ankommt, demgegenüber Stimmenthaltungen ohne rechtliche Wirkung unberücksichtigt bleiben. Da insoweit im vorliegenden Fall zum Antrag weder eine positive noch negative Stimme abgegeben wurde, liegt eine Beschlussfassung überhaupt nicht vor; das Verkündungsergebnis im Sinne eines Negativbeschlusses war deshalb aufzuheben bei gleichzeitiger Feststellungsberechtigung, "dass tatsächlich kein Beschluss gefasst wurde". Damit besteht auch ein entsprechendes Rechtsschutzinteresse für die Antragsteller an der Feststellung dieser Tatsache.

    Wendet sich ein Wohnungseigentümer gegen einen Negativbeschluss (wie hier fälschlicherweise vom betroffenen Verwalter verkündet), weil er die Feststellung eines ablehnenden Beschlussergebnisses für unrichtig hält, so kann er die Beschlussanfechtung mit einem Antrag verbinden, der auf gerichtliche Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses gerichtet ist. Im Fall einer solchen Antragsverbindung fehlt es für die Anfechtung des Negativbeschlusses nicht an einem Rechtsschutzinteresse (BGH, NJW 2000, 3704). Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall, also hinsichtlich der Feststellung, dass überhaupt kein Beschluss gefasst worden sei. Entspricht ein festgestelltes und verkündetes Beschlussergebnis nicht den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, so stellt dies einen Anfechtungs-, keinen Nichtigkeitsgrund dar (h. M.). Auf die hier erfolgte Anfechtung hin war der festgestellte (Negativ-)Beschluss daher aufzuheben. Mit der Anfechtung konnte dann auch ein Antrag auf Feststellung des wirklich gefassten, aber vom Versammlungsleiter nicht festgestellten Beschlussinhalts verbunden werden. Gleiches gilt im vorliegenden Fall, in dem kein Beschluss gefasst wurde. Die Aufhebung des fälschlicherweise festgestellten Beschlusses schließt auch nicht die Feststellung aus, dass tatsächlich kein Beschluss ergangen ist. Bei einem Negativbeschluss macht erst dessen Anfechtung den Weg frei für einen erfolgreichen Feststellungsantrag.

Anmerkung

Abstimmungen können also – wie auch vorliegend – zu keinem Beschluss i. S. d. WE-Rechts führen (mangels antragsbejahender oder -verneinender Stimmen in jeweiliger Mehrheit) mit dem dann allein zu verkündenden Abstimmungsergebnis eines "Nichtbeschlusses" (Nihil/Nullum) bzw. "kein Beschluss"!

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 21.02.2007, 34 Wx 100/06

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