Leitsatz

Das Anbringen eines "Dachbalkons" ist eine bauliche Veränderung. Dass in der Gemeinschaftsordnung eine Duldungsverpflichtung der anderen Eigentümer für den Fall eines Balkonausbaus vorgesehen ist, ändert nichts

 

Normenkette

§ 22 Abs. 1 WEG

 

Das Problem

  1. Nach der Gemeinschaftsordnung ist es jedem Wohnungseigentümer erlaubt, einen Balkon anbringen zu lassen, soweit sich dieser "einfügt".
  2. Ein Wohnungseigentümer möchte von dieser Erlaubnis Gebrauch machen und beantragt auf einer Versammlung die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zu seinem Vorhaben. Für die Zustimmung schildert er seine Pläne grob, genaue Einzelheiten gibt er nicht bekannt.
  3. Da die Zustimmung jedenfalls nicht von allen Wohnungseigentümern gegeben wird, verkündet der Verwalter einen Negativbeschluss. Gegen diesen Beschluss geht der bauwillige Wohnungseigentümer vor.
 

Entscheidung

  1. Die Klage hat keinen Erfolg. Nach § 22 Abs. 1 WEG mussten sämtliche Wohnungseigentümer dem Beschluss zustimmen. Wenn Balkone an einer Fassade angebracht werden oder – wie hier – ein Dachbalkon errichtet werden soll, dann sei das ein auf Dauer angelegter Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum bzw. eine Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums. Dass in der Gemeinschaftsordnung eine Duldungsverpflichtung der anderen Eigentümer für den Fall eines Balkonausbaus vorgesehen ist, ändere nichts. Hierin liege zwar eine vereinbarte Entscheidung über das "Ob". Die Vereinbarung bedeute aber nicht, dass ein Wohnungseigentümer verpflichtet wäre, einen Balkon zu errichten. Ein Haus ohne Balkone sei weder im Allgemeinen noch konkret mit dieser Bestimmung ordnungswidrig bzw. unvollständig hergestellt.
  2. Die Eigentümer seien auch nicht verpflichtet gewesen, ihre Zustimmung zu erklären. Denn die Gemeinschaftsordnung sehe vor, dass der Balkon sich in den bisherigen Bau "einfügen" soll. Bei der Beschlussvorlage könne man keine Farben, kein Material und überhaupt nur grobe Einzelheiten erkennen. Ein Beschluss, der zustimmungsfähig sein soll, müsse "möglicherweise" Architektenzeichnungen beinhalten oder vergleichbare Darstellungen mit Einzelheiten, was Material, Optik und Technik anbelange.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung kann nicht nur durch Beschluss nach § 22 Abs. 1 WEG erteilt, sondern in der Gemeinschaftsordnung als Vereinbarung vorweggenommen werden.
  2. Liegt es so, bedarf ein Wohnungseigentümer für das "ob" seiner baulichen Veränderung keiner weiteren Zustimmung. Dies hat das Landgericht nicht wirklich erkannt. Richtig ist demgegenüber, dass trotz der vereinbarten Zustimmung die Wohnungseigentümer ein Direktionsrecht haben, über das "wie". Es war daher richtig, dass der bauwillige Wohnungseigentümer sein Vorhaben den anderen Wohnungseigentümern vorstellte. Ferner war es richtig, dass er für das "wie" einer Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedurfte – allerdings nach § 21 Abs. 3 WEG (der Beschluss bedurfte daher meines Erachtens nur einer einfachen Mehrheit).
  3. Richtig ist, dass sich das Ermessen der anderen Wohnungseigentümer, dem Beschluss zuzustimmen, nicht auf ein "ja" verengt hatte. Wenn – wie es das Landgericht ausführt – die genaue Ausführung nicht bekannt war, konnten die anderen Wohnungseigentümer auch nicht verpflichtet sein, die "Katze im Sack zu kaufen".

Was ist für den Verwalter wichtig?

  1. Erreicht ein Beschluss nach § 22 Abs. 1 WEG nicht die erforderliche Mehrheit (in der Regel die Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer) ist – wie im Fall – vom Verwalter tatsächlich ein Negativbeschluss zu verkünden.
  2. In vergleichbaren Fällen wäre darüber nachzudenken, warum es sich bei der Maßnahme um keine Modernisierung handelt. Das hätte allerdings nur für das "ob" etwas geändert – und das war hier sogar vereinbart. Für das "wie" hätte sich hingegen der Sache nach nichts geändert.
 

Link zur Entscheidung

LG Berlin, Urteil v. 16.7.2013, 55 S 171/12 WEG

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