Leitsatz

§ 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB ist entsprechend anwendbar, wenn ein Vorberbfall vor dem Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 29.02.1990 eingetreten ist und dann dem Vorerben durch Rückübertragungsbescheid Vermögenswerte nach § 3 VermG übertragen werden.

 

Sachverhalt

Die Klägerinnen (Erben des Nacherben) begehren von den Beklagten (Erben der 2006 verstorbenen testamentarischen Vorerbin) die Auszahlung von beim AG hinterlegten 4.102,98 EUR. Der 1975 verstorbene Erblasser war urspr. Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen in der DDR, die er 1954 verließ. Nachdem zunächst die Stadt D. als Treuhänder für die Grundstücke eingesetzt war, wurden diese durch Kaufvertrag 1969 in das Volkseigentum der LPG F. überführt. Mit Erbvertrag setzte der Erblasser seine 2. Ehefrau zur Vorerbin und seinen Sohn als Nacherben ein, wobei dessen Abkömmlinge ggf. an seine Stelle treten sollten. Die Ehefrau war berechtigt, ihre Erbeinsetzung zugunsten der Nacherben jederzeit zu widerrufen. 1994 wurden die Grundstücke des Erblassers auf die Vorerbin zurückübertragen, ein Vermerk über die Vor- und Nacherbschaft wurde nicht in das Grundbuch aufgenommen. Ende 1995 schloss die Vorerbin einen Landpachtvertrag. Wegen des Streits über das Eigentum an den Grundstücken hinterlegte sie den fälligen Pachtzins für das 4. Quartal 2006, dessen Herausgabe die Klägerinnen nunmehr begehren.

 

Entscheidung

Das AG gab der Klage statt; Berufung und nunmehr auch Revision sind ohne Erfolg. Der Anspruch der Klägerinnen auf Zustimmung zur Auszahlung ergibt sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. §§ 2130 Abs. 1 Satz 1, 2139 BGB, da sie mit dem Nacherbfall Eigentümer der Grundstücke geworden und gem. §§ 2135, 1056 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB in den Pachtvertrag eingetreten sind. Der Erblasser war nach der Enteignung 1969 weder Eigentümer der Grundstücke, noch stand ihm ein Rückübertragungsanspruch zu, da das Vermögensgesetz, welches nach § 2 diesen Anspruch gewährt, erst am 29.02.1990 in Kraft trat. Auch stand dem Erblasser keine "rechtlich geschützte Keimzelle" bzgl. seines Eigentums zu, da zum Zeitpunkt seines Todes nicht einmal die Wiedervereinigung vorauszuahnen war. Eine realisierbare Vermögensposition entstand erst 1990 mit Inkrafttreten des VermG.

Die Klägerinnen sind nicht nach § 2111 BGB in direkter Anwendung Eigentümer geworden, da dieser voraussetzt, dass es sich bei dem Surrogat um einen Erbschaftsgegenstand oder ein zur Erbschaft gehörendes Recht des Erblassers handelt. Der Rückübertragungsanspruch nach dem VermG entsteht jedoch ex nunc und originär in der Person der Berechtigten (Vorerbin). Jedoch ist § 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend anwendbar, wenn ein Vorberbfall vor dem Inkrafttreten des Vermögensgesetztes am 29.02.1990 eingetreten ist und dann dem Vorerben durch Rückübertragungsbescheid Vermögenswerte nach § 3 VermG übertragen werden. Eine Analogie ist hier zulässig, da es der Sinn und Zweck der dinglichen Surrogation des § 2111 BGB ist, den Wert des Nachlasses als Sondervermögen im Interesse des Nacherben zu erhalten. Auch wurde die Norm bei vergleichbaren Interessenlagen bereits analog angewandt, so insb. für Ansprüche nach dem Lastenausgleichsgesetz. Auch vorliegend ist kein Grund ersichtlich, weshalb dem Vorerben ein Vorteil daraus erwachsen sollte, dass die Ausgleichsleistungen nicht in Person des Erblassers, sondern in seiner Person entstanden sind. Er profitiert nur von der Restitution, weil der Erblasser einerseits einen Vermögensverlust gem. § 1 VermG erlitten und andererseits ihn zum Vorerben eingesetzt hat. Da es Sinn und Zweck des VermG ist, den Zustand wiederherzustellen, der ohne die Enteignung bestünde, darf die Vorerbin hierdurch nicht besser gestellt werden, als wenn es überhaupt keine Enteignung gegeben hätte.

Soweit der XII. Zivilsenat (BGHZ 157, 379, 383 ff.) entschieden hat, dass Restitutionsansprüche nach dem VermG bei dem Zugewinnausgleich nicht zum Anfangsvermögen zählen und auch kein Erwerb von Todes wegen nach § 1374 Abs. 2 BGB vorliegt, so rechtfertigt sich die unterschiedliche Behandlung im Erb- und Familienrecht dadurch, dass es keine einheitlichen Stichtags- und Surrogationsregeln gibt (vgl. §§ 1376, 1384 BGB und §§ 2313, 211 BGB) und die Normen unterschiedlichen Schutzzwecken dienen. Während im Familienrecht der Zugewinnausgleichsanspruch vor der Manipulation des Anfangsvermögens geschützt werden soll, soll § 2111 BGB den Nachlass als Sondervermögen für den Nacherben erhalten.

Auch sind die Klägerinnen nach §§ 2135, 1056 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB in den Pachtvertrag der Vorerbin eingetreten und automatisch Vertragspartei geworden, während die Vorerbin aus dem Vertrag ausschied. Ihnen steht damit auch im Außenverhältnis ein Anspruch gegen den Pächter zu. Die Beklagten waren als Mitglieder einer Erbengemeinschaft nicht Gesamtschuldner, sondern es lag ein Fall der gemeinschaftlichen Schuld vor.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 17.03.2010, IV ZR 144/08

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