Zu Recht hat das Arbeitsgericht zugunsten der Klägerin eine 1,6 Verfahrensgebühr und die Postpauschale für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren festgesetzt.

1. Es ist anerkannt, dass sich der oder die Berufungsbeklagte anwaltlicher Unterstützung bedienen darf, bevor eine Berufungsbegründung eingegangen ist. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist (OLG München v. 20.6.2008 – 11 WF 857/08; BGH NJW 2003, 756).

2. Ein Berufungsbeklagter ist berechtigt, sofort nach Zustellung der Berufungsschrift einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung in der Berufungsinstanz zu beauftragen.

Weder die Entstehung noch die Erstattbarkeit der Prozessgebühr hängen davon ab, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach außen in Erscheinung getreten ist (OLG München v. 16.2.1984 – 11 W 898/84; OLG Bamberg, v. 29.10.1976 – 1 W 36/76, JurBüro 1977, 204).

3. Selbst wenn eine Berufung nur aus Fristwahrungsgründen eingereicht wurde verbunden mit der Bitte an den Berufungsbeklagten, einen anwaltlichen Vertreter zur Vermeidung unnötiger Kosten noch nicht zu bestellen, ist im Falle einer Berufungsrücknahme für den Berufungsanwalt des Beklagten (der den Empfang der Berufungsschrift und des Rücknahmeschriftsatzes bestätigt hat) schon eine Verfahrensgebühr erstattungsfähig. Der Anfall einer Verfahrensgebühr setzt nicht voraus, dass der Anwalt einen Schriftsatz bei Gericht eingereicht hat. Die Verfahrensgebühr entsteht vielmehr bereits mit Auftragserteilung. (Brandenburgisches Oberlandesgericht vom 12.9.2008, 6 W 146/08). Wird ein Schriftsatz nicht eingereicht, hat dies nur zur Folge, dass gegebenenfalls die Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV in ermäßigter Höhe entsteht.

4. Bereits vor diesem rechtlichen Hintergrund ist das ArbG zutreffend vom Bestehen eines Erstattungsanspruches für eine Verfahrensgebühr ausgegangen. Der Vertreter der Klägerin hat den Empfang der Berufungsschrift und auch der Berufungsbegründung bestätigt. Ihm war also bereits ein Auftrag für das Berufungsverfahren erteilt. Allein das hat schon einen Gebührenanspruch ausgelöst.

5. Der Erstattungsanspruch besteht auch nicht nur in Höhe einer 1,1-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 VV, vielmehr in Höhe einer 1,6-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV. Die Klägerin hat bereits vor Berufungsrücknahme mit Schriftsatz v. 11.12.2013, eingegangen per Fax beim LAG am 11.12.2013 um 8:36 Uhr beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Gleichzeitig hat sie vorsorglich unter Hinweis auf die zu erwartende Berufungsrücknahme um Verlängerung der für sie am 13.12.2013 ablaufenden Erwiderungsfrist gebeten. Die Berufungsrücknahme ist erst zeitlich danach, nämlich um 8:51 Uhr eingegangen.

6. Das die höhere Verfahrensgebühr auslösende Auftreten der Vertreter der Klägerin und Berufungsbeklagten war auch nicht unnötig (vgl. hierzu OLG München v. 20.6.2008 – 11 WF 857/08 m.w.Nachw.). Nach Zustellung der Berufungsbegründung lief ausweislich der Verfügung des LAG v. 7.11.2013 ihre Frist zur Berufungserwiderung alsbald nach Abschluss des vor dem ArbG Lübeck am 10.12.2013 geschlossenen Vergleiches am 13.12.2013 ab. Es war nicht absehbar, ob der Beklagte innerhalb der Erwiderungsfrist noch die Berufung zurücknehmen würde. Insoweit galt es, die Klägerin vor drohendem Fristablauf abzusichern. Abgesehen davon sind die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch im Rahmen des Abschlusses des arbeitsgerichtlichen Vergleichs und der dortigen Herbeiführung einer Einigung über die Berufungsrücknahme für die Klägerin bereits nach außen aufgetreten.

7. Aus den genannten Gründen steht der Klägerin damit der vom ArbG festgesetzte Kostenerstattungsanspruch zu.

AGS, S. 432 - 433

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