1. Ein allgemeiner Gebührenverzicht oder ein allgemein vereinbartes Erfolgshonorar für eine Vielzahl von Klagen oder Vorverfahren auf dem Gebiet des SGB II verstoßen gegen § 49b BRAO, § 4a Abs. 1 S. 1 RVG. Ein solcher Verzicht bzw. ein Erfolgshonorar liegt auch dann vor, wenn nach dem Willen der Vertragsparteien im Innenverhältnis keine Zahlung der Vergütung durch die Auftraggeber vorgesehen ist, sondern Vergütungsansprüche vom Anwalt nur im Falle und nach Maßgabe eines Erstattungsanspruches gegen die Staatskasse oder die Behörde geltend gemacht werden können. Eine solche Vereinbarung ist nach § 134 BGB nichtig.
  2. Sind mit einer solchen Vergütungsvereinbarung massenhaft erhobene Widersprüche und Klagen unter Ausnutzung der Kostenfreiheit dieser Verfahren auf dem Gebiet des SGB II verbunden, ist nicht nur die Vergütungsvereinbarung, sondern der jeweilige Anwaltsvertrag insgesamt nach § 138 BGB sittenwidrig und nichtig.
  3. Dieser Gesetzesverstoß bzw. die Sittenwidrigkeit schließen einen Erstattungsanspruch nach § 63 SGB X gegenüber der Behörde jedenfalls dann aus, wenn die Auftraggeberseite die diesem zugrunde liegende Vergütung noch nicht gutgläubig gezahlt hat.
  4. Das Gericht muss von Amts wegen der Frage, ob ein solche unzulässige Vereinbarung vorliegt, nur auf substantiierten Vortrag der Behörde oder dann nachgehen, wenn sich ein solcher Sachverhalt aufdrängt.
  5. Es besteht aber eine tatsächliche Vermutung (Anscheinsbeweis) für das Bestehen einer solchen Abrede dann, wenn in einer Gesamtschau durch eine Vielzahl von anwaltlich erhobenen Widersprüchen und Klagen auf dem Gebiet des SGB II geradezu mutwillig Vergütungsansprüche in erheblicher Höhe in Kauf genommen werden, die erkennbar außer Verhältnis zu den begehrten wirtschaftlichen Vorteilen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten stehen. Dies ist in der Regel zu bejahen und bedarf dann keiner weiteren Tatsachenfeststellung, wenn bei einer großen Anzahl an Widerspruchsverfahren bei anwaltlicher Vertretung die Mehrheit dieser Widersprüche nicht begründet worden sind.

SG Neubrandenburg, Urt. v. 27.11.2015 – S 12 AS 1004/13

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